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"Ohne Alkohol war er ein lieber Mensch"

23.01.2013, 01:31

Von Wolfgang Biermann

Stendal l Fortsetzung im Prozess vor dem Landgericht Stendal um die Vergewaltigung einer Frau in einem Ortsteil von Gardelegen. Dessen angeklagt ist ein 41-Jähriger aus demselben Ort. Wie er zum Prozessauftakt eingestand, ist er am frühen Morgen des 27. Juli 2012 über ein geöffnetes Fenster in die Wohnung seines Opfers eingestiegen. Zuvor habe er etliche Stunden vor ihrem Haus in ihrem Auto gesessen und sie erfolglos mit dem Handy versucht anzurufen. Im Auto sitzend hatte er wohl auch Bier getrunken.

Eine Beziehungstat, Opfer und Täter kannten sich fast zwölf Jahre. Sie hatte sich Anfang Juli von ihm getrennt, nachdem er ihr gegenüber aggressiv geworden war, wie sie gestern als Zeugin wiederholt aussagte. Die 50-Jährige musste ein zweites Mal aussagen, weil die 1. Große Strafkammer unter Vorsitz von Richterin Simone Henze-von Staden, erst am 3. Januar die Begutachtung des Angeklagten durch einen Psychiater für zwingend notwendig erachtet hatte.

In seinen polizeilichen Vernehmungen hatte der Angeklagte die Tat bestritten und von einvernehmlichem Sex gesprochen. Staatsanwaltschaft und Gericht hielten deshalb eine Begutachtung nicht vonnöten. "Dafür gab es keinen Anhalt", so Staatsanwältin Rosemarie Fährmann zur Volksstimme. Erst sein Geständnis und die Angabe, dass er freiwillig wegen Depressionen und Angstzuständen in der Psychiatrie in Uchtspringe stationär behandelt worden sei, hätten die Begutachtung nötig werden lassen. In der Folge musste die Zeugin nun gestern noch einmal in Anwesenheit von Dr. Egbert Held, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, aussagen.

"Ohne Alkohol war er ein lieber Mensch", begründete sie, warum sie die Beziehung, die wohl mehr Tiefen als Höhen besessen hatte, so lange aufrecht erhielt. "Nüchtern ist er schüchtern und zurückhaltend." Unter Einfluss von Alkohol pöbele er, sei aggressiv und extrem eifersüchtig. Bier zähle er zu den "Grundnahrungsmitteln". Davon habe er täglich etwa zehn Flaschen konsumiert. Ab und an auch Schnaps dazu. Er sei schon mehrfach "ausgerastet" und habe ihre Möbel "zerlegt". Im Mai habe sie ihn nach Uchtspringe begleitet. Er sei schon länger depressiv gewesen. Die Therapie dort brach er am 9.Juli ab, nachdem er ihr am Tag zuvor bei ihrem Besuch dort Gegenstände an den Kopf geworfen und sie deshalb Schluss mit ihm gemacht hatte. Vier Polizisten sagten gestern noch als Zeugen aus. Demnach hatte der Angeklagte etwa vier Stunden nach der Tat nur 0,2 Promille Alkohol im Blut.

Am 30. Januar wird der Prozess fortgesetzt.