1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Dramatischer Einsatz: Retter bringen Rehkitz und zwei Hunde in Sicherheit

EIL

Leser berichten aus Schönebeck und Breitenhagen von der Befreiung von Tieren Dramatischer Einsatz: Retter bringen Rehkitz und zwei Hunde in Sicherheit

Von Olaf Koch und Ulrich Meinhard 12.06.2013, 01:19

Nicht nur für Mensch, sondern auch für Tier sind die derzeitigen Evakuierungsmaßnahmen Stress. Die Volksstimme recherchierte vier Beispiele aus Schönebeck und Breitenhagen.

Schönebeck/Breitenhagen l Nicht nur Menschen, auch die Tierwelt ist zum Teil von der Flut überrascht worden. Die Medien berichteten in den vergangenen Tagen unter anderem über Rehe, die in den Wassern zu ertrinken drohten. Ganz plötzlich ist auch Zaur Jalilov zum Lebensretter geworden. Und das kam so: Der Schönebecker war auf Grünewalder Seite mit seinem Auto unterwegs, als er eine kleine Menschengruppe am Straßenrand erblickte. Die Passanten beobachteten, wie sich ein Rehkitz mit viel Mühe über Wasser hielt. Aber niemand von den Umstehenden wagte sich zu dem Tier hin.

Jalilov überlegte nicht lange, streifte schnell die Schuhe ab und watete hinein. "Ich konnte da nicht einfach stehen und zugucken. Ich dachte mir nur, dass ich helfen muss, auch einem Tier. Das Wasser war sehr kalt und ging mir bis zur Brust", beschreibt er die Situation. Das Unterfangen war indes kein leichtes. Das völlig verängstigte Kitz suchte sein Heil in der Flucht vor dem Menschen und strampelte nur weiter hinaus. Jalilov holte es schließlich ein und musste beim Rückweg die Strömung überwinden und das strampelnde Bambi irgendwie bändigen. Es gelang schließlich. Doch was nun? Wohin mit dem Rehkitz?

Es mag eine originelle Fußnote sein: Der Lebensretter betreibt einen Döner-Stand an der Calbeschen Straße. Doch in den Drehspieß kommen traditionell Kalbfleisch, Rindfleisch und Putenfleisch. Und so soll es auch bleiben, lässt Jalilov keinen Zweifel an der Rezeptur und selbstverständlich an den lebensmittelrechtlichen Gesetzen. Natürlich sah er das Kitz nicht als zugelaufene Zutat an. Doch niemand fühlte sich für das Tier zuständig. "Ich habe die 112 angerufen. Die Polizei sagte, ich soll es wieder laufen lassen. Aber wo, ins Wasser? In die Stadt?", fragte sich der Schönebecker und fand keine Lösung.

Tippeltappeltour mit dem Kitz unterm Arm

Die Beamten ließen sich auch von der Schilderung nicht weiter beeindrucken, dass Jalilov im Auto mit der linken Hand das Kitz festhielt und mit der rechten das Fahrzeug steuern musste. Es folgte eine telefonische Tippeltappeltour durch die Institutionen. Naturschutz? Tierheim? Magdeburger Zoo? Die hatten mit sich zu tun, sind außerdem nicht zuständig. Schließlich erklärte sich die Magdeburger Tierklinik bereit, das Rehkitz vorerst aufzunehmen. "Es war total ausgehungert und sehr schwach", beschreibt Jalilov den Zustand des Tieres. "Ich habe meine Adresse dagelassen. Schließlich bin ich angerufen worden. Man teilte mir mit, dass das Rehkitz zum Heimattiergarten auf den Bierer Berg kommt."

"Es war voller Zecken, bestimmt 40 bis 50", berichtet Matthias Willberg, der Leiter des Heimattiergartens. So bekommt der kleine Zoo also einen Neuzugang? "Nein. Das ist nicht vorgesehen. Wir haben gar kein Gehege für Rehe. Außerdem sind sie sehr scheu, selbst in Gehegen, und lassen sich von Besuchern nur ungern beobachten. Das Rehkitz ist bei mir zu Hause, meine Frau zieht es mit der Flasche auf", klärt Willberg auf. Er schätzt das Tier auf ein Alter von etwa zwei Wochen. "Wir wollen es wieder frei lassen, wenn es groß genug ist", sagt er. Deshalb wollen die Gasteltern so wenig wie möglich Vertrautheit zu dem Kitz zulassen, da es sonst zu viel Nähe zum Menschen entwickelt und in der freien Wildbahn wohl nicht mehr zurechtkommen würde. Aber einen Namen hat das Tierchen bereits erhalten: Abbygale, ein Mädchen also.

Übrigens: Viele Bürger, die vom Hochwasser betroffen sind, haben ihre Haustiere - wie Papageien und Wellensittiche - in Herberge auf den Bierer Berg gegeben. Denn eines ist ihnen dort oben garantiert sicher: trockene Füße.

Doch nicht immer gehen Tiergeschichten in diesen Tagen so glimpflich aus wie jene mit dem Rehkitz. Vor allem in den evakuierten Gebieten Breitenhagen, Klein und Groß Rosenburg, wo die Menschen, die am Wochenende zur Evakuierung aufgerufen waren, nicht nur Hab und Gut zurücklassen mussten, sondern manchmal auch ihre geliebten Zwei- und Vierbeiner.

So berichtete Christian Jung, Flussbereichsleiter des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft, fast den Tränen nah, von einem älteren Mann, der in Breitenhagen seine Hühner zurücklassen musste. "Es war wirklich fürchterlich mit anzusehen", erinnert sich Christian Jung.

Demnach schaffte der Rentner sein Federvieh in die oberste Etage des Hauses, in der Hoffnung, dass die Tiere dort trocken stehen. Doch die Bundespolizei drängte. "Der Mann wollte dann noch Wasser nach oben stellen, doch im barschen Ton wurde der Mann angefahren, sofort zu evakuieren", so Jung. Weinend stieg der Mann ins Boot - um dann dort noch 45 Minuten auf die Abfahrt zu warten. Was aus den Hühnern geworden ist, ist unklar.

Hunde warteten auf ihre Herrchen und Frauchen

Auch zwei dramatische Hunderettungen musste Christian Jung vor wenigen Tagen miterleben. Offenbar waren die Menschen überfordert, brachten zunächst ihr Sack und Pack in trockene Gebiete, um später wieder zurückkehren zu wollen. Anschließend muss die Bundespolizei ihnen aber verboten haben, erneut in das Sperrgebiet zu fahren.

So eine Vermutung.

"Als wir in Breitenhagen an einem Haus vorbei kamen, hörten wir einen Hund jaulen", erinnert sich Christian Jung. Retter verschafften sich Zutritt und holten den völlig verängstigten Vierbeiner aus dem Haus, das teilweise schon unter Wasser stand.

Was Christian Jung auch nicht kalt ließ, ist die Rettung eines großen, gepflegten Weimaraners. Als er der Volksstimme über den Hund berichtet, zittert seine Stimme vor Aufregung. "Dieses schöne Tier war an einem Wohnwagen angebunden. Wenn das Wasser dort noch schneller gestiegen wäre, wäre der Hund jämmerlich ersoffen", berichtet er.

Leider ist die Geschichte mit den beiden geretteten Hunden noch nicht gut ausgegangen. Der Grund: Während der Rettungsaktion verlor sich sozusagen die Spur der Vierbeiner. Die Volksstimme möchte gern wissen: Wo sind die Hunde? Haben Mensch und Tier wieder zusammengefunden?