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Heimatforscher Hartmut Bock aus Jübar feiert heute seinen 70. Geburtstag Über Umweg zur Lehrerberufung

Von Anke Pelczarski 20.12.2014, 02:08

Das Interesse an Heimatgeschichte ist bei Hartmut Bock bereits in der Kindheit geweckt worden. Der Vorsitzende des Vereins Junger Archäologen Altmark und Autor vieler Bücher wird heute 70.

Jübar l "Mein Großvater hat mich in der Kindheit sehr beeinflusst", sagt Hartmut Bock, der wenige Monate vorm Ende des Zweiten Weltkrieges in Hanum das Licht der Welt erblickte und dessen Vater von der Front nicht zurückkehrte. Sein Opa Alfred Bock war Lehrer. Und er versuchte, den Enkel an viele Dinge heranzuführen: Der heimische Garten war parkähnlich gestaltet. Spaziergänge führten in die Natur. Die Steinsammlung in der Hanumer Schule enthielt Speerspitzen und Beile, die Kinder in der Umgebung gefunden hatten. Und auch auf dem Acker gab es Scherben aus längst vergangenen Zeiten zu entdecken.

"Wir wollten eine Ausstellung machen, hatten aber kein Material."

1956 zog seine Familie nach Jübar. Für Hartmut stand fest: Er wollte genauso wie Großvater und Vater Lehrer werden. Doch für das Studium wurde der Jübarer (vorerst) nicht zugelassen. Aber er wollte unbedingt etwas mit Geschichte machen und erfuhr von einer Fachschule in Weißenfels, an der Museologie gelehrt wurde. Er schaffte die Aufnahmeprüfung und ging mit 16 Jahren von zu Hause fort. Heute erinnert er sich an "drei schöne Jahre" im Weißenfelser Schloss.

Sein Wunsch, einen Arbeitsplatz im Salzwedeler Museum zu erhalten, erfüllte sich nicht: Es war keine Stelle frei. Doch in Genthin wurde sein Fachwissen gebraucht. Hartmut Bock erinnert sich noch an die 1000-Jahr-Feier von Tucheim im Jahr 1965. "Wir wollten eine Ausstellung machen, hatten aber kein Material, das wir hätten zeigen können", schildert er. Also hätten sie die Bewohner per Posteinwurf gebeten zu helfen. Dann seien die Museumsmitarbeiter von Haus zu Haus gefahren und hätten Spenden wie Spinnräder, Keramik, Geld aus früheren Zeiten und mehr eingesammelt. "Plötzlich hatten wir einen riesigen Fundus", erzählt Hartmut Bock. In jener Zeit hat er die erste Gruppe Junge Historiker betreut.

Während des Dienstes bei der Nationalen Volksarmee in Rostock erhielt er einen Tipp: Da er das Fachschulstudium erfolgreich abgeschlossen hatte, besaß er die Voraussetzung für die Ausbildung zum Lehrer. Also bewarb er sich in Rostock fürs Studium und hatte das Glück, angenommen zu werden. Er wurde Diplomlehrer für Geschichte und Deutsch.

"Ich wünschte mir den Einsatz in der Altmark im Kreis Klötze, sollte nach Jübar gehen. Doch drei Wochen vor Schulbeginn kam alles anders", berichtet Hartmut Bock. Denn da erfuhr er, dass er für ein Jahr nach Stöckheim abgeordnet werde, an die Schule, an der er einst selbst gelernt hatte. Das war 1971. Aus einem Jahr sind 19 geworden. "Mir hat es dort gut gefallen", blickt er zurück.

Im März 1972 gründete er an der Polytechnischen Oberschule Stöckheim die Arbeitsgemeinschaft Junge Historiker, die heute als Verein Junger Archäologen der Altmark weiterlebt. Acht Schüler hätten am Anfang mitgemacht. "Wir hatten einen Patenschaftsvertrag mit dem Museum Salzwedel und haben nur Archäologie gemacht", blickt der Jübarer zurück. Die erste Ausgrabung sei in Hilmsen erfolgt.

"Wir sind eine verschworene Gemeinschaft."

Aber nicht nur die gegenständliche Erinnerung an die Vorfahren hat Hartmut Bock immer fasziniert, sondern auch die Geschichte, die in Archiven schlummert und durch Gespräche mit Älteren lebendig bleibt. Das sei eine gute Forschungsaufgabe für Schüler gewesen. In den 1980er Jahren hätten sich unter seiner Leitung Neunt- und Zehntklässler aus den Schulen Stöckheim und Jübar in einer Arbeitsgemeinschaft mit Regionalgeschichte befasst. Entstanden sind Broschüren, die sich mit dem 30-jährigen Bestehen der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft Jübar, dem Erntebrauchturm wie Vergodendeel, dem Thema Knechte und Mägde, dem Essen und Trinken in der Altmark sowie den Sitten und Gebräuchen in der Region beschäftigt haben. Museumsmitarbeiter Peter Fischer habe ihn dabei sehr unterstützt. "Wir kannten uns vom Studium in Weißenfels. Ich habe sein Fachwissen sehr geschätzt", sagt Hartmut Bock.

Als treuen Wegbegleiter bezeichnet das Geburtstagskind auch Otto Mewes aus Kleinau. Dieser führte als Lehrer ebenfalls die Schüler an die Heimatgeschichte heran. Beide Arbeitsgemeinschaften kooperierten und verschmolzen später.

Nach der Wende und dem Aus der Zehn-Klassen-Schule in Stöckheim unterrichtete Hartmut Bock in Jübar und in Beetzendorf. Im Jahr 2005 ging er in den Ruhestand. Er sei gern Lehrer gewesen. Allerdings: Das Kontrollieren von Aufsätzen und Diktaten habe nicht so viel Spaß gemacht, gesteht er augenzwinkernd.

Dem Verein Junger Archäologen steht er heute noch als Vorsitzender vor. Die Grabungsleitung für die jährlichen Sommerlager hat er in jüngere Hände abgegeben: "Torsten Müller und Thomas Janikulla haben sich da schon gut reingefuchst", lobt er und freut sich, dass das von ihm Aufgebaute weiterlebt. "Wir sind eine verschworene Gemeinschaft", fügt er hinzu.

Nun, als Rentner, hat der Jübarer mehr Zeit zum Schreiben. Erst jetzt ist das Buch "Obrigkeit und Untertanen" herausgekommen, das er seiner Mutter Charlotte Bock widmete, "der ich ganz viel zu verdanken habe". "Wenn ich im Archiv vor den alten Akten sitze, dann stelle ich mir die Menschen vor, die nicht mehr sind. Sie werden irgendwie wieder lebendig", beschreibt er das Gefühl, das er beim Recherchieren hat. Ihm sei es wichtig, die Heimatgeschichte nicht nur wissenschaftlich, sondern auch gut verständlich aufzuschreiben. Das Buch habe er sich als besonderes Geschenk zum Geburtstag gemacht: Die "Zutaten" für das 380 Seiten dicke Werk hatte er über Jahrzehnte gesammelt.

"Habe fast alle europäischen Staaten kennengelernt."

"Nach der Wende habe ich fast alle europäischen Staaten kennengelernt, war auch in den USA, Kanada, Namibia, Israel und Syrien", zählt Hartmut Bock einige Stationen auf und beschreibt, wie er seinen Wissensdurst auch über die Altmark hinaus gestillt hat. Weh tue es ihm, wenn er heute die Bilder von den Zerstörungen in Syrien sehe. Im Vorjahr sei er in Taiwan gewesen und habe dort einen Vortrag über die Hünengräber in der Altmark gehalten.

Der heute 70-Jährige wünscht sich vor allem Gesundheit und dass seine Mutter, die mittlerweile 98 ist, noch einige Jahre lebe. Und dass der Verein Junger Archäologen fortbestehe und er weiter über die Geschichte forschen könne.