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Vollblutmusiker Peuker: "Wischiwaschi kann ich nicht ab"

Sven Peuker leitet die Oldieblaskapelle Seehausen. Und den Männerchor Seehausen. Und neuerdings eine eigene Musikschule. In diesem Jahr wird noch das Jubiläum 50 Jahre Blasmusik in Seehausen gefeiert. Für so viel Engagement gab es beim Neujahrsempfang von der Stadt Seehausen eine Auszeichnung und jetzt den Blumenstrauß des Monats von der Volksstimme.

Von Astrid Mathis 09.05.2015, 03:18

Seehausen l "Seit der 2. Klasse mache ich Musik", erinnert sich der Seehäuser an seine Anfänge, "mein Grundschullehrer Herr Reimnitz hat gesagt: Guck` dir das mal an!"

Sven Peuker guckte und gibt heute zu: "Ich habe mich gar nicht getraut, nein zu sagen." Er war ja sowieso Feuer und Flamme für das Jugendblasorchester Seehausen, das der Sekundarschullehrer Peter Köhler leitete. Wenn Sven Peuker im Mai bei den Umzügen am Straßenrand stand, dachte er: "Da möchte ich mitspielen!" Mit seinen zu Glanzzeiten 50 Zöglingen war es jahrelang eines der gefragtesten in der Altmark.

Keiner in Peukers Familie hatte ein Faible für Musik, genauso wenig wie fürs Trompetenspiel. Seine zwei Brüder und die Schwester hatten keinen Sinn dafür. Das machte gar nichts. "Stell´ dich bei Herrn Quandt vor", riet Peter Köhler. Lehrer waren Mitglieder des Stendaler Theaterorchesters. Nach anderthalb Jahren mit drei bis vier Übungsstunden am Tag schaffte Sven Peuker den Sprung ins Jugendblasorchester. Üben machte ihm Spaß, und kein Ende war in Sicht.

Es folgten die erste eigene Trompete, sein erstes Stück im Jugendblasorchester "American Petrol 3. Flügelhorn", viele Auftritte, unter anderem in Halberstadt und Tarthun, Wettbewerbe und das Oldieblasorchester. "Die Oldies sind die Nachfolger des Jugendblasorchesters, fast alle über 50, die mitspielen", erzählt der 34-Jährige. 2012 präsentierte Sven Peuker beim Frühlingskonzert in St. Petri mit Oldieblaskapelle und Männerchor seine erste eigene Komposition "First Grandioso", die er 2013 noch mal beim Auftritt mit dem Gastchor "Xochicucatl" aus Berlin in der Aula der Sekundarschule Seehausen vorstellte. Mittlerweile sind es vier. Die letzte nannte er "Espana".

"In den 80ern hat das Jugendblasorchester mehrmals zweite Plätze belegt, den 1. Platz mit `Mosaik`. Das war schräg. Davon schwärmen meine Oldies heute noch", so Peuker. Dienstags und freitags Orchester- und Registerprobe in seinen Anfangsjahren, "das war weiß Gott nicht leicht. Man wurde ja mal 15, 16." Sein Lieblingskomponist blieb Mozart, obwohl er in seiner Jugend auf Gothic-Musik von Lacrimosa stand. Am Lagerfeuer "Knockin´ on heaven´s door" mit Gitarre zu singen, gehörte übrigens auch zum Erwachsenwerden. Beim Karneval machte er dafür gern auf Otto Waalkes und Mike Krüger.

1999 löste sich das Jugendblasorchester langsam auf, die Oldies wurden schon 1995 gegründet und feiern in diesem Jahr 20-jähriges Bestehen. Peuker war dort von 1999 bis 2001 Ensemblemitglied.

Erst mal Fliesenleger

"Natürlich wollte ich immer mit Musik Geld verdienen, aber ich lernte erst mal was Bodenständiges, Fliesenleger bei Lochow", erklärte der Altmärker. Der Zufall wollte es so, seine Vermieterin Frau Buttnop war für den Bürokram der Firma Hahn-Film zuständig. Sie schlug dem 22-Jährigen ein Praktikum im Tonstudio vor. Und dann begann eine wunderbare Zeit in Berlin, die Zusammenarbeit mit der Firma Sound Company, die zum Beispiel Trickfilme wie "EinAsterix und Obelix in Amerika" und "Werner 3" vertonte. Mit Tonschnitt verdiente Peuker 2002 ein halbes Jahr lang sein Geld. Als die Sound Company pleite ging, fiel der Künstlerkopf in ein Loch. "Das war der Zeitpunkt, wo ich in den Männerchor eintrat, den Peter Köhler leitete." Aber der Seehäuser war sich auch nicht zu schade, auf dem Bau zu arbeiten, war dann unter anderem als Hausmeister bei Rosin und in der Kita "Sonnenschein" in Osterburg tätig. Nebenbei hatte er Zeit für die Musik.

"Chorsänger für `Evita´ gesucht" las er eines Tages in einer Annonce. Beim Theater der Altmark stellte sich der Mozart-Fan daraufhin glatt mit der Arie des Sarastro aus der Oper "Die Zauberflöte" vor und überzeugte. In der Saison 2005/2006 machte er unter Intendant Markus Dietze in der "Dreigroschenoper" und bei "My Fair Lady" mit. Viel gelernt hätte er da, ist sein Fazit, aber erst mal hat er mit Theater nichts mehr am Hut. Das komischste Erlebnis war für ihn der Mitschnitt von "My Fair Lady" fürs Fernsehen.

"Als Peter Köhler krank wurde, fragte mich der Vorsitzende Jürgen Ulrich aus dem Männerchor, ob ich übernehme. Ich sagte nur zu in der festen Annahme, er kommt wieder", erinnert sich Peuker. Und dann sagte er erst mal nein, "weil ich lieber singe. Ich hatte auch Muffensausen." Und irgendwie wollte er den Chor auch nicht leiten. Kaum waren die Männer sich einig, die zweijährige Chorleiterausbildung für Sven Peuker aus der Vereinskasse zu bezahlen, sprach alles für eine Zusammenarbeit. Während er sich im Kloster Michaelstein in Blankenburg weiterbildete, hielt er mit Peter Köhler regelmäßig Rücksprache. "Das waren ja große Fußstapfen, in die ich treten sollte", erklärt der Seehäuser. Dass die Männer ihm so großes Vertrauen entgegenbrachten, dafür ist er noch heute dankbar. Dirigat und Gesang, Kompositionslehre und Klavierspiel, damit verbrachte er 2010 bis 2012 seine Wochenenden. Das sei auch nicht einfach für seine Partnerin Anja gewesen, mit der er seit 1999 zusammen ist und Tochter Sophie (10) hat.

2007 kam gleich noch das Oldieblasorchester auf ihn zu, das bis dahin Andreas Neubert leitete, der lieber wieder ein Instrument spielen wollte. "Wenn ich helfen kann, gerne, dachte ich, aber ich kann auch aufgeregt sein. Bei meinem ersten Auftritt im Sommer in Barsberge war ich schon vorher durchgeschwitzt", gibt er zu. Und beim Weihnachtssingen in Werben half auch die Stimmgabel nicht beim Anstimmen.

Führen, ohne zu verletzen

Proben mit ihm seien ernst. Sein Motto: "Spaß macht´s erst, wenn´s funktioniert." Zu führen und nicht zu verletzen, sei eben ein schmaler Grat. Von September 2009 bis Dezember 2014 unterrichtete Sven Peuker in der "Musikschule Fröhlich" Akkordeon, Melodika, musikalische Früherziehung, war in Salzwedel, Osterburg und Arendsee unterwegs. Wer Klavierspielen kann, kann auch Akkordeon, weiß er. Als freiberuflicher Musikschullehrer nannte er seine eigene Baustelle jetzt "Music Fun". Mit 90 Schülern - die älteste Schülerin ist 21-, die er seit dem 1. Januar anleitet, ist er sehr zufrieden. Der Unterricht will schließlich vorbereitet sein. "Ich kann mich erfreuen, wenn sich Kinder an ihrem Erfolg laben", betont er. Jetzt steht erst einmal Christi Himmelfahrt vor der Tür. Seit 2007 ist Usus, dass um 10 Uhr die Oldieblaskapelle in der Pittchenbar aufspielt.

Allerdings macht der Seehäuser Männerchor seit ihrer Schließung ab 11 Uhr im Café Henkel Stimmung, wo sie regelmäßig proben. Um 14 Uhr gibt es dieses Mal anlässlich des 20. Jahrestages eine Extra-Einlage von der Oldieblaskapelle. In das Repertoire der Oldies nahm Sven Peuker unter anderem Glenn Miller, ABBA, Filmmusik und Eigenkompositionen auf. Den Männerchor bereicherte er mit Edward Grieks "Landerkennung", Gospels, Hits von Udo Jürgens und Billy Joels "For the longest time". Für Letzteres nahm der Vollblutmusiker sogar alle Stimmen auf, die sich seine Leute in Vorbereitung auf die Proben anhören sollen. Das macht er natürlich, um den Chor zu unterstützen und weil er so in der Musik aufgehen und singen kann.

"Ja, Wischiwaschi kann ich nicht ab", so Peuker. Darum arbeitet er gern mit Kantor Friedemann Nitsch zusammen. Der sei vom alten Schlag. Das gefällt auch den 32 Mitgliedern des Männerchores und den 17 Musikern des Oldieblasorchesters. "Singen ist meine Welt", betont der Seehäuser. Aber bloß, weil er sein Ziel, mit Musik Geld zu verdienen, erreicht hat, heißt das nicht, dass er keine Träume mehr hat. Jetzt würde er gern Orgel und Schlagzeug lernen. Mit seinem Vermieter Günther Haut, der im Männerchor singt, habe er ja ein gutes Verhältnis. In diesem Jahr plant er übrigens noch eine CD-Aufnahme. Bei so viel Musik, hat man da Zeit zum Lesen? "Lesen ja, aber dann Noten", gibt Sven Peuker zu und schiebt grinsend nach: "Wenn ich mich entspannen will, guck´ ich Formel 1."