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Diesdorfer Freilichtmuseum lockte am Pfingstsonntag etwa 950 Besucher an Von modischen Raritäten und der Reeperbahn für einen Tag

Von Heike Liensdorf 13.05.2008, 07:00

Diesdorf. Warum waren Holzscheite um 1900 bei den Schulkindern so gefürchtet ? Warum könnte Diesdorf seine eigene Reeperbahn haben ? Und was macht die Blaudruck-Steppjacken, die einst in der " Püggensch Spinnstuw " entstanden sind, so einzigartig ? Antworten auf diese und weitere Fragen gab es am Pfingstsonntag im Freilichtmuseum Diesdorf. Etwa 950 Besucher nutzten das wunderschöne Wetter und verweilten am Nachmittag auf dem weitläufigen Areal. Zahlreiche Handwerker hatten ihre Stände aufgebaut. Die Gruppe Hoahnenfoot unterhielt mit Musik und Gesang.

Ein besonderer Glanzpunkt des Aktionstages war die Modenschau unter dem Motto " Altes und Neues aus der Bauerntruhe ". Diese fand zu Ehren der im Mai 2007 verstorbenen Christamaria Meyer-Püggen statt. Sie hatte dem Museum vor drei Jahren eine Vielzahl von Modellen übergeben : Blaudrucke, handgewebtes Bauernleinen, gesponnene, gefärbte Schafwolle …. Diese und weitere Modelle wurden nun von Gabriele Mohaupt, Angela Amlang, Petra Reichel, Karola Fahrenkamp-Schmuhl und Dörte Ahrens vorgeführt. Jutta Jaeger – sie ging selbst einst in die Schule von Christamaria Meyer-Püggen – moderierte die Schau sehr unterhaltsam und mit fachlichen Fakten unterlegt. Eine Rarität präsentieren die Models zum Schluss : zwei Blaudruck-Steppjacken aus der " Püggensch Spinnstuw ". Das Besondere daran : Die Nähte sind reine Handarbeit. Christamaria Meyer-Püggen war eine strenge Lehrmeisterin. Unter ihr kam da keine Nähmaschine ran, sagte Jutta Jaeger. Sie selbst hat bereits eine solche Jacke gefertigt, weiß welche Arbeit darin steckt. Hunderte Teilchen müssen von Hand sorgfältig zusammengenäht werden. " Christamaria war immer der Ansicht, es ist zu sehen, was von Hand gequiltet ist. Und es ist wirklich so. " Eine zweite Rarität bei den vorgeführten Stücken war ein handgewebter Leinenbeutel mit Gerstenkornmuster, eines der ersten Stücke der " Püggensch Spinnstuw ", ebenso ein brauner Poncho.

Friedhelm Heinecke, Leiter der Museen des Altmarkkreises Salzwedel, freute sich, dass Jutta Jaeger die Modenschauen, die Christamaria Meyer-Püggen in Diesdorf begonnen hatte, weiterführt. Diese zu Pfingsten sei eine Generalprobe gewesen. Christamaria Meyer-Püggens Erbe soll zum Hansetag noch einmal vorgeführt werden : am Sonnabend um 15 Uhr. Wo genau, werde noch bekanntgegeben.

Dichtes Gedränge auch vor dem Schulhaus. Sobald Birte Giese aus Ellenberg das Schulhaus betrat, war sie " Fräulein Sensenschmidt, 35 Jahre, natürlich ledig ". Und so verhielt sich das auch mit den Besuchern. Sie erhielten Namenskärtchen und wurden zu Schüler " Gertrud ", " Hans " oder " Dorothea ". Die historische Schulstunde konnte beginnen. Fräulein Sensenschmidt sagte erst einmal an, was ihr wichtig war : Gehorsam, Ordnung, Fleiß und Sauberkeit. Tipptopp gewaschene Hände und ein sauberes Taschentuch. Und das kontrollierte sie auch gleich. Entsprechend einer Schulstunde am 11. Mai 1908 prüfte sie das Wissen über den deutschen Kaiser, die Bedeutung von Pfingsten, das kleine und das große Einmaleins. Und was passierte mit den Schülern, die nicht gehorchen ? Zur Bestrafung wurden neben dem Rohrstock auch Holzscheite eingesetzt, erzählte Fräulein Sensenschmidt. Darauf mussten sich die Schüler mit den Knien aufrecht hocken und verweilen.

Die Reeperbahn brachte Bernd Heitmann für einen Tag mit nach Diesdorf. Und der Pinneberger freute sich, das viele verblüfft fragten : Wie Reeperbahn ? " Mit der Reeperbahn ist die Straße gemeint, in der die Seiler oder die Seilschläger ansässig sind. Reep ist plattdeutsch und bedeutet Seil ", klärte er auf. Auf der bekannten Hamburger Reeperbahn sind einst drei Reepschläger tätig gewesen. Dies sei auch die einzige Stadt, wo parallel zur Reeperbahn eine Seilerstraße laufe. Sein Wissen gab Bernd Heitmann gern weiter. Und die Besucher hörten ihm gern zu und fertigten sich nebenher selbst ein Seil. Ganz begeistert bei der Sache war unter anderem Brigitta Dubslaff aus Stendal. Denn wie sich im Gespräch der beiden herausstellte, hatte ihr Urgroßvater im Schadewachten eine Seilspannerei. Und während Bernd Heitmann und Brigitta Dubslaff am einen Ende der Reeperbahn nett plauderten, stand am anderen Ende Tochter Susanne. Sie hatte ihr den Ausflug ins Freilichtmuseum übrigens zum Muttertag geschenkt. Der Mutti gefiel es, und sie hatte auch sichtlich ihren Spaß.

Mehr zum Pfingstwochenende im Freilichtmuseum Diesdorf lesen Sie in einer unserer nächsten Ausgaben.