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Altmärkische Gastronomen bilden ausländische Jugendliche aus/Gespräche am "Arbeitstisch" "Gelebte europäische Solidarität"

Von Antje Mewes 31.12.2014, 02:16

Der Fachkräftebedarf im Hotel- und Gaststättengewerbe steigt. Verschärft wird die Situation durch viele offen gebliebene Lehrstellen in der Branche. Einige Gastronomen, wie Burghard Bannier aus Arendsee, sind neue Wege gegangen und konnten junge Leute aus dem Ausland für eine Ausbildung in ihren Betrieben gewinnen.

Arendsee/Tangermünde l Die Lage ist ernst. Für die Hotel- und Restaurantbetreiber in der Altmark wird es immer schwieriger, ausgebildetes Personal zu bekommen. Und auch geeignete Bewerber für offene Ausbildungsplätze werden immer weniger. Schon vor zwei Jahren hatte Manfred Hippeli, Kreisvorsitzender des Spitzenverbandes des Hotel- und Gaststättengewerbes (DEHOGA), auf die sich zuspitzende Lage aufmerksam gemacht.

Als ein Ausweg für die Gastronomen galt bereits damals, ausländische Jugendliche auszubilden. Zuschüsse aus einem speziellen Programm des Bundesarbeitsministeriums waren als Starthilfe möglich. Doch der Ansturm auf die Förderung war so stark, dass die zur Verfügung stehenden Mittel nicht einmal ansatzweise reichten.

"Unsere Drei fühlen sich im Hinterland wohl."

Burghard Bannier

"Das Programm war eingestellt für ein Jahr und schon im Januar war das Geld alle. So etwas geht nicht, das war unglaublich", schimpft Burghard Bannier, Hotelier aus Arendsee.

Er hat trotzdem drei ausländische Auszubildende zwei junge Italiener und einen jungen Mann aus Polen. Für Bannier ist das "gelebte europäische Solidarität". Denn im südlichen europäischen Ausland sei die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen besonders hoch. Gerade dort, in den Urlaubsgebieten, hätten gut ausgebildete gas-tronomische Fachkräfte Karrierechancen, schätzt er ein. Das Anwerben von Auszubildenden aus dem Ausland sei natürlich nicht völlig uneigennützig. Ein wichtiger Aspekt sei, motivierte und gute Lehrlinge zu bekommen. Ganz einfach sei es nicht, passende Kandidaten zu finden. "Die meisten wollen nach Hamburg, Berlin oder München, aber nicht nach Arendsee", räumt er ein und ergänzt: "Unsere Drei fühlen sich aber im Hinterland wohl." Mit ihren Leistungen in Praxis und Theorie ist er sehr zufrieden. Wichtig sei, dass die Vorstellungen zum Berufsbild übereinpassten, Motivation vorhanden sei und die zwischenmenschliche Chemie stimme.

Bereits im Heimatland belegen die angehenden Azubis einen ersten Deutschkurs, bevor es in Deutschland einen weiteren Intensivkurs gibt. Parallel zur theoretischen Berufsausbildung, wird zusätzlichen weiter Deutsch gelernt. Mit Erfolg, wie der Hotelier anerkennend einschätzt. "Und wir lernen parallel italienisch", erzählt er schmunzelnd. Das bleibe im täglichen Umgang nicht aus. Da er recht gut tschechisch spreche, sei auch die anfängliche Verständigung mit seinem polnischen Auszubildenden kein Problem gewesen. Denn es gebe viele Ähnlichkeiten in beiden Sprachen.

Ein Unternehmen, das von den Bundesmitteln profitiert hat und darüber fünf bulgarische Azubis einstellen konnte, ist die Erlebenswert GbR aus Tangermünde, informiert Yvonne Papke von der Agentur für Arbeit. Erforderlich für das Einstellen war die Bereitstellung eines sogenannten Kümmerers - einer Person, die als Ansprechpartner für die ausländischen Lehrlinge fungiert und sie auf den behördlichen Wegen begleitet. Diese Aufgabe hat Stefanie Schaffel übernommen. Ihre Schützlinge hätten Fuß gefasst in der Region, schätzt sie ein. Sie haben eine eigene Wohnung und seien ganz stolz gewesen, als sie ihre EC-Karte in den Händen hielten.

"Teilqualifizierungen waren für uns sehr interessant."

Stiene Pohl

Die Zusammenarbeit mit den deutschen Azubis klappe super, berichtet Stiene Pohl, Geschäftsinhaberin der Erlebenswert GbR. Für beide Frauen steht fest, dass die Mischung stimmen muss. Je mehr unterschiedliche Nationen aufeinander treffen, desto eher wird sich auf die hiesige Landessprache geeinigt und das sei für die Gäste wichtig.

Arbeitsagentur-Chef Markus Nitsch hatte sich kürzlich mit 20 Gastronomen zu einem "Arbeitstisch" getroffen, um den Fachkräfte- und Auszubildendenmangel zu thematisieren sowie über Fördermöglichkeiten allgemein und zur Qualifizierung von Mitarbeitern zu sprechen. Dabei ging es auch um die Auswirkungen des Mindestlohns von 8,50 Euro auf das Gastgewerbe. Diese Kosten müssten auf den Endverbraucher umgelegt werden und es bleibe abzuwarten, ob dieser bereit sei, das mitzutragen, hieß es. Auf der anderen Seite könne der Mindestlohn als Chance in der Nachwuchsgewinnung gesehen werden. Berufe in der Gastronomie würden für Jugendliche finanziell attraktiver, betonte Nitsch.

Neben der Möglichkeit des Austauschs untereinander konnten die Unternehmen etwas Neues von dem Treffen mitnehmen. "Insbesondere die Möglichkeiten der Teilqualifizierungen waren für uns sehr interessant", so Stiene Pohl.