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Missbrauchsprozess fortgesetzt/Ehefrau will die Scheidung Eintrag ins Tagebuch: "Ich hasse ihn"

05.09.2014, 01:20

Von Wolfgang Biermann

Stendal l "Papa ist so bescheuert, ich hasse ihn." So seht es im Tagebuch eines heute 17-jährigen Mädchens aus der Westaltmark, das laut Anklage von seinem Vater von Sommer 2008 bis Ende August 2012 97 Mal sexuell missbraucht worden ist und auch körperlich oft von ihm gezüchtigt wurde (die Volksstimme berichtete).

Gestern ist der Prozess vor dem Landgericht Stendal um schweren sexuellen Kindesmissbrauch mit der Vernehmung der Mutter des Opfers und Ehefrau des geständigen Täters fortgesetzt worden. Die Frau hielt sich als Zeugin tapfer. Man merkte ihr wohl die innere Aufgewühltheit an. Aber erst am Ende der Vernehmung, als die Anwältin, die ihre Tochter vor Gericht als Nebenklägerin vertritt, ihr Passagen aus deren Tagebuch vorlas, ließ sie ihren Tränen freien Lauf.

"Ich war schockiert von dem, was ich da lesen musste."

Vom Umfang der Taten ihres Mannes habe sie erst nach dem Prozessauftakt am 27. August aus der Zeitung erfahren, sagte die im Ausland geborene Frau. "Ich war schockiert, von dem, was ich da lesen musste." Ihren Mann habe sie daraufhin zur Rede gestellt: "Ich habe ihm gesagt, dass ich mich scheiden lassen werde."

Vom Gericht zu ihrem ehelichen Sexualleben befragt, sagte sie, dass ihr Mann "nie etwas gesagt" habe. Sie selbst könne "auch gut ohne Sex leben". Das Mädchen war elf Jahre alt, als sich die Mutter im Jahr 2008 zu einer mehrwöchigen Reise in ihr Heimatland aufmachte. Als sie von dort wiederkam, sei ihr Mann "seltsam" gewesen. Auf ihre Nachfrage habe er gesagt, dass er ihre gemeinsame Tochter an der Brust berührt habe - mehr nicht. Sie sei erzürnt gewesen und hätte gesagt, das dürfe er nie wieder machen, "weil das nicht normal ist" und er dafür ins Gefängnis kommen könne. Ihre Tochter sei "ein gutes Mädchen" und habe in der Grundschule gute Leistungen gezeigt. Seit 2008 - etwa mit Beginn des Missbrauchs - sei sie aber schlechter geworden.

Von dem angeblichen Mobbing in der Firma, in der ihr Mann als Produktionsarbeiter tätig war, habe sie gewusst, sagte die Mutter weiter aus. Wie berichtet, hatte der 47-Jährige dieses Mobbing mit als Ursache für den Missbrauch seiner Tochter angeführt. Mit 15 hatte sich diese 2012 selbst ans Jugendamt in Salzwedel gewandt, das sie sofort aus dem elterlichen Haushalt herausholte. Seitdem lebt sie in einem Kinderheim. Alle Prozessbeteiligten verzichteten gestern auf eine Aussage der 17-Jährigen. Am 10. September sollen die Plädoyers gehalten werden und ist auch das Urteil zu erwarten, kündigte der Vorsitzende Richter Ulrich Galler an.