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Was die Bauakten nicht mehr erzählen können, erhellt jetzt eine Balkeninschrift Zufallsfund beweist: "Torhaus" wurde 1777 errichtet

Von Thomas Linßner 22.10.2013, 03:06

Bisher unklar war das genaue Alter eines Hauses in Barbys Breite, das vor wenigen Tagen abgerissen wurde. Ausgerechnet ein Brennholzsammler fand jetzt den entscheidenden Hinweis.

Barby l Das Haus Breite 2 im Herzen der Elbestadt Barby existiert nicht mehr. Mehrere Tage lang wurde es von einer Fachfirma abgerissen. Dabei musste darauf geachtet werden, dass Materialien wie Holz und Stein getrennt in die Container kamen.

Gegenüber wohnt Heinz-Günter Wesemann, der den Abriss aus dem Stubenfenster verfolgte. "Ich habe aufgepasst, als der Schutt getrennt wurde und es mit dem Holz los ging", sagt er. Dann habe er die Bauleute gefragt, ob er sich ein paar Stücken weg holen kann. Denn Wesemann hat noch Ofenheizung. "Die waren auch ziemlich kooperativ und erlaubten es mir."

Im Mittelflur fiel dem Wahl-Barbyer dann ein Türsturz auf, der anders als das übrige Fachwerk aussah. Auf dem gezapften Kantholz zeigt sich deutlich die Jahreszahl 1777. Sie war überputzt gewesen, so dass sie erst infolge der Abrisserschütterungen sichtbar wurde. "Das ist doch toll", zeigt Heinz-Günter Wesemann auf das Kiefernholzstück, "das hebe ich gut auf. Für den Ofen ist das viel zu schade."

Die Zimmerleute schlugen "A 1777" (A steht für Anno, also Jahr) in das Kantholz, um spätere Generationen an das Hausbau-Datum zu erinnern. 236 Jahre lang war die Zahl nicht zu sehen, weil sie Kalkputz und Tapete überdeckte.

"Das ist doch toll. Dieses Kiefernholzstück hebe ich gut auf. Für den Ofen ist das viel zu schade."

Aus den Bauakten des Barbyer Stadtarchivs geht nicht genau hervor, wann das Haus Breite 2 errichtet wurde.

Die Altersbestimmung ist um so bemerkenswerter, da das Gebäude zwei schwere Stadtbrände überstand. Nur wenige Schritte entfernt brach in der "Straße hinter dem Amthofe", wie man damals sagte, am 14. Juli 1791 ein Schadfeuer aus. Innerhalb von zwei Stunden waren die gesamte Gasse und noch einige Häuser "vor dem Breiten Tore" in Schutt und Asche gelegt. Kurz danach nannten die Barbyer den Straßenzug Brandgasse, wie bis heute die offizielle Bezeichnung lautet.

Schlimmer noch kam es im August 1798, als ein Großteil der Innenstadt abbrannte. 68 Wohnhäuser inklusive der Nebengebäude wurden damals Raub der Flammen. Das Feuer wütete unter anderem auf dem Marktplatz und auch wieder in der Brandgasse - um das Haus Breite 2 machte es auf wundersame Weise einen Bogen. Derweil auf dem Marktplatz - einige Haustafeln künden davon - mehrere Neubauten entstanden, blieb die Breite 2 unversehrt.

Begriff "Torhaus" verweist auf ein Stadttor

Das Gebäude zählte am Ende zum kommunalen Wohnungsbestand der Stadt. Nach jahrelangen Versuchen, das leer stehende Haus abzureißen, gab die Denkmalpflege im Sommer 2013 grünes Licht dafür. Wie es hieß, soll die so gewonnene Fläche perspektivisch der Erweiterung des angrenzenden Parkplatzes dienen.

An dieser Stelle stand vermutlich mal ein Stadttor, wie Heimatforscher Günter Zenker heraus bekam. Deswegen "sprang" das Gebäude auch aus der Häuserflucht. In Fachkreisen sprach man auch vom "Torhaus".

Bei Abwasserverlegearbeiten stießen Bauarbeiter vor der Breite 2 im November 1995 auf mittelalterliche Fundamente, die durch ihre Gewölbeform auffielen. Es loderte sofort die Legende vom Geheimgang auf, der sich quer durch Barby ziehen soll. Doch waren es nur die Reste einer Brückenwölbung, wo die heutige Breite Straße von einem Graben unterquert wurde.

Innerhalb der Stadtmauer gab es vor Jahrhunderten mehrere Teiche, die Verbindung mit der Elbe hatten. Dieser Graben entwässerte den Schafteich (zwischen Post- und Brandgasse) und den Amthofteich.