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Gemeinschaftswerk zur 1075-Jahrfeier ist erschienen / Wenige Exemplare sind noch da Schwurstein, Männes Galeere und Handball: Glinde schreibt ein Heimatbuch

Von Thomas Linßner 11.01.2013, 02:21

"Glinde - Unser Dorf am Strom" heißt ein repräsentatives Buch, das anlässlich des 1075-jährigen Bestehens der Gemeinde erschien. Das reich bebilderte Werk ist ein geschichtlicher Abriss, der auf Augenzwinkern nicht verzichtet.

Glinde l Das Buch beginnt mit der Ortsgründung vor über tausend Jahren und endet mit Heiterkeit.

Quasi die Vereinigung von Geschichtsbewusstsein und Frohnatur. Was so recht zu Glinde passt.

Aber wieso lastet sich ein 277-Seelendorf die anspruchsvolle Bürde auf, ein 136-Seiten-Buch zu erarbeiten? Uwe Sevecke, Mitglied des Autorenteams, erinnert sich an die Anfänge: "Grund war die 1075-Jahrfeier. Anfangs wurde noch die Neuauflage des Heftes von 1992 diskutiert, aber schnell verworfen." Damit meint er eine 27-seitige Broschüre, die vor 20 Jahren von Ortschronist Walter Schüler erarbeitet wurde.

Wie Ortsbürgermeister Norbert Langoff in der Einleitung schreibt, sollte ein Werk entstehen, in dem "Historie und auch die jüngere Vergangenheit" jenes Dorfes dargestellt wird, "auf das man stolz" sei.

Also eine Chronik.

"Nein, diesen Anspruch erheben wir nicht. Das ist mehr ein geschichtlicher Abriss", erklärt Sevecke.

Es wurde ein Autorenteam gebildet, in dem auch die Neu-Glinderin Astrid Mewes mitarbeitete. Sie zog 2007 mit ihren Druckmaschinen und Computern von Gnadau nach Glinde. "Es kam eine Menge Material zusammen, das gesichtet und selektiert werden musste", sagt die Fachfrau.

Das Buch beginnt mit der Ortsgründung vor über tausend Jahren, hält sich aber nicht allzulange mit Burgwall, Bischofssiegel und Schwurstein auf. Der "Urschleim" ist schließlich ausführlich in Walter Schülers Heft von 1992 dargestellt.

Pfarrer Eckardt hatte Huddeleien mit den Raniesern

Interesse weckt das Kapitel "Fährstellen": Letzter Betreiber zwischen Glinde und Ranies war nach dem Krieg Männe Schmidt. Der Bürgermeister (33 Jahre im Amt) hatte seinen löchrigen Kahn aus Sparsamkeitsgründen mit Kaltanstrich gestrichen. Zitat: "Männe erregte mit seiner \'Schwarzen Galeere\' immer beträchtliches Aufsehen, wenn er auf der Elbe auftauchte."

Derartige Kommentare von Zeitzeugen sind das Salz an der Suppe.

Natürlich spielen Hochwasser im Dorf am großen Elbebogen eine besondere Rolle. Berichtet wird über die "Wassernot" von 1845, die im Kirchenbuch beschrieben ist. Hierbei machte sich die Glinderin Anneliese Seidel verdient, die den handschriftlichen Text "übersetzte". Es folgen Hochwasser 1876, 1987 und 2002.

Wie Uwe Sevecke sagt, sei man stolz auf so manche Rechercheleistung. So werden alle in Glinde tätigen Pastoren seit 1533 (!) lückenlos aufgeführt. Dabei sind die Zusätze interessant: Pfr. Johannes Michaelis stirbt 1598 an der Pest, sein Nachfolger Johannes Eckardt hat Huddeleien mit den Raniesern, die ihm das Quartalsgeld verweigern.

Recht umfangreich sind die Kapitel "Landwirtschaft" und "Handwerk" dargestellt. Zu letzten werden im weiteren Sinne auch die Gasthäuser gezählt. Wir lesen, dass im Saal des "Goldenen Stern" im Zweiten Weltkrieg Gefangene eingesperrt, die Konkurrenz vom "Goldenen Anker" mit einem Werbeschild am Damm die Wasserwanderer der Elbe anlockte.

Weiterhin greift das Buch Themen wie Lichtmess, Feuer- und Wasserwehr, Sport, Vereine, Jagd oder Bibliothek auf.

Am Ende hat Heimatdichter Walter Schüler das Wort. Abgedruckt sind einige seiner heiteren Gedichte, die auf humorvolle Weise Glinder Zeitgeschehen festhalten. Das beginnt beim Schlachtefest (... nämlich so ein Fleischbeschauer untersucht das Fleisch genauer, denn er will an den Trichinen schließlich auch sein Geld verdienen ...) und endet mit der pfiffigen Hühnerepisode des Fritze Moratz. Ein Schelmenstück, wie es weiland Wilhelm Busch zum Comic inspiriert hätte.

In Sachen Chronik-Anspruch braucht "Glinde - Unser Dorf am Strom" sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Für den geschichtlichen Teil werden sämtliche Quellen ausgewiesen.

Ein Buch, das Spaß macht.

Von den gedruckten 200 Exemplaren sind noch 35 da. Bei Bedarf ist eine Nachauflage nicht ausgeschlossen.

Infos: Uwe Sevecke, Telefon (039298) 27033