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Groß Rosenburger Rühlmann-Orgel wird für 51000 Euro restauriert / Verbogene Pfeifen müssen gerichtet werden Schräge Orgeltöne gehören bald der Vergangenheit an

Von Thomas Linßner 20.09.2013, 03:06

Weihnachten soll sie wieder erklingen, die alte Rühlmann-Orgel der Groß Rosenburger Kirche. Gegenwärtig erfährt sie, zerlegt in alle Einzelteile, eine aufwändige Restaurierung. Kostenpunkt: 51000 Euro.

GroßRosenburg l Wissen Sie, liebe Leser, was ein Kalkant ist? Nein? Dann kennen Sie auch keinen Kalkanten-Zug.

Doch der Reihe nach. Balgtreter war früher ein Helfer, der bei Orgeln durch das Bedienen der Bälge die Luftversorgung des Instruments sicherstellte. Dabei hielt er sich mit den Händen an zwei Holzstangen fest, um kraftvoll mit dem Füßen den Balg zu treten, um ihn mit Luft zu füllen. So wie man es beim Camping mit der "Schildkröte" machte, um die Luftmatratze aufzublasen.

Damit sich bei einsetzendem Spiel ausreichend Luft in der Windlade befand, gab es einen "Kalkantenruf". Der bestand aus einem Glöckchen, das der Organist vom Spieltisch über ein Seil betätigte. Wenn es bimmelte, wusste der Treter, dass bald Luft gebraucht wurde.

Durch Mangel an Wind entstehende Ton- und Lautstärkeschwankungen gehören seit dem Einsatz von Elektromotoren der Vergangenheit an, die die Arbeit des Kalkanten etwa seit den 1920er Jahren übernehmen.

Auf dieses vergessene Detail machte Andreas Lange aufmerksam, der zum vierköpfigen Trupp der Salzwedeler Orgelbauwerkstatt Jörg Dutschke zählt. Gegenwärtig repariert er den Doppelfaltenbalg, der (die Fachleute mögen diesen trivialen Vergleich verzeihen) wie eine Ziehharmonika wirkt und mit neuem Schafsleder versehen wird.

Und noch etwas Interessantes entdeckt man im stillen Kämmerlein hinter der Orgel: Dutzende Luftverantwortliche haben sich hier über Generationen verewigt. Hier war man unbeobachtet, wenn ein paar Meter weiter Gottes Wort verkündet wurde oder Bachs Toccata durch die Kirche donnerte.

In alle Einzelteile zerlegt

Nach Einschätzung der Orgelbauer sollen die Arbeiten bis Weihnachten abgeschlossen sein. Derzeit ist die Rosenburger Rühlmann-Orgel in all ihre Einzelteile zerlegt. Stellvertretend für seine Kollegen gesteht der Salzwedeler Guido Bahlke, "Rühlmann-Fan" zu sein. Eine Faszination für einen Konstrukteur, die auch Organisten wie der Brite Paul Derrett teilt, der auf der Barbyer Rühlmann-Orgel zwei furiose Konzerte gab.

Besonders klangschön

Groß Rosenburgs Orgel wurde 1895 von der namhaften Werkstatt Wilhelm Rühlmann unter der Opuszahl 170 in Zörbig gebaut. Sie hat 27 Register, rund 1500 Pfeifen und gilt als "besonders klangschönes Instrument". Die Gemeinde hatte bereits vor 11 Jahren wegen einiger "kleiner Macken" für die Reparatur eine Spendensammlung angeschoben. In einer Voruntersuchung wurde dem Instrument ein "verhältnismäßig guter Zustand" bescheinigt, aber infolge mangelnder Pflegemaßnahmen schleichende Schäden attestiert: Verschmutzung, Anobienbefall, defekte Membranen, verschlissener Doppelfaltenbalg.

Auch einige Pfeifen seien "stark deformiert". Sie seien "regelrecht umgebogen", was den Gutachter verwunderte. Möglicherweise seien sie durch ein Tier verursacht worden.

Solche Dinge verursachten in der Vergangenheit im direkten wie übertragenen Sinne schräge Töne. Die Männer aus Salzwedel werden sie beseitigen, sodass Rosenburgs Rühlmann wieder blitzsauber klingt.

Wie Pfarrer Ulf Rödiger sagt, kalkulierte man 44000 Euro für Reparatur ein. Dann zeigte sich aber, dass auch der "Spieltisch", jenes Teil mit Manual und Pedal, ebenfalls Sanierungsbedarf hat, der 7000 Euro kosten würde.

Deswegen war die Gemeinde am Mittwoch sehr erfreut, als die Salzlandsparkasse 5000 Euro aus dem PS-Lotteriespar-Erlös sponserte. Sparkassen-Vorstand Hans-Michael Strube unterstrich bei dieser Gelegenheit, dass die Sparkasse kein Unternehmen sei, wo Gewinne den Aktionären zufließen, sondern der Allgemeinheit zugute käme. "Kein Euro Gewinn darf den Salzlandkreis verlassen", fasste Strube zusammen.

Oft sind Gemeinden überfordert

Im Landkreis ist nicht mehr jede Kirchenorgel bespielbar. Ruhe herrscht beispielsweise in Werkleitz, Großmühlingen,Zuchau und Breitenhagen. Oft sind die Gemeinden hoffnungslos mit den aufwendigen Reparaturen überfordert.

In den vergangenen Jahren gibt es aber auch gute Beispiele von Sanierungen. So in Schönebecks Jakobi- und Bad Salzelmens Johanniskirche oder in der Barbyer Marienkirche, wo ebenfalls eine Rühlmann-Orgel grundsaniert wurde.