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Aus dem Gericht 94-Jähriger die Tasche entrissen

Von Wolfgang Biermann 21.11.2013, 01:09

Stendal/Gardelegen. "Nein, ich nehme die Entschuldigung nicht an. Das kann man nicht wiedergutmachen." Erbost lehnte eine 79 Jahre alte Rentnerin aus Gardelegen am Dienstag das Ansinnen von zwei geständigen Handtaschenräubern ab, sich bei ihr vor Gericht zu entschuldigen.

Die alte Dame hatte sich am 29. April zwei Finger gebrochen, als sich zwei junge Männer in der Innenstadt von Gardelegen von hinten mit dem Fahrrad an sie heranschlichen und ihr die Handtasche entrissen. An den Folgen leide sie noch heute, habe Angstträume und fürchte sich vor jungen Leuten mit Kapuzenshirt, wenn sie ihr auf der Straße begegnen. Etwa 350 Euro seien ihr mit der Tasche geraubt worden und dazu noch alle Schlüssel. Ein halbes Jahr lang habe ihr die Versicherung eine Haushaltshilfe gestellt, weil sie ihre Hand nicht gebrauchen konnte. Noch heute sei sie in physiotherapeutischer Behandlung, da sie noch immer nicht richtig zugreifen könne. Außerdem habe sie Schmerzen in ihrer Hand.

Doch dieser Raub ist längst nicht alles, was die Staatsanwaltschaft Stendal zwei Brüdern aus Gardelegen (20 und 21 Jahre alt) vorwirft. Seit der Vorwoche müssen sie sich sowie ein weiterer 20-Jähriger aus Gardelegen vor der Jugendkammer am Landgericht wegen schweren Raubes in mehreren Fällen und anderer Straftaten verantworten.

"Aber nur, wenn sie ehrlich gemeint ist."

So hat der 20 Jahre alte Täter, der in Rheine (Westfalen) geboren wurde, einer weiteren alten Dame, die gerade von der Bank kam, schon am 11. April die Handtasche entrissen. Die 94-Jährige kam zu Fall und zog sich einen Beckenbruch zu, der sie auch heute noch trotz mehrwöchiger Krankenhausaufenthalte in ihrer Mobilität stark einschränkt.

Anders als ihre 79 Jahre alte Leidensgenossin nahm die 94-Jährige die Entschuldigung des Täters im Gerichtssaal an. "Aber nur, wenn sie ehrlich gemeint ist", schränkte die geistig sehr rege alte Dame als Zeugin ein. Der Täter bot ihr eine finanzielle Wiedergutmachung an, wobei seine Verteidigerin die Summe auf zunächst 1000 Euro bezifferte. Als Beute fand der Täter in der geraubten Handtasche etwa 500 Euro an Bargeld sowie EC-Karte, Personal- und Rentenausweis, Führerschein und Fahrzeugpapiere.

Weiteres Opfer der Angeklagten war ein gehbehinderter Mann. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft steht auf Raub jeweils fünf Jahre Freiheitsstrafe als Mindeststrafe - je Tat. Möglicherweise werde Jugendstrafrecht angewandt, weil Straftäter unter 21 als Heranwachsende gelten und nach Jugendrecht milder bestraft werden könnten. Entscheidend dafür sind aber das Gutachten des dem Prozess beiwohnenden Gerichtspsychiaters und die Einschätzung der Jugendgerichtshilfe. Für Dezember wird mit dem Urteil gerechnet.