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Journalist Björn Menzel stellt im Markgraf-Albrecht-Gymnasium sein Buch vor und berichtet von den Schwierigkeiten des Aussteigens Reportagen über die rechte Szene regen zur Diskussion an

Von Astrid Mathis 25.10.2014, 03:07

Osterburg l Drei Jahre Berichte aus dem Bundestag, das prägt. Für Journalist Björn Menzel und seinen Kollegen Jens Kiffmeier war die Arbeit Anstoß für ihr Buch "OHNeMACHT: Zerfall der Gesellschaft. Kampf gegen Rechts." Am Donnerstag sprach er über das Thema mit Schülern der 9. und 10. Klassen des Markgraf-Albrecht-Gymnasiums in Osterburg.

In "OHNeMACHT" steckt Stoff von drei Jahren. "Wir haben uns gefragt: Was lässt die Leute NPD wählen? Und haben versucht, mehr über sie zu erfahren", erklärt der Wahl-Leipziger. "Was bewegt Leute in eurem Alter, in die rechte Szene zu gehen", fragt er dann direkt. Das Wichtigste sei für ihn, Neonazis in der Recherche nicht zu Wort kommen zu lassen, "denn sie sollen keine Stimme haben." Menzel erzählt von "Martin" (Name geändert), einem Aussteiger aus der Szene, zu dem er durch das Aussteiger-Programm "Ad acta" Kontakt aufbauen konnte. Im Alter von neun Jahren stieg dieser durch den großen Bruder seines Freundes ein, las ein Buch über die deutsche Wehrmacht, jagte schließlich mit echten Waffen. "Das Wir-Gefühl war unbeschreiblich", zitiert Björn Menzel den noch immer Kahlgeschorenen. Wie der Spaß in Gewalt umschlug, bekamen dessen Eltern gar nicht mit. Nach 16 Jahren in der Szene plagen ihn nicht nur Depressionen und Schlafstörungen. "Je tiefer ein Neonazi in der Szene drin war, um so größer der Verfolgungsdruck", sagt er.

Wie man einen Aussteiger schützt, fragt einer der Schüler.

Den ganzen Freundeskreis zu kappen, sei schwer, erwidert der Journalist, doch anders gehe es nicht. Die Organisation helfe, mit neuer Wohnung, neuem Job, zuerst aber mit Reflexion über das Geschehene. Im schlimmsten Fall mit geänderter Identität. Menzel liest außerdem aus dem Kapitel "Die rechte Szene von Stresow" vor. Der Ort im Jerichower Land werde von Dennis Wesemann und weiteren NPD-Anhängern beherrscht. Nur knapp scheiterte er bei der Bürgermeisterwahl. An ihm macht der Journalist den Strategiewechsel in der Szene deutlich. Rechtsextreme in kleinen Dörfern werden zu "Kümmerern der Gesellschaft", helfen der Oma, machen in der Feuerwehr mit, machen, was vorher andere Gruppen übernommen haben. Als nette Nachbarn getarnt werden sie gewählt - das sei das Gefährliche. Diese Salonfähigkeit.

Austritt bedeutet Verrat und wird mit dem Tod bestraft. Es gibt A-, B- und C-Aussteiger. "Martin" gehört zu B. "Zwischen Wollen und Können liegt ein Unterschied", betont Björn Menzel. Interessiert fragen die Schüler, was es bedeutet, rückfällig zu werden und ob man die NPD nicht einfach verbieten könne. "Das Gedankengut wird immer da sein", stellt der Befragte abschließend klar.

"Viel Denkanstößiges" hatten die Gymnasiasten gehört, passend zum Titel "Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage", den sie sich vor wenigen Wochen erarbeitet hatten, bemerkte Koordinator Alexander Dankert.