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Brigitte Kahrmann erinnert sich an den Fliegerangriff am 31. März 1945 in Salzwedel Um 12 Uhr mittags fielen die Bomben

31.03.2015, 01:34

Salzwedel (zä) l Heute vor 70 Jahren, am 31. März 1945, fielen Bomben auf die Stadt. Dazu schreibt William Stappenbeck in seinen Aufzeichnungen "Das Jahr 1945": "... so war es ein Glück für Salzwedel, dass die etwa 100 Bomben in das unbebaute Gelände zwischen der Drahtfabrik, Konservenfabrik Burgdorf, Bahnhof Altpervertor und der Jeetze fielen."

Um ein Haar die Georg-Straße ausgelöscht

"Die Erinnerungen an die damalige Zeit in Salzwedel sind noch sehr lebendig", berichtet Brigitte Kahrmann, geborene Preuß, der Volksstimme: "Als ehemalige Perveranerin, ich bin in der Amtsstraße aufgewachsen, erinnere ich an den Bombenabwurf Ende März 1945, der um ein Haar die St.-Georg-Straße ausgelöscht hätte. Mein Vater ist der Dachdeckermeister und Feuerwehrmann Karl Preuß - jener angeblich "unbekannte Feuerwehrmann", der auf dem heimlichen Foto des Salzwedeler Fotografen Paul Oberst vor der Ruine eines Hauses am Hauptbahnhof abgelichtet ist."

Brigitte Kahrmann zitiert aus den Aufzeichnungen ihres Vaters aus dem Jahr 1959, die im Knopf der Kirchturmspitze der St.-Georgkirche 1997 gefunden wurden: "Während der Hauptbahnhof und der Fliegerhorst mehrmals angegriffen wurden,... fielen kurz vor Beendigung des Krieges, am Ostersonnabend, dem 31. März 1945, mittags gegen 12 Uhr, zirka 70 Bomben auf das Gelände zwischen St.-Georg- und Braunschweiger Straße. Dabei wurde das Stück einer Halle der Drahtfabrik (zirka 100 Meter von diesem Turm) zerstört. Auch die Bubkesche Scheune, St. Georgstr. 74 (jetzt Böttchermeister Lyga), wurde durch einen Volltreffer vom Erdboden weggefegt. Auf dem Gelände der Kleinbahn an der Ladestraße wurden Fässer und Benzintanks getroffen. An den Dächern und Wänden der Häuser in der St. Georgstraße, bis hinein zur Stadt, auch an diesem Turm, entstanden durch Luftdruck und Splitter erhebliche Schäden, sodass wir Dachdecker auch an den Osterfeiertagen arbeiten mussten. Bei diesem Angriff gab es glücklicherweise nur einen Toten im Gelände hinter der Kleinbahn. So lebte damals die Bevölkerung der Städte und Dörfer in stetiger Angst und Sorge beim Ertönen der Alarmsirenen."

Chaos zwischen Rauch und aufgewühlter Erde

Brigitte Kahrmann beschreibt ihre persönlichen Erinnerungen an diesen Tag wie folgt: "Ich war gerade 9 Jahre alt. Der Tag war grau und wolkenverhangen. Ich hörte den Fliegeralarm, wie immer. Das Brummen der feindlichen Bomberverbände über uns waren wir gewöhnt. Flugzeuge waren heute auf Grund der Wolken nicht zu beobachten. Plötzlich vernahmen wir das Geräusch vom Heulen der fallenden Bomben und der Einschläge ganz in der Nähe! Angst und Schrecken machten sich breit und alle anwesenden Hausbewohner waren plötzlich im sogenannten Luftschutzkeller. Nach der ,Entwarnung` liefen wir in Richtung Burgdorfs Konservenfabrik und Bahngleise. Diesen Anblick habe ich bis heute nicht vergessen können: In dem allgemeinen Chaos zwischen Rauch, aufgewühlter Erde, ausgerissenen Zäunen, Fässern und Tonnen sehe ich graue Gestalten. Frauen in Häftlingskleidung, zum Teil mit nackten Füßen, teilweise in abenteuerlichem Schuhwerk, angetrieben von uniformierten Aufseherinnen, die angeleinte Hunde neben sich führten. Es waren Häftlinge und ihre Peiniger des KZ-Außenlagers, die zum Aufräumen eingesetzt waren. Das ,Geheimnis` der Gardelegener Straße war den Salzwedelern offenkundig geworden."