1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Marodes Relikt der Tuchmacherei muss bald weg

EIL

Awo will als Eigentümer das einstige Verwaltungsgebäude der Wolldeckenfabrik an der Bernburger Straße abreißen Marodes Relikt der Tuchmacherei muss bald weg

Von Andreas Pinkert 17.03.2014, 02:18

Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) will als Eigentümer die marode Villa des einstigen Tuchfabrikanten Johann Christoph Nicolai abreißen. Doch eine teilweise eingestürzte Stützmauer unterhalb der heutigen Seniorenwohnanlage "Saalebogen" macht den Plänen vorerst einen Strich durch die Rechnung. Der Denkmalschutz ist eingebunden.

Calbe l Einst zeugte das repräsentative Gebäude von Wohlstand und Ansehen: Heute sind verwilderte Katzen die einzigen Bewohner des Hauses. Als die Awo als neuer Eigentümer die Villa der ehemaligen Wolldeckenfabrik übernahm, war das denkmalgeschützte Gebäude in einem augenscheinlich sehr schlechtem Zustand. "Decken waren eingestürzt und Schimmel breitete sich im gesamten Haus aus", erklärt Awo-Pressesprecherin Angelika Heiden auf Volksstimme-Nachfrage.

Sanierung des geschützten Gebäudes nicht wirtschaftlich

Da eine Sanierung des Gebäudes angedacht war, sei zunächst ein Gutachten erstellt worden. Damit sollte laut Heiden geprüft werden, ob eine Wiederherstellung des Gebäudes wirtschaftlich vertretbar sei. "Das Gutachten fiel negativ aus", erklärt Heiden weiter. "Die Denkmalschutzbehörde erteilte daraufhin eine Abrissgenehmigung".

Bevor jedoch der Auftrag zum Abriss erteilt werden konnte, ergab sich eine Veränderung in der baulichen Situation der Stützmauer unterhalb der benachbarten Awo-Seniorenwohnanlage "Saalebogen". "Daher ruht momentan der Vorgang", erklärt Angelika Heiden.

Ein starker Regenguss ließ eines Tages die Stützmauer teilweise einbrechen. Der Bereich wurde übergangsweise gesichert und es erfolgten Begehungen und Untersuchungen durch Bausachverständige. "Das Denkmalschutzamt wurde frühzeitig eingebunden", unterstreicht Heiden.

Komplette Neugestaltung von 120 Metern Stützmauer steht an

Da die Stützmauer zum großen Teil ohne Gründung errichtet worden sei, könne aus Standsicherheitsgründen das eingebrochene Stück nicht einfach nur repariert werden.

Vielmehr steht eine komplette Neugestaltung der Mauer zu den Grundstücken unterhalb der Seniorenwohnlage an. Die Standsicherheit ist auf einer Länge von rund 120 Metern nicht mehr gewährleistet. Seit Monaten werde nach Auskunft der Awo-Pressesprecherin gemeinsam mit Bauingenieuren, dem Denkmalschutzamt und in Abstimmung mit den Anwohnern nach einer baulich zufriedenstellenden und gleichzeitig finanziell tragfähigen Lösung gesucht.

Neue Stützmauer würde mehr als eine Million Euro kosten

Dabei sind zwei grundsätzliche Varianten möglich: Entweder der endgültige Abriss mit Abböschung des Geländes oder die Neuerrichtung mit Baumaterialien in Varianten.

Die Neuerrichtung auf der gesamten Länge könne aus wirtschaftlichen Gründen nicht realisiert werden. Eine erste Hochrechnung habe eine Summe jenseits der Eine-Millionen- Euro-Marke ergeben. Damit bleibe nur die Möglichkeit eines Abtragens der Bestandsmauer bis zur einer Höhe, die keine Gefährdung der Standsicherheit mehr nach sich ziehe.

Die Planungen und Berechnungen durch ein Fachplanungsbüro sind zurzeit in Arbeit. Aktuell wird durch die Awo eine Variante favorisiert, die eine Gestaltung mit Böschung in unterschiedlichen Varianten je nach Lage der Grundstücke vorsieht. Dieser Sachstand ist den Anwohnern bei einer Versammlung vorgestellt worden. "Um eine Lösung zu finden, die den Anwohnern möglichst entgegenkommt, findet demnächst eine erneute Begehung mit den Grundstückseigentümern statt", kündigt Heiden an.

Im Fall der Villa kündigte Awo-Landesgeschäftsführer Wolfgang Schuth bereits vor zwei Jahren gegenüber der Volksstimme an, dass bei einem Abriss eine historisch bedeutende Altarplatte vor dem Gebäude nach dem anvisierten Umbau einen würdigen Platz im Awo-Krankenhaus finden und für die Öffentlichkeit mit dazugehörigen Informationen zugänglich gemacht werden soll. Die knapp 900 Jahre alte Altarplatte stammt nach Auskunft von Stadthistoriker Dieter Horst Steinmetz vom Prämonstratenserstift "Gratia Dei". Dieser soll im Jahr 1132 auf der Saaleinsel den Grundstein für eine Hauptkirche des Stifts gelegt haben, die größer gewesen sein soll, als die heutige St. Stephani-Kirche.