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Währungsunion Böther: "Wir haben uns die Finger wund gezählt"

Heute vor 25 Jahren wurde die D-Mark in der damaligen DDR eingeführt. Ulrich Böther, Vorstandsvorsitzender der heutigen Sparkasse Altmark West, erinnert sich an diese aufregende Zeit.

Von Uta Elste 01.07.2015, 03:10

Salzwedel l 1. Juli 1990. Seit Stunden sitzt Ulrich Böther an einem Schalter in der Arendseer Geschäftsstelle der Sparkasse Salzwedel und zahlt D-Mark-Banknoten an die wartenden Menschen aus. Den hinter ihm stehenden bewaffneten Volkspolizisten hat er da schon mit Nachdruck aufgefordert, einige Schritte zurückzutreten. Das Bankgeheimnis muss schließlich gewahrt bleiben. "Das waren damals noch diese Schalter mit der Luke. Wir haben uns wirklich die Finger wund gezählt. An so etwas wie eine Frühstückspause war überhaupt nicht zu denken", blickt Böther 25 Jahre später auf den Tag der Währungsumstellung zurück.

Doch die Vorbereitungen des Wechsels von der Mark der DDR zur begehrten D-Mark begannen schon Monate zuvor. Zwischen den Sparkassen beiderseits der innerdeutschen Grenze wurden Partnerschaften initiiert. "Die Osterburger kooperierten mit der Sparkasse Lüchow-Dannenberg, Salzwedel mit Uelzen", sagt Ulrich Böther weiter. Ausschlaggebend sei nicht nur die unmittelbare Nähe gewesen, sondern auch die Größe der jeweiligen Sparkassen. "Die Sparkasse Gardelegen hatte ihre Partner in Soltau, Leipzig beispielsweise arbeitete mit Hannover zusammen."

Doch was für die Kunden auf der Straße der Wechsel der Währung in den Portmonees war, stellte für die Mitarbeiter der Kreditinstitute der DDR eine völlig neue Finanzwelt dar. "Finanzprodukte mussten von den Mitarbeitern verstanden werden, damit sie sie wiederum den Kunden erklären können", so Ulrich Böther weiter und spricht mit Hochachtung von langjährigen Kollegen, die mit 50 oder gar 60 Jahren bereitwillig Neues lernten - neben dem täglichen Arbeits-pensum. Das ging oft von 7 Uhr morgens bis Mitternacht. "Die Menge an Arbeit, die damals geleistet wurde, kann man heute gar nicht mehr beschreiben." Er selbst habe auch Unterricht für die Kollegen in der Altmark gegeben, der damals in der Salzwedeler Käthe-Kollwitz-Schule stattfand.

"Kredit und Schulden waren Begriffe, die negativ belegt waren."

Doch trotz aller Anstrengungen im Vorfeld: "Der 1. Juli 1990 war eigentlich noch harmlos im Vergleich mit dem, was danach kam", resümiert der Sparkassen-Chef. Denn plötzlich mussten sich die Menschen mit der Marktwirtschaft beschäftigen. Neue Firmen mussten unterstützt, Existenzgründern die Notwendigkeit des Kapitaldienstes erläutert werden. Schwierigkeiten blieben nicht aus. "Kredit und Schulden waren Begriffe, die negativ belegt waren."

Nicht jeder, der aus den alten in die neuen Bundesländer fuhr, kam in guter Absicht. Unternehmen seien oft falsch beraten worden, so dass am Ende mitunter nach der Modernisierung die Schulden höher waren als der Wert der Firma. "Das erzeugte viel Frust, viele Betriebe sind damals kaputt gegangen", blickt Ulrich Böther zurück. Ein weiteres schwieriges Kapitel seien die zahlreichen Immobilien mit ungeklärten Eingentumsverhältnissen gewesen.

Bei aller Freude, die viele Menschen angesichts der ersehnten D-Mark empfanden, "es war auch zu beobachten, dass Leute, die damals um die 40 Jahre alt waren, sehr vorsichtig reagierten. Denn sie wussten schließlich nicht, was die Zukunft bringt. Und wer arbeitslos wurde, ist ein richtig tiefes Loch gefallen."

Als sich ihm damals die Möglichkeit bot, an der Vorbereitung und Umsetzung der Währungsunion in der Altmark mitzuarbeiten, habe ich zunächst etwas gezögert", bekennt Ulrich Böther. "Aber ich habe es nie bereut, diese Herausforderung angenommen zu haben."

Heute sei die Währungsunion und alle Episoden, die sich um den 1. Juli 1990 herum ereigneten, ein beliebtes Gesprächsthema bei der alljährlichen Weihnachtsfeier der Sparkasse. "Ich nehme jedes Jahr daran teil", sagt Ulrich Böther schmunzelnd.

Gegenüber der Umstellung von der DDR-Währung zur D-Mark sei die auf den Euro zum Jahreswechsel 2002 relativ geräuschlos vonstatten gegangen. "Das war wirklich ein Klacks im Vergleich zur Währungsunion 1990."