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Investitionsvorhaben bei Neuekrug: Bürgerversammlung in Höddelsen mit 100 Besuchern / Ortsgruppe gegründet Gegen die Hähnchenmast formiert sich Widerstand

Von Alexander Walter 07.12.2012, 02:18

Nach dem Bekanntwerden von Plänen für eine Hähnchenmastanlage bei Neuekrug hat sich in Diesdorf eine Ortsgruppe des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) gegründet. 100 Anwohner kamen am Mittwochabend außerdem zu einer Bürgerversammlung zusammen.

Höddelsen/Neuekrug l Das Ziel ist klar: Die rund 100 Anwohner aus Neuekrug, Reddigau und Höddelsen, die am Mittwochabend im Dorfgemeinschaftshaus Höddelsen zusammenkamen, wollen verhindern, dass in unmittelbarer Nähe ihrer Orte eine Hähnchenmastanlage entsteht. Ein solcher Betrieb für 200000 Tiere könnte nach Plänen der GbR Huster aus dem Osnabrücker Land 470 Meter nördlich von Neuekrug entstehen (wir berichteten).

Eingeladen hatte mit Kirsten Reinberger eine Anwohnerin, die sich im Falle der Investition unmittelbar betroffen sieht. Als Experten und Gastredner waren außerdem Oliver Wendenkampf, Landesgeschäftsführer des BUND, Holger Holzhausen von der Bürgerinitiative Schnega, und Eckehard Niemann, Pressesprecher des niedersächsischen Landesverbandes der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), anwesend. Niemann brachte auf den Punkt, was offensichtlich die meisten Besucher im Dorfgemeinschaftshaus dachten: "Es gibt eine Menge von Punkten, an denen man ansetzen kann, um diese Anlage zu verhindern, und ich hoffe, dass wir das schaffen", sagte er. Lauter Beifall im Saal folgte.

Für seinen Standpunkt nannte Niemann zunächst moralische Gründe: "Die Tiere werden in Mastanlagen auf engstem Raum gehalten, Hühner stehen in ihrem eigenen Kot. Das ist einer Kulturnation unwürdig", so der Pressesprecher.

Doch dabei blieb es nicht. Für die Anwohner mindestens ebenso wesentlich waren die Folgen, die Niemann und seine Kollegen für sie in Aussicht stellten: Verbunden mit dem Betrieb einer Hähnchenmastanlage sei etwa der massive Einsatz von Antibiotika, sagte Oliver Wendenkampf. Die dabei entstehenden multiresistenten Keime würden durch die Emissionen des Betriebes freigesetzt und könnten Jahre später in nicht therapierbare Infektionen münden. "Wir sind mit dieser Tierzucht dabei, uns die Wirksamkeit aller Antibiotika kaputtzumachen", warnte auch Eckehard Niemann.

Ein weiterer Punkt: "Ihre Immobilien verlieren massiv an Wert", so Niemann. Und nicht zuletzt würden die Betreiber von Hähnchenmastanlagen die Straßen durch den Schwerlastverkehr massiv beschädigen, häufig ohne für die Folgen aufkommen zu müssen.

Holger Holzhausen, der als Mitglied der Bürgerinitiative Schnega erfolglos versucht hatte, dort eine Mastanlage für 40000 Tiere zu verhindern, nannte dann noch einmal schockierende Zahlen:

Zwei Tonnen toter Tiere würden pro Mastdurchgang (35 Tage) allein in Schnega anfallen, hinzu kämen 300 Tonnen Hühnerkot pro Jahr. "Multiplizieren Sie das mit fünf und Sie kommen auf Ihre Anlage", sagte Holzhausen. Einig waren sich alle Experten, dass zur Verhinderung der Mastanlage zunächst der Gemeinderat gefragt sei. "Wichtig ist, dass Sie politischen Einfluss nehmen. Der Gemeinderat muss deutlich Nein sagen", erklärte Niemann.

Den Einwand von Fritz Kloß, Bürgermeister von Diesdorf, mit einer Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens seien möglicherweise Regressansprüche des Investors verbunden, wiesen sowohl Niemann als auch Holzhausen zurück. "Die Angst der Gemeinderäte vor Regress ist ein Gespenst", sagte Holzhausen. Eckehard Niemann konkretisierte: "In der jetzigen Phase ist der Gemeinderat nicht schadenersatzpflichtig." Dies treffe erst dann zu, wenn das zuständige Landesverwaltungsamt seine Genehmigung erteilt habe und anschließend gegen diesen Beschluss geklagt werde.

Jenseits politischer Einflussnahme rieten die Experten den Besuchern außerdem, einen schlagkräftigen Bürgerzusammenschluss ins Leben zu rufen. "Aus meiner Sicht ist es sinnvoll, eine Bürgerinitiative zu gründen, sie hätte eine identitätsstiftende Wirkung", sagte Holger Holzhausen. Oliver Wendenkampf sprach sich dagegen für die Gründung einer BUND-Ortsgruppe aus. "Damit wären sie eine juristische Person mit einer höheren Durchlagskraft", so Wendenkampf. Beide machten klar, dass die Gründung eines solchen Zusammenschlusses nur der Anfang sein könne. "Für den Kampf gegen die Anlage brauchen Sie Geld und Nerven", sagte Holzhausen mit Blick auf seine Erfahrungen in Schnega. Allein ein qualifiziertes Gegengutachten in einem Prozess koste mehrere tausend Euro.

Kirsten Reinberger und Jana Hitschold informierten nach der Versammlung, dass eine BUND-Ortsgruppe bereits gegründet worden sei. Derzeit gebe es neun Mitglieder. "Wir stehen aber noch ganz am Anfang und sind für jeden offen", sagte Kirsten Reinberger. Ob es darüber hinaus auch eine Bürgerinitiative geben werde, konnte sie noch nicht sagen.

Stefan Huster, Geschäftsführer der Huster GbR, erklärte gestern auf Nachfrage, er behalte die Pläne zur Errichtung der Mastanlage bei. Er bekräftigte noch einmal, dass er plane, bei einer Informationsveranstaltung mit den Bürgern zu sprechen. Vorher gebe es aber noch einen Termin mit dem Landkreis. Erst danach könne er Konkretes zu Größe und Art des Betriebes sagen, so der Landwirt. Eine geringere Größe und auch ein Biobetrieb seien derzeit nicht ausgeschlossen.

Er wolle nicht, dass Leute wegen der Anlage wegziehen, so Huster weiter. Allerdings könne er nicht auf jeden Einzelnen Rücksicht nehmen. Befürchtungen, es könne zu fallenden Immobilienpreisen und einer Belastung mit multiresistenten Keimen kommen, wies Huster zurück. "Wenn ich die Vorgaben verletzen würde, würde ich auch keine Genehmigung kriegen", sagte er.