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Bürgeriniatitive weist Argumente des Bio-Landwirts Dihlmann zurück "Windkraft schont weder Boden noch Fläche"

Von Andreas Puls 13.01.2015, 02:04

Bio-Landwirt Michael Dihlmann aus Busch erläuterte kürzlich in der Volksstimme, warum er für die Nutzung von Windkraft und gegen ein Landschaftsschutzgebiet (LSG) in der Region ist. Eine ganze Reihe der Argumente weist Lucile Thoyer, Sprecherin der Bürgerinitiative (BI) für das LSG "Altmärkische Wische", im Volksstimme-Gespräch zurück.

Werben/Busch l "Herr Dihlmann erklärt, dass das geplante LSG zwar Windkraftanlagen verhindern würde, nicht aber Energieerzeugungsformen wie Biogas, für deren Gewinnung ein intensiver Maisanbau notwendig ist, der die Böden auslaugt und die Tierwelt schädigt. Leider wird die Maismonokultur von der Verordnung zum LSG nicht geregelt. Doch wer, wie Dihlmann, Windkraft gegen Biogas ausspielt - mit dem Ziel, der Windkraft die bessere Umweltverträglichkeit zu bescheinigen, liegt falsch und betreibt Desinformation", sagt Lucile Thoyer.

Windkraft sei keine flächen- und bodenschonende Energie. Ein modernes, fast 200 Meter hohes Windrad benötige ein Fundament von 1500 Kubikmetern Beton, das mit 180 Tonnen Stahl bewehrt sei. Das Fundament wiege 3500 Tonnen. Dazu kämen der Turm aus Stahlbeton, das Maschinenhaus mit Generator und die Nabe mit den Rotorflügeln aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Damit der Boden das Gesamtgewicht von über 7000 Tonnen tragen kann, so die BI-Sprecherin weiter, müsse er zuvor mit Hilfe von Schottergranulat, das in 30 Meter tiefe Bohrlöcher gepresst wird, verdichtet werden. So komme es zu Beeinträchtigungen des lokalen Wasserhaushalts. Ohne die extrem aufwendige, teure Entfernung des Fundaments ist deshalb die Rückkehr zu einer normalen landwirtschaftlichen Nutzung der aufgegebenen Windkraft-Standorte nicht möglich.

"Wenn Bauern wie Michael Dihlmann in der Wische auf Biogas verzichten, ist das ehrenwert. Sich dessen zu rühmen, ist aber billig. Man muss nämlich bedenken, dass ein Biobauer, der intensive Maiskultur betreiben würde, sein Prädikat als Biobauer verlieren würde. Außerdem ist zusätzlicher Anbau von Mais als Energiepflanze bei weitem nicht mehr so attraktiv, wie es mal war, da die Bundesregierung mit der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im letzten Jahr die Einspeisevergütung für Biogasanlagen stark reduziert hat."

"Planungsgemeinschaft agiert ohne Transparenz"

Nach wie vor, so die BI-Sprecherin weiter, werde argumentiert, dass ein LSG gar nicht notwendig sei, um der Windenergie Einhalt zu gebieten. "Klar ist, dass die Verordnung zum LSG Windräder verbietet. Theoretisch reguliert die Regionale Planungsgemeinschaft die Windstandorte. Doch sie treibt die Ausweitung der Windenergie gezielt voran, ohne jegliche Transparenz und Informationsvermittlung, ohne Rücksicht auf die Interessen der ansässigen Bürger." Normale Bürger hätten keinen Zugang zu den Windausbauplänen.

Dass man auf ökologischer Seite die Bedrohung von Rotmilan und Fledermaus, die Zerschredderung zahlreicher Vögel durch Windräder bemühe, um Windparks zu verhindern, sei gut und wichtig. "Was ist aber mit uns Menschen? 200 Meter hohe Windräder sind eine Zumutung. 200 dieser Umwelt,- Landschafts,- und Lebensqualität zerstörenden Anlagen würden in der Wische installiert, wenn sich die ökonomischen Lobbyinteressen von Grundbesitzern zusammen mit der Planungsgemeinschaft durchsetzten", befürchtet Thoyer.

Angesprochen auf die Energiewende, betont die Sprecherin, dass Windkraft natürlich weiterhin gebraucht werde. Aber der Ausbau sei in den letzten Jahren so rasant vorangeschritten, dass eine Schieflage entstanden sei. Thoyer verweist auf das 2014 reformierte EEG. Nach dessen Vorgaben beträgt der Zielkorridor für den jährlichen Zubau von Windkraftanlagen 2400 bis 2600 Megawatt pro Jahr. "Im Jahr 2014 wurde aber ein Nettozubau von 3350 Megawatt erreicht. Das ist 35 Prozent über dem angepeilten Ziel. Und die Prognosen für das Jahr 2015 gehen in ähnliche Richtung. Tatsächlich haben wir jetzt schon in Deutschland große Überkapazitäten an Strom." Die Wahl-Werbenerin verweist darauf, dass häufig überschüssiger Windstrom kostenlos in die ausländischen Nachbarnetze gedrückt werden müsse, um hier eine Überlastung des Netzes zu verhindern.

"Warum sollte nun ausgerechnet die Wische - eines der letzten unzerstörten Gebiete Sachsen-Anhalts - für weitere Überschussproduktion von Windenergie ihre schöne Landschaft opfern?", fragt die BI-Sprecherin. Zu erklären sei das allenfalls durch die finanziellen Eigeninteressen Einzelner, die damit riesige Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit erwirtschaften würden. Die Pachterlöse aus Windkraft seien für die Grundbesitzer extrem hoch. Sie betrügen laut Bundesregierung momentan im Durchschnitt 90000 Euro pro Jahr für ein einzelnes Windrad an guten Standorten. Bei schlechteren Bedingungen sprängen 50000 bis 60000 heraus. "Es ist aber nicht der Sinn der Energiewende, dass privilegierte Landeigentümer allein finanziell profitieren."

"Die Wische könnte bald Einmaligkeitswert haben"

Thoyer stellt einige Gründe heraus, warum die Bürgerinitiative für die LSG-Ausweisung in der vollen vom Landkreis offiziell anvisierten Ausdehnung ist: Noch präsentiere sich die Altmärkische Wische in ihrer Gesamtheit als eine typische Auenlandschaft mit ihrer Weiden-Heckenstruktur, mit Feldgehölzen und Auenwaldresten, gegliedert von langgestreckten Dörfern, einzelnen Gehöften, Entwässerungsgräben und Feldwegen. Eine solche Landschaft habe heute schon Seltenheitswert. Angesichts der Ausweitung der erneuerbaren Energien werde sie bald Einmaligkeitswert haben. "Windparks sollte man an Stellen konzentrieren, wo sie keinen anderweitigen Perspektiven mit realen Chancen den Weg versperren."

"Die BI für das Landschaftsschutzgebiet Altmärkische Wische vertritt die Auffassung, dass die nicht zu leugnende Strukturschwäche der Wische in eine Stärke umgewandelt werden kann, wenn es gelingt, den Erholungswert und den Seltenheitscharakter der Landschaft zu erhalten und nach außen hin zu vermitteln. In einer von Windparks und Massentierhaltungsanlagen geprägten Landschaft wären solche Bemühungen zwecklos."

Die Ziele der Energiewende mit den spezifischen Interessen und Stärken der einzelnen Regionen abzuwägen, sei zweifellos eine der größten Herausforderungen für heutige Politiker und Regionalplaner. "Solche, die klug abwägen können, können sich der Dankbarkeit vieler Generationen sicher sein", ist Thoyer überzeugt.