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  7. Den wertvollen Glockenschatz von Calbes St.-Stephani-Kirche wieder hörbar machen

Läutwerk des Gotteshauses wird einer großen Kur unterzogen / Auch Neugüsse sind vorgesehen Den wertvollen Glockenschatz von Calbes St.-Stephani-Kirche wieder hörbar machen

Von Andreas Pinkert 25.10.2013, 03:12

Eine Glocke ist es lediglich, die täglich um 18 Uhr oder zu den Gottesdiensten im Südturm der großen St.-Stephani-Kirche läutet. Jetzt gibt es Pläne, nach denen fünf weitere Glocken zum Klingen gebracht werden sollen. Im ersten Quartal 2014 werden Gerüste für den ersten Bauabschnitt gestellt.

Calbe l Nach einer Begutachtung kommt selbst der promovierte Glockensachverständige Mathias Köhler vom Landesamt für Denkmalpflege regelrecht ins Schwärmen: "Mit drei mittelalterlichen und einer renaissancezeitlichen Glocke verfügt die Stadtkirche in Calbe über einen weit überregional bedeutsamen kunstgeschichtlichen, kulturhistorischen, liturgiegeschichtlichen und musikalischen Schatz. Dazu kommen noch die grandiosen Glockenstühle, wohl barocken Ursprungs, abgezimmert in Form eines Kastenverbandes. Sie dürfen aufgrund ihrer guten Erhaltung geradezu als Musterbeispiele dieser Gattung angesprochen werden." Sein Gutachten bescheinigt dem Geläut an sich allerdings einen ungenügenden Zustand.

Warum haben alle vorhandenen Glocken gleichen Schlagton?

Damit rückt eine besondere Baustelle in den Mittelpunkt, die hoch über den Dächern der Saalestadt liegt und bislang nur wenig Beachtung fand. Auch die Mitglieder des Bauauschusses mussten Anfang der Woche bei der Frage passen, wie es um die Glocken von St. Stephani wirklich bestellt ist. Susanne Giest und Liane Hilfert von der evangelischen Kirchgemeinde informierten im städtischen Gremium darüber, welche Maßnahmen am Geläut der St. Stephani-Kirche vorgesehen sind. "Das Projekt war innerhalb des Gemeindekirchenrates umstritten", sagte Susanne Giest. Angesichts zahlreicher Baustellen in St. Stephani liege die Priorität einer Geläutsanierung nicht unbedingt auf dem ersten Platz.

Der Status quo ist folgender: In der Stephanikirche befinden sich derzeit vier Glocken. Zwei Exemplare hängen im Südturm. Davon ist lediglich nur eine läutbar, die andere weist massive Schäden auf und wartet auf eine Restaurierung. Zwei weitere Glocken sind im Kirchenschiff in der Nähe des Eingangs abgestellt. Im Nordturm hängt derzeit keine Glocke.

Nach intensiven Diskussionen innerhalb des Gemeindekirchenrats hatten sich die Mitglieder für eine Maximalvariante entschieden, die in zwei Bauabschnitten realisiert werden soll. Nur bei dieser Variante könne ein Geläut aus mehreren Glocken hörbar gemacht werden, fasst Susanne Giest die Entscheidung zusammen. Der erste Bauabschnitt soll im ersten Quartal 2014 beginnen. Dabei wird im Südturm ein Dreiergeläut aus der vorhandenen Altglocke, die in der schwäbischen Glockenschweißerei Nördlingen restauriert wird, sowie zwei neuzugießenden Glocken installiert. Wie lang die Arbeiten dieses Bauabschnitts andauern, sei noch nicht abzusehen.

Denkmalpflege: Neuguss von Glocken ist kein Luxus

Christian Schulz, Glockensachverständiger beim Landeskirchenamt, unterstreicht, dass bei den Arbeiten zudem die vorhandenen Joche an den Glocken aufgearbeitet werden müssen. Dazu komme die Anfertigung von nachspannbaren geschmiedeten Beschlägen und Klöppeln nach mittelalterlichen Formen, die an langen Lederschlaufen aufzuhängen sind.

Beim einem zweiten Bauabschnitt, so sehen es die Pläne vor, sollen im Nordturm dann die restlichen drei Alt-Glocken ihren Platz finden. Alle Bauabschnitte beinhalten immer die Restaurierung der Glockenstühle und der Glockenstuben.

"Einen Kölner Dom werden wir nach der Instandsetzung nicht bekommen, aber der Klang wird der Größe und Bedeutung unserer Kirche weitaus angemessener sein als heute", sagt Susanne Giest. Die Calbenserin möchte durch ihre Information auch die Stadt mit im Boot wissen, schließlich flossen 75 000 Euro aus dem Erlös des Krankenhausverkaufs in diesen Bereich. Nach Ansicht der Denkmalpflege stellen die Glockenneugüsse aus denkmalpflegerischer Sicht keinen Luxus dar.

Angesichts des heutigen Glockenbestandes stehen Experten vor einem Klang-Rätsel: Die vorhandenen Glocken haben alle nahezu den selben Schlagton, könnten also nur jeweils einzeln geläutet werden. Bislang können dazu nur Vermutungen angestellt werden. Sicher scheint, dass im Mittelalter jede Glocke zu einem bestimmten Anlass geläutet wurde und die Menschen die Glockentöne sehr wohl unterscheiden konnten. Glockentöne weisen in sich nochmals pro Ton 16 Unterstufen auf. Konnten Menschen vergangener Jahrhunderte differenzierter hören als heute?