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Rezept-Tipps Ich grille, also bin ich

Wer sein Fleisch auf dem Grill nicht zum zweiten Mal töten will, sollte
auf Qualität achten und sich vor allem nicht hetzen lassen.

Von Ralf Franke 23.07.2015, 16:41

Röthenberg l Ich grille, also bin ich! Im zarten Alter von zwölf Jahren drehte ich mein erstes mit Brät gestopftes Stück Darm über glühender Holzkohle, kurze Zeit später folgte mit in Bier und Zwiebeln eingelegten Kammscheiben der väterliche Ritterschlag am Grill. Mein Talent war erkannt, der Generationswechsel an der offenen Feuerstelle vollzogen. Das ist 42 Jahre her. Natürlich ist etwas dran, dass Thüringer die Liebe zum Grillen quasi mit der Muttermilch aufsaugen.

Aus dem Würstchenwender ist inzwischen ein Grillaholic geworden, der beim Rascheln der Holzkohle Gänsehaut und bei einem edlen Stück Fleisch einen Tunnelblick bekommt. Was nicht so schlimm ist. Denn Grillen ist gesellschaftsfähig. Dass das eine oder andere Bier der Sache förderlich ist, will ich nicht bestreiten.

Thüringer zum Start

So lange die Quelle nicht versiegt, gehören die Thüringer nach wie vor an den Anfang fast jeder Grill-Fete. Das erwarten unsere Gäste. Ich habe es aufgegeben, mich dagegen zu wehren. Aber, was das Fleisch betrifft, hat es mit den Jahren eine wahre Revolution bei den Außenküchenaktivitäten gegeben. Der allgemeine Boom bei Kochsendungen hat daran sicher auch seine Aktien. Obwohl im deutschen Fernsehen eindeutig zu selten gegrillt wird. Und wenn, dann landet zu viel Chichi auf dem Teller. Ein Lichtblick waren die "Beef Buddies". Eine Sendung, die ZDF Neo nach 20 Folgen leider einstellte, ohne sie je richtig beworben zu haben. Kleiner Lichtblick: Noch sind alle Teile in der ZDF-Mediathek abrufbar.

Mut zu Neuerungen

Anders Grillen ist keine Zauberei. Für den ersten Schritt auf dem Weg zu neuen Ufern braucht es nur etwas Mut, die dünnen Standard-Kammscheiben in der Fleischtheke links liegen zu lassen und wenigstens doppelt so dicke Stücke zu verlangen. Wenn Sie sich die Scheiben dann noch frisch vom Stück scheiden lassen und nebenbei lässig erwähnen, dass alles unter vier Zentimetern Dicke doch Carpaccio ist, sind Sie auf einem guten Weg.

Nein, das ist keine Aufforderung zur Fressorgie. Dafür gibt es dann statt zwei Nackenstücken (das typische Anfängerfleisch) eben nur eins auf den Teller. Wem das noch zu viel ist - Frauen sind da manchmal etwas komisch -, kann die Kammstücke teilen. Das Fleisch entsprechend mariniert oder aromatisiert (ein gutes Rezept finden Sie in der rechten Spalte) und stressfrei bei mäßiger Hitze gegart, erfährt so einen Quantensprung, den Otto Normalgriller nicht für möglich gehalten hat. Mäßige Hitze und Zeit für kompakte Stücke deshalb, weil Sie sonst nur das Fleisch zwischen dem rohen und dem verbrannten Teil genießen können.

Neben Timing steht Ihnen dafür idealerweise ein Grill zur Verfügung, mit dem Sie die Hitze gut steuern können. Sei es über die Luftzufuhr oder durch das Anheben des Grillrostes. Perfekt wäre es, wenn Sie eine Haube für die Umluftwirkung haben oder sogar indirekt grillen könnten, so dass nichts in die Glut tropft. Wasser und noch schlimmer Bier zum Ablöschen haben am Grill nichts zu suchen. Es sei denn, Ihre Gäste wollen das Fleisch mit Asche paniert haben.

Holzkohle-Fan

Sie werden es schon ahnen, ich bin Holzkohle-Fan. Ich will aber nicht ausschließen, irgendwann auf Gas umzusteigen. Insbesondere beim Niedertemperaturgaren ist die Regelung der Gradzahl einfach praktischer. Raucharoma zu erzeugen ist mit den passenden Spänen und einem Stück perforierter Alufolie, in der sich auch ein paar Gartenkräuter gut machen, kein Problem. Über Elektrogrills werde ich nicht orakeln. Die sind etwas für Mädchen. Wer in Strom investieren muss, sollte einen Kontaktgrill ins Auge fassen. Ein Raclette würde ich auch noch durchgehen lassen.

Zurück zum Niedertemperaturgaren: Das aufwändigste Stück Fleisch, das ich bislang zubereiten durfte, war eine in Rotwein eingelegte, gespritzte und mit Speckscheiben garnierte Wildschweinkeule (fünf Kilo), die ich neun Stunden lang am Smoker bei etwas über 100 Grad bewachte.

Sie glauben, das ist lange? Es gibt Spezialisten, die garen dünne Schälrippen 16 Stunden. Dafür kann man die Knochen dann mit der Zunge am Gaumen zerdrücken. Wem das zu lange ist, der kann schummeln und dünne oder dicke Rippen und andere Angststücke 30 bis 60 Minuten mit etwas Grundwürze sachte vorkochen und dem Fleisch mit etwas Marinade auf dem Grill "den Rest" geben. Bei dicken Stücken leistet ein Grillthermometer vor allem dem Anfänger unschätzbare Dienste, um das Fleisch auf den Punkt zu garen.

Für das gehobene Grillvergnügen braucht es aber nicht zwangsläufig Kugelgrill, Smoker & Co vom Markenhersteller. Mit etwas Übung tut es auch die einfache Feuerschale oder Feuerstelle, über der ein Grillrost liegt, den es in Edelstahlausführung in allen möglichen Größen und Formen für kleines Geld im Baumarkt gibt. Ist die Fläche groß genug, kann man sich Zonen mit mehr und weniger Hitze schaffen, dem Fleisch am Rand immer wieder Ruhe zum Ziehen gönnen, bevor die nächste Hitzewelle folgt. Viele Südländer schwören auf diese Garmethode.

Weil es viele Methoden gibt, Fleisch und Beilagen zu garen, sollten Sie Ihren Horizont erweitern und sich nicht nur aufs Grillen fixieren. Zu meiner Grundausrüstung fürs outdoor cooking, wie es neudeutsch heißt, gehören auch eine Wok-Station und eine schmiedeeiserne Pfanne, die ich in die Glut stellen kann.

Und nicht zu vergessen, der Dutch Oven. Der schwere, gusseiserne Topf - einst Standard in den Planwagenküchen der nordamerikanische Siedler - gehört bei mir schon lange zum "Fuhrpark". Im "Dopf" lassen sich Fleisch schmoren, Suppe oder Westernbohnen a la Terence Hill und Bud Spencer kochen und sogar Brot oder Kuchen backen, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Womit ich andeute, dass sich am Feuer nicht immer alles ums Fleisch drehen muss. Aber das ist Thema meines nächsten Beitrages, der höchst wahrscheinlich in rund drei Wochen an dieser Stelle erscheinen wird.