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Heike Kurtze begeistert Kinder für die Mundart und freut sich über den April-Blumenstrauß "Ich fand Platt schon immer schön"

Von Frank Schmarsow 11.04.2015, 01:21

Heike Kurtze leitet die Plattschnacker-Arbeitsgemeinschaft an der Grundschule Flessau. Überall dort, wo die kleinen Mundartsprecher auftreten, heimsen sie viel Beifall ein. Ihre "Chefin" kann sich über den "Blumenstrauß des Monats" freuen.

Flessau/Deutsch l Heike Kurtze ist mit ihrem Mann Bodo, einem Landwirt, seit fast fünf Jahren in Deutsch zu Hause. Davor war Lückstedt der Heimatort. Beide haben drei Kinder: Tobias (33) lebt in Osterburg, Juliane (29), Sozialpädagogin, wohnt in Lückstedt, Annemarie (21) studiert Landwirtschaft und lebt auf dem elterlichen Hof in Deutsch. Juliane wird im Mai Heikes und Bodos erstes Enkelkind zur Welt bringen.

Heike kommt auch aus der Landwirtschaft, ist in Drösede aufgewachsen und in Aulosen zur Schule gegangen. Und dort beginnt, was sie später ehrenamtlich so beschäftigen wird: das altmärkische Platt, das, wie wir wissen, von Ort zu Ort seine Eigenheiten besitzt.

Heike Kurtze ist Lehrerin im 35. Jahr, ausgebildet für die Fächer Mathe, Deutsch und Schulgarten. Seit 2000 unterrichtet sie in Flessau.

Vorlesewettbewerb gab den Anstoß

In ihrer Familie sprachen Vater und Großmutter oft Platt miteinander. "Ich fand diese Sprache schon immer schön, wie ich auch alte Sachen liebe, zum Beispiel Möbel, Bücher, Hausgeräte, alte Häuser, die alle etwas von früher erzählen können. Zu DDR-Zeiten wurde das Niederdeutsche nicht gepflegt, ja, man ging von staatlicher Seite sogar geflissentlich darüber hinweg. Leider hat mein Vater uns Kindern das Platt nicht so herübergebracht, wie wir es gern gehabt hätten", bedauert die heute 55-Jährige. "Ich sprach schon früher auch ein paar Brocken und wollte das wieder aufleben lassen."

Durch Zufall hätte sie von einem Plattschnacker-Vorlesewettbewerb für den Bereich Altmark in Bittkau erfahren, erzählte sie. "Das war 2003. Wir konnten etliche Kinder dafür interessieren und haben mit ihnen für den Wettbewerb trainiert.

Eine Platzierung erreichten die Flessauer bei Premiere zwar nicht. "Aber wir wussten nun, wie der Hase läuft. Im Jahr darauf waren wir schon besser, ich weiß nicht genau, aber ich glaube, es war sogar der dritte Platz." Aus Schülern der 3. und 4. Klasse hatten Heike Kurtze und ihre damalige Lehrer-Kollegin Margot Teschner eine Plattschnackergruppe gebildet. "Das machte uns und natürlich auch den Kindern richtig Spaß. Plattdeutsch ist, das kann man sagen, eine liebenswürdige Sprache mit einem gewissen Charme. Derbe Redewendungen, die im Hochdeutschen barsch klingen und eventuell beleidigend sein können, sind up Platt eher humorvoll."

Als die versierte Osterburger Plattschnackerin Helga Albert erfuhr, "dass in Sachen Plattschnacken bei uns etwas läuft, hat sie uns ihre Unterstützung zugesagt." Daraus erwuchs eine regelmäßige Zusammenarbeit. Es wurde eine Arbeitsgemeinschaft gebildet.

"2004 haben wir erstmals an einem plattdeutschen Theaterwettbewerb in Magdeburg teilgenommen", berichtete die Lehrerin weiter. "Wir erreichten auf Anhieb den ersten Platz. Das Stück mit dem Titel ,De fiefte Stunn" hatte Helga Albert für uns geschrieben. Darin wurde eine Schulstunde auf heitere Weise nachgespielt. Das war richtig schön."

Seit dem ersten Vorlesewettbewerb sind die kleinen Plattdeutschfreunde bei den jährlichen regionalen Mundart-Ausscheiden dabei. "Wenn wir Erste wurden, fuhren wir zum Landesausscheid nach Magdeburg. Wir hatten auch mal einen Vorlesewettbewerb in Kossebau organisiert", berichtete Heike Kurtze. "Der Saal im Gemeindezentrum war brechend voll. Die Leute haben viel gelacht. Und wir fanden das einfach toll."

Die Mundart-Arbeitsgemeinschaft trifft sich mittwochs in der sechsten Stunde. Zur Zeit sind es zehn Mädchen und Jungen aus den 1. bis 3. Klassen. Man liest kurze Prosa und lernt Gedichte von Mundartdichtern wie Fritz Hagen vom Kalbeschen Werder, Helga Albert und Bärbel Harmel aus Sandau "Wir arbeiten zudem viel mit einer Plattdeutsch-Fibel, an deren inhaltlicher Gestaltung auch Helga Albert beteiligt war", berichtete die AG-Leiterin. "Diese Fibel, herausgegeben vom Landesheimatbund, ist uns eine große Hilfe."

Einige Kinder der Gruppe, die die Flessauer Grundschule längst verlassen haben, aber mit dem Platt inzwischen verwurzelt sind, werden von Heike Kurtze weiter betreut. Das trifft beispielsweise auf die beiden Schmersauer Joschua und Jannis Leitz zu, die in Osterburg das Markgraf-Albrecht- Gymnasium besuchen.

"Holzpantoffeltanz" findet großen Anklang

Neben Veranstaltungen in der Schule bereicherten die Plattschnacker bereits viele Dorffeste und Feiern. Die "Vogelhochzeit" und der "Holzpantoffeltanz", natürlich up Platt vorgetragen, finden immer besonders großen Anklang.

Weil ihr das Fortbestehen des Platt wichtig ist, arbeitet Heike Kurtze in der Arbeitsgruppe Niederdeutsch beim Kultusministerium Sachsen-Anhalt mit. Aber auch auf dem eigenen Hof kann sie ihre Hände nicht in den Schoß legen. Das Wichtigste ist neben dem Haushalt, ihrem Mann den Rücken frei zu halten, beispielsweise die Büroarbeit zu erledigen und Behördengänge zu übernehmen.

In der Plattschnacker- Arbeitsgemeinschaft vermittelt die Lehrerin mit Hingabe eine kulturelle Tradition der Region an junge Altmärker. Vom Umgang mit dieser Sprachform profitieren die Kinder mehrfach: "Wer sich mit den plattdeutschen Texten beschäftigt, erhält nicht nur ein Kulturgut am Leben. Er fördert die Lesekompetenz und bekommt die Gelegenheit, den sprachlichen Horizont zu erweitern."