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Landgericht Stendal verwirft Berufung eines Rentners (67) Fast die ganze Klaviatur im Strafregister

Von Wolfgang Biermann 11.04.2012, 03:22

Ein skurriler Fall ist vor dem Landgericht Stendal verhandelt worden. Dort musste sich ein 67-jähriger Wahl-Altmärker wegen Beihilfe zum Betrug verantworten. Der Rentner hatte gegen ein Urteil des Amtsgerichts Salzwedel Berufung eingelegt.

Stendal l Ein Rentner, wie er von anderen rein äußerlich nicht zu unterscheiden ist und der wie ein gutmütiger Opa aussieht, hat es offenbar faustdick hinter den Ohren. "Fast die ganze Klaviatur des Strafgesetzbuches findet sich in seinem Strafregister wieder. Von Diebstahl und Raub über Körperverletzung und Drogenhandel bis hin zur Vergewaltigung ist alles vertreten", sagte Ulrich Roman von der Staatsanwaltschaft Stendal der Volksstimme. Dieser Tage stand der 67 Jahre alte Neu-Altmärker vor dem Landgericht in Stendal. Dem gebürtigen Niedersachsen, der erst vor einigen Jahren nach Salzwedel in die Westaltmark gezogen war, warf die Anklagebehörde Beihilfe zum Betrug und Ladendiebstahl vor. "Ein skurriler Fall", so kündigte der Vorsitzende Richter der Berufungskammer, Gundolf Rüge, die bevorstehende Verhandlung an.

Konto für dubiose Finanztransaktionen zur Verfügung gestellt

Das Amtsgericht Salzwedel hatte den zur Tatzeit unter Bewährung stehenden, "hafterfahrenen" Rentner am 13. Dezember vorigen Jahres zu 60 Tagessätzen á 15 Euro (900 Euro) Geldstrafe verurteilt, weil er sein Konto für dubiose Finanztransaktionen zur Verfügung gestellt hatte. Außerdem hatte er in einem Baumarkt Werkzeug im Wert von 36 Euro gestohlen. Zum Vorwurf der Beihilfe zum Betrug hieß es im Urteil des Amtsrichters, dass eine rechtlich unbescholtene Rentnerin aus Bayern einen Telefonanruf erhielt. Der Anrufer gab sich dabei als "Beauftragter des Amtsgerichtes Berlin" aus. Wenn sie nicht wolle, dass sie vor Gericht in Berlin aussagen müsse, solle sie 370 Euro auf ein Konto überweisen. Dann hätte sie Ruhe. Die Frau tat unverständlicherweise, wie ihr geheißen und überwies die 370 Euro - das Konto gehörte dem 67-Jährigen. Sie war wohl nicht die einzige, bei der diese kriminelle Masche zog. Denn am Ende ging es laut Urteil um 4000 Euro. Das Geld hat der Angeklagte abgehoben und angeblich in Hannover abgeliefert. Ob er auch der ominöse Anrufer war, vermochte das Amtsgericht in Salzwedel nicht zu klären. Es wertete die Zurverfügungstellung des Kontos aber als Beihilfe zum Betrug.

Bewährungsversager mit Geldstrafe "noch gut bedient"

Gegen die 900 Euro-Geldstrafe des Salzwedeler Amtsgerichtes legte der Angeklagte Berufung ein, die nun am Landgericht in zweiter Instanz verhandelt werden sollte. Doch er erschien (zunächst) nicht. Nach angemessener Wartefrist verwarf das Gericht auf Antrag von Staatsanwalt Roman, dem Gesetz folgend, die Berufung. Etliche Minuten nach dem Ende der Verhandlung erschien der Angeklagte und entschuldigte sich damit, dass er irrtümlich zunächst im falschen Gericht gewesen sei, nämlich im Justizzentrum "Albrecht der Bär", wo sich das Amtsgericht Stendal befindet. Er könne einen Antrag auf "Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand" beantragen, wenn er sein Fernbleiben plausibel begründen könne, erklärte Richter Rüge dem Angeklagten. Dann könnte die Berufungsverhandlung erneut stattfinden. Zugleich machte er dem 67-Jährigen aber wenig Hoffnung auf einen guten Ausgang des Verfahrens. Denn als Bewährungsversager sei er mit der Geldstrafe "noch gut bedient" gewesen.

Der Angeklagte, der nicht von einem Rechtsbeistand vertreten wurde, kündigte an, auf Rechtsmittel zu verzichten, das Urteil anzunehmen.