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Vor 20 Jahren vernichteten acht Brandsätze im Grundbucharchiv rund 400 Aktenmeter / Ostelbisch autonome Gruppe bekannte sich Schloss Barby: Brandanschlag nie aufgeklärt

Von Thomas Linßner 29.04.2013, 03:31

Vor 20 Jahren schlugen Flammen aus dem Grundbucharchiv für die ostdeutschen Länder im Schloss Barby. Zu dem Anschlag bekannte sich eine "ostelbische autonome Gruppe". Die Täter wurden bis heute nicht ermittelt.

Barby l Justizminister Walter Remmers (CDU), der an jenem Sonntag, 25. April 1993, vormittags mit dem Hubschrauber auf dem Elbwerder landete, hatte sofort eine Vermutung: "Vielleicht war es jemand, der gegen das Prinzip Rückgabe vor Entschädigung ist." Diese These steht bis heute im Raum.

Wenig später fand die Polizei acht Brandsätze: Die Unbekannten zündeten vier von Hand und vier elektronisch. Obwohl drei Wachleute das Gelände im Auge hatten, entkamen die Täter. Das Grundbucharchiv verfügte weder über Alarmanlagen noch Brandmelder.

Täter besaßen hervorragende Ortskenntnis

Schnell stand fest: Die Täter besaßen hervorragende Ortskenntnis; der Anschlag wurde von langer Hand vorbereitet.

Um 5.16 Uhr rissen Sirenenton und Funkalarmempfänger die Kameraden der Barbyer Feuerwehr aus dem Schlaf. Eine Minute zuvor hatten Mitarbeiter des zivilen Wachschutzes einen Brand im Nordflügel des Schlosses gemeldet. Wenig später waren fünf freiwillige Feuerwehren viereinhalb Stunden im Einsatz, um den Brand unter Kontrolle zu bringen.

400 der insgesamt 13000 laufenden Akten-Meter wurden von Feuer und Löschwasser beschädigt. Zwei Hundertschaften der Bereitschaftspolizei Magdeburg baute Zelte auf, um die ausgelagerten Akten zu sichern. Ein ungewöhnliches Bild bot sich unweit davon: Erschöpfte Helfer saßen auf den bis dahin so sorgsam gehüteten Grundbuchakten, um ihre Erbsensuppe zu löffeln.

Das Grundbucharchiv Barby war 1993 Dreh- und Angelpunkt für die Klärung der Eigentumsverhältnisse in den neuen Ländern. Wer in Ostdeutschland Anspruch auf altes Vermögen erhob, benötigte Auskünfte in Barby. Die Wartezeiten für einen Einsicht-Termin dauerten mehrere Wochen.

Der Anschlag auf die "Schatzkammer für Alteigentümer" (Süddeutsche Zeitung), in der vier Fünftel aller Grundbücher und Grundakten der ehemaligen DDR lagerten, schreckte damals die Justizminister im Osten auf: Sie fürchteten, der Anschlag von Barby könnte Nachfolgetäter anstiften.

Kriminalhauptkommissar Knut Petsche leitete die einberufene Sonderkommission. Mehr als zehn Soko-Beamte arbeiteten fieberhaft an der Aufklärung dieser Straftat. Eingeschaltet waren auch das Landes- und Bundeskriminalamt.

Eine Woche nach dem Anschlag gab sich Knut Petsche noch optimistisch: Er gehe davon aus, dass die Täter ermittelt werden. "Arbeitsweise und -methoden der Soko - er hat bereits mehrere mit Erfolg geleitet - würden zur Aufklärung führen", diktierte er vor 20 Jahren einem Volksstimme-Reporter in den Block.

Wer hinter der "ostelbischen autonomen Gruppe" steckte, wer die Brandsätze legte, wurde bis heute nicht ermittelt.

Die Karlsruher Bundesanwaltschaft zog die Ermittlungen wegen des terroristischen Hintergrunds an sich. Sie ging davon aus, dass in Barby erstmals militant linke Ostdeutsche zuschlugen.

Der "Spiegel" dazu: "Darauf deuten ... vor allem, für die alte DDR-Gesellschaft typische, antifaschistische Skrupel hin: In dem Bekennerbrief heißt es: ¿Dass auf Schloss Barby auch die Akten, die die Arisierung jüdischen Besitzes während der Nazizeit dokumentieren, lagern, war für uns ein großes Problem.\'"

Nach dem Anschlag wurden die Sicherheitsmaßnahmen deutlich verbessert. Heute wirkt die Ostseite des Schlosses mit ihren Stacheldrahtrollen wie ein Strafvollzug.

Im September 2007 brannte es im Nordflügel erneut. Doch dieses Mal war das Feuer durch Handwerkerarbeiten ausgelöst worden.