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Das Mitwirkungsverbot nach der Gemeindeordnung reicht weiter, als so mancher Kommunalpolitiker glaubt Verliebt, verlobt, verheiratet - befangen

Von Ralf Franke 18.12.2014, 02:04

Mit der Einladung zur letzten Seehäuser Verbandsgemeinderatssitzung in diesem Jahr ging den Kommunalpolitikern auch eine Übersicht beziehungsweise ein Informationsblatt zum sogenannten Mitwirkungsverbot zu, wie es die Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt vorsieht.

Seehausen l Insbesondere für die in diesem Jahr neu gewählten Vertreter dürfte das Neuland sein. Aber auch die alten Hasen in der Runde wurden so daran erinnert, wie weit die Einschränkungen selbst bei ehrenamtlichen Volksvertretern reichen - vor allem dann, wenn es um Ausschreibungen und Vergaben der öffentlichen Hand, um Satzungen und sonstige formellen Beschlüssen geht, bei denen die Familienbande irgendwie ins Spiel kommen könnte.

Einschränkungen bis in die dritte Generation

Ein klassischer Fall ist, wenn zum Beispiel ein potenzieller Auftragnehmer familiäre Bindungen zu einem Ratsmitglied hat oder ein Bebauungsplan einem Verwandten sozusagen in die Karten spielen würde.

Dass sich das Mitwirkungsverbot darauf bezieht, wenn es um Vor- oder Nachteile von Verwandten geht, ist entweder bekannt oder leuchtet in der Regel zumindest ein. Dass die Beschränkungen zum Teil bis in die dritte Generation reicht, erfordert manchmal fast schon einen Genealogen, also einen Familienforscher.

Was unter verwandt und verschwägert zu verstehen ist, regelt übrigens das Bürgerliche Gesetz-Buch (GBG) in den Paragrafen 1589 und 1590.

Dritte Generation bedeutet, dass sich das Stadt- oder Gemeinderatsmitglied dann aus dem betreffenden Geschehen der Tagesordnung zurückziehen muss, wenn es selbst Vor- oder Nachteile erhoffen beziehungsweise befürchten muss, was auch für die Eltern, Großeltern und Urgroßeltern gilt.

Gesetzgeber hebt den Achtungsfinger

In der anderen Richtung trifft das ebenso auf Kinder, Enkel und Urenkel zu. Aber damit nicht genug, besteht das Mitwirkungsverbot auch, wenn sich Interessenkonflikte zu Schwiegereltern und Schwiegergroßeltern, zu Schwiegerkindern oder den angeheirateten Partnern der Enkel anbahnen. Selbst bei den Geschwistern der Eltern, deren Ehepartern sowie den Kindern, also dem Cousin oder der Cousine, des Ratsmitgliedes und zu guter Letzt bei den Kindern der Großeltern (Groß-Cousin) hebt der Gesetzgeber ausdrücklich den Achtungsfinger.

Die Kommunalpolitiker, die vor allem in größeren Städten mitunter lukrative Aufträge vergeben, sind deshalb gut beraten, die Grafik zu verinnerlichen oder bei den Sitzungen dabei zu haben. Das Nichtbeachten des Mitwirkungsverbotes - egal ob vorsätzlich oder fahrlässig - kann Folgen haben. Dass entsprechende Beschlüsse selbst nach Jahren anfechtbar sind, ist nur eine Auswirkung. Fragt sich allerdings, ob in ländlich geprägten Gemeinden mit großen Familienkonstrukten manch ein Ratsmitglied überhaupt noch die Hand bei einigen Abstimmungen heben darf.

Und was ist bei Freundschaftsdiensten?

Dazu muss der Gesetzgeber Verbandelungen unter Nicht-Verwandten gänzlich außen vor lassen, was in Zeiten, in denen sich Paare immer seltener zusammenschreiben lassen, sicher nicht im Sinne der "Erfinder" des Mitwirkungsverbotes sein kann.