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Sabine Danicke im Jahresinterview über Finanzen, Lebensqualität in Salzwedel und ihre erneute Kandidatur "Ich verspreche mir von niemandem etwas"

31.12.2014, 01:15

Nein, vergnügungssteuerpflichtig ist der Salzwedeler Stadtrat sicherlich nicht. Das weiß auch Salzwedels Oberbürgermeisterin Sabine Danicke, die sich im Jahresinterview den Fragen der Volksstimme-Redakteure Alexander Walter und Arno Zähringer stellt.

Volksstimme: Frau Danicke, das Jahr 2014 hat glanzvoll mit einem Besuch der Kanzlerin in Salzwedel begonnen. Glauben Sie, Angela Merkel hat neben den angepriesenen Vorzügen auch die Probleme der Stadt - etwa bei der Verkehrsanbindung - in Erinnerung behalten?

Sabine Danicke: Also, ob sie nun unbedingt unsere Verkehrsanbindung auf der Agenda hat, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass ihr Salzwedel fest in Erinnerung bleiben wird, weil sie gespürt hat, dass sie eine lebendige Stadt vorgefunden hat.

Konkrete Hilfen für die Region haben Sie sich also nicht versprochen?

Nein, generell verspreche ich mir von niemandem etwas. Vielmehr ist es für mich wichtig, dass ich Menschen um mich habe, denen ich vertrauen darf, die gemeinsam mit mir die Dinge angehen, die wichtig sind. Und dann wird man sehen, zu welchen Schnittstellen man kommt.

Was bleibt vom Besuch der Kanzlerin?

Eine schöne Erinnerung.

Thema Finanzen: Die Kämmerei rechnet durch die Neuregelung des Finanzausgleichsgesetzes mit sinkenden Einnahmen vom Land für 2015. Die Zuweisungen sollen von 2,2 Millionen auf 1,3 Millionen Euro sinken. Wie wollen Sie das kompensieren? Sind Steuererhöhungen geplant, werden freiwillige Aufgaben eingeschränkt?

Fakt ist, wir wollen einen Haushalt darstellen, der ein realistisches Bild aufzeigt. Es ist so, dass sich das eine oder andere im Haushalt jetzt schon überzeichnet, darüber müssen wir mit den Fraktionen reden. Steuererhöhungen haben wir aber nicht geplant. Wir haben so kalkuliert, dass wir einigermaßen hinkommen. Allerdings wissen wir noch nicht, wie es mit dem Finanzausgleichsgesetz weitergeht. Es stellt sich im Moment so dar, dass wir 2018 nur noch 300000 Euro bekommen sollen. Ob wir das ausgleichen können, das bleibt auch für uns ein großes Fragezeichen.

Viele Kommunen gehen an ihr Tafelsilber, wenn es ihnen schlecht geht, verkaufen zum Beispiel Dorfgemeinschaftshäuser. Wäre das eine Option für Sie?

Es ist nichts geplant. Wir wollen, wenn es geht, alle Spielräume ausnutzen. Die Wirtschaft ist mir, trotz der fehlenden Autobahnanbindung bislang immer treu geblieben. - Und ich hoffe, dass das Land Sachsen-Anhalt die Kommunen nicht im Stich lässt und uns wieder in die Lage versetzt, Überschüsse zu erwirtschaften, die insbesondere für die Schulden-Tilgung eingesetzt werden.

Wie viele andere Städte leidet Salzwedel unter der Abwanderung junger, gut ausgebildeter Fachkräfte. Für sie sind weiche Standortfaktoren wie Bäder, Kinderbetreuung und Kultur besonders wichtig. Wie wollen Sie den Spagat schaffen zwischen einem gesunden Haushalt und einem attraktiven Lebensumfeld?

Wissen Sie, 2010 war für uns ein ganz schlimmes Jahr. Nun frage ich Sie zurück: Hat es einer gemerkt, dass wir in der Konsolidierung waren? Nein, keiner! Wir bieten weiterhin an: Sehr gute Kinderbetreuung, Sportstätten, Kinder- und Jugendbetreuung, Investitionen für unsere Grundschulen und für die 32 öffentlichen Spielplätze auf unserem Gebiet. Die wir uns auch weiter leisten wollen. Wir können hier wunderbar alt werden - auch mit einer etwas kleineren Rente. Wir haben in der Kernstadt und den Ortsteilen eine Infrastruktur aufgebaut, von der manche nur träumen können. Ich denke dabei auch an den Nahverkehr und Ärzte. Wir haben ein super kulturelles Angebot. Und an der Diskussion über den Fachkräftemangel beteilige ich mich nicht. Die Unternehmen holen sich die Leute, die sie benötigen. Und sie kriegen sie auch, das ist Fakt.

Einen Fachkräftemangel gibt es also nicht?

Dort, wo Fachkräfte gesucht werden, holen sich die Unternehmen die Spezialisten. Wissen Sie, junge Leute möchten die Welt erkunden. Dafür bin ich 1989 auch auf die Straße gegangen. Und einige kommen wieder zurück. Ich weiß, dass Unternehmen unterschiedlichste Anreize für junge Familien schaffen und sie zum Hierbleiben bewegen.

Glauben Sie, dass die Altmark in der Politik von einigen schlechter gemacht wird als sie wirklich ist?

Ja, auf alle Fälle. Wir haben allen Grund dazu, stolz zu sein, weil wir eine lange Strecke durchgehalten und viel geschaffen haben. Die Leute sagen mir, dass die Hansestadt in den letzten Jahren einen unglaublichen Schub nach vorn gemacht hat, denken wir zum Beispiel an die Gestaltung des Rathausturmplatzes, an unsere modernen Grundschulen mit den Sporthallen, sanierte Altstadt-Gassen, die "Aktion Weihnachtsbaum mit den Familien" und das gelungene "Lyzeum"-Projekt. In der Hansestadt gibt es so viel gelebte Gemeinschaft, da hat jeder eine Geschichte dazu zu erzählen.

Der Stadtrat hat gerade den Beitritt zum Zweckverband Breitband Altmark (ZBA) abgelehnt. Können Sie heute verbindlich zusagen, dass bis 2018 alle Ortsteile über die Privatwirtschaft das versprochene schnelle Netz mit bis zu 50 Mbit pro Sekunde erhalten werden?

Kann denn der Zweckverband etwas zusagen? Nein. Keiner kann das. Aber wir wissen alle, dass wir schnelles Internet benötigen - und zwar so schnell wie möglich. - Auch die 18 Stadträte, die mit Nein gestimmt haben, wollen den Fortschritt. Aber sie wollen das alleinige finanzielle Risiko von der Stadt abwenden. Und wir müssen aus den Puschen kommen. Nicht, dass es uns so geht, wie mit der Autobahn. Kein Politiker hat es in 25 Jahren geschafft, eine vernünftige Verkehrsanbindung zur Welt in die westliche Altmark zu holen. Während Gardelegens damalige Bürgermeisterin Hannelore von Baehr die Umgehungsstraße dort mit der Privatwirtschaft geschaffen hat. - Im Übrigen waren wir mit dem Altmarkkreis als Initiator des ZBA immer in Verbindung. Als Quintessenz mussten wir aber feststellen, dass kein Interesse seitens des ZBA bestand, nochmal die von uns ergänzend erarbeitete Satzung zu erörtern. Ich bleibe dabei, wir wollen schnelles Internet, aber wir setzen dabei auf den freien Markt. Dann haben wir auch die Chance, über lange Zeit andere freiwillige Leistungen aufrechtzuerhalten!

Ist Salzwedel hier schlauer als die Mehrheit der altmärkischen Kommunen?

Ob Salzwedel schlauer ist oder nicht, diese Arroganz möchte ich mir nicht anmaßen. Über eine Fachhochschule haben wir uns zur derzeitigen Satzung Rat geholt und wir haben auch junge Leute und Techniker an das Thema gesetzt. Nach eingehender Prüfung rät uns jeder ab, dieses Satzungs-Konstrukt, so, wie es sich derzeit darstellt, einzugehen. - Die Idee von beiden Landräten ist toll, aber nach der aktuellen Satzung ist sie für die großen Städte mit so geringem Stimmrecht wirtschaftlich nicht hinnehmbar. Fest steht nach wie vor: Das Risiko wird pro Kopf umgelegt. Das heißt, im Zweifel bezahlen wir - und haben keine Leistungen. Und das hat dann Auswirkungen auf unsere Finanzen - sprich: auf unsere freiwilligen Leistungen.

Wäre der Beitritt eine ernsthafte Option, wenn die Satzung geändert würde?

Ja, das war er immer.

Die jüngste Stadtratssitzung hat gezeigt: Die Stimmung zwischen Verwaltung und Stadtrat ist angespannt. Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit?

Mit dem größten Teil der Stadträte haben wir in den vergangenen Jahren wunderbar zusammengearbeitet. Und zwar parteiübergreifend. Ja, es gibt ein Spannungsfeld mit einzelnen Stadträten, die einfach überhören statt hinzuhören. Das ist nie dienlich gewesen.

In diesem Zusammenhang wird die Verwaltung immer wieder wegen fehlender Vorlagen oder mangelnder Kommunikation kritisiert. Tun die Querelen dem Ruf der Stadt gut?

Ich denke, es wird immer wieder mal etwas geben. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Natürlich machen wir nicht immer alles richtig. Aber mangelnde Kommunikation hat es nie gegeben. Scharmützelspiele ohne Not - Hauptsache "kontra Verwaltung" - tun dem Ruf der Stadt nicht gut. Ist doch der Stadtrat auch ein Aushängeschild. Und wer unsere Verwaltungsarbeit bewertet, wird wissen, dass sie fachlich auf einem sehr hohen Niveau ist. Und wenn jemand nicht bereit ist, sich intensiv in ein Thema einzuarbeiten und der Verwaltung nicht glaubt, dann muss man einfach sagen: So ist es!

Salzwedel leidet nach wie vor an einer schlechten Verkehrsanbindung. Stichworte B71, B248 und B190n. Wie können Sie sich für einen Ausbau stark machen?

Ich wollte schon immer, dass die B71 und B248 ausgebaut werden. Und ich werde weiter dafür streiten. Was mich bewegt, ist, dass die B71 und B248 am 23. August 1999 als vordringliche Aufgaben gestrichen wurden. Und man hat uns lange in dem Glauben gelassen, dass der Ausbau noch möglich wäre. So kann man mit einer Region nicht umgehen. Das bringt mich auch in Rage. Die Bundeskanzlerin hat auch gesagt, dass die Querspange im Bundesverkehrswegeplan enthalten ist. Die B190n als südliche Umfahrung ist jetzt greifbar nahe. Wir brauchen aber auch die B71 und B248. Und hier muss man mit den Landtagsabgeordneten ins Gericht gehen, die uns nicht darüber informiert haben, dass die Projekte rausgefallen sind. - Da kann auch eine kleine Oberbürgermeisterin nichts machen.

Thema Schulen: Wie sieht Ihre Strategie aus, die Schul- standorte zu erhalten?

Wir haben uns intensiv in die Schulentwicklungsplanung auf Landesebene eingebracht. Wir haben immer gesagt: Kleine Füße - kurze Wege. Das Land hat die Schülerzahlen vorgegeben und wir kamen uns vor, als wären wir wie Don Quichotte gegen Windmühlen gerannt. Gemeinsam mit der Bürgerinitiative Grundschule Henningen haben wir nochmals Druck erzeugt - und nun sind die Schüler-Mindestzahlen gesenkt worden. Damit gibt es für uns Planungssicherheit für Sanierungen über Stark III.

Frau Danicke, in gut zwei Monaten wählt Salzwedel einen Bürgermeister. Warum treten Sie noch mal an?

Ja, warum nicht? Ich denke, jeder merkt, dass ich diesen Job richtig lebe. Und man muss ja für diese Aufgabenfülle wachsam wie ein Seismograf sein. Ich habe 31 Millionen Euro Schulden übernommen und sie auf 24 Millionen Euro gedrückt. Zudem haben wir die Stadtwerke-Schulden über gute Zins-Konditionen umgeschuldet und so über die gesamte Laufzeit 750.000 Euro gespart, was der Stadt gut tut. Im Übrigen bin ich gesund und gehöre zu der Generation, die länger arbeiten wird. Ich habe immer Verantwortung in meinem Job getragen, kann auch Schlappen hinnehmen und habe die Einsicht, dass man auf so einem Stuhl nicht immer alles richtig macht.

Das klang jetzt wie ein gut geschriebener Wahlprospekt. Aber gab es auch Dinge, von denen Sie sagen, da habe ich Fehler gemacht?

Da haben Sie mich jetzt auf eine gute Idee gebracht. (Langer Seufzer). Ich hätte mir gewünscht, die Kraft zu besitzen, so manche Straße im Denkmalschutzbereich behindertengerechter herzustellen, da man mich selbst für Recherchen im Rollstuhl gefahren hat. Und ich hätte mir gewünscht, den Ratssaal behindertengerecht umzubauen, damit wir unsere Stadtrats-Sitzungen wieder in dem ehrwürdigen, typischen Ambiente durchführen können.

Entschuldigung, aber wir können Sie aus dieser Frage nicht entlassen. Haben Sie Fehler gemacht?

Sagte ich doch. Dass ich es nicht geschafft habe, dass - in der Stadt noch mehr behindertengerechter gestaltet wurde. Und natürlich - Fehler passieren immer, auch unbewusst. Und ich kann sie auch zugeben. Aber eines steht auch fest: Mit einer Frau geht man schon härter um.

Wenn Sie sich selbst einschätzen müssten: Welche Note würden Sie sich geben?

Ich gebe mir keine Noten. Die Bürger erkennen schon, was wahre Leistungen sind. Und alle, die mich kennen, wissen, dass ich immer für unsere Stadt und unsere 48 Ortschaften die Ärmel hochgekrempelt habe.

Frau Danicke, vielen Dank für das Gespräch.