1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Auch das gibt es: Schminken-Fasten als Verzicht

Evangelische Sekundarschule Großmühlingen/Barby geht mit nachhaltigen Erfahrungen in die Osterferien Auch das gibt es: Schminken-Fasten als Verzicht

Von Thomas Linßner 14.04.2014, 03:33

Den vorletzten Schultag vor den Osterferien nutzten die 97 Schüler der Evangelischen Sekundarschule Großmühlingen/Barby zu einem ganz besonderen Abend: Sie ließen ihr "Projekt Fasten" Revue passieren, feierten im Pfarrgarten und übernachteten in der Schule.

Großmühlingen/Barby l Beginnen wir mit einer typischen Reporterfrage: Gab es originelle Situationen oder Erkenntnisse der Schüler, als sie mit dem Thema Fasten im Projekt konfrontiert wurden? Schulleiterin Ruth Pakendorf braucht nicht lange zu überlegen: "Da waren zwei Mädchen, die haben Schminken gefastet."

"Schminken gefastet?"

"Ja, Schminken!"

Janina (14) und Lena-Celine (13) brachten es wirklich fertig, morgens den "Tuschkasten" geschlossen zu lassen und ungeschminkt zur Schule zu kommen. Ein gewaltiges Opfer für die Pubertierenden.

"Wir haben das Thema nicht zu eng gefasst", lächelt Ruth Pakendorf. Schließlich biete sich auch Verzicht abseits von materiellen Dingen wie Eis oder Süßigkeiten an. Die Schulleiterin nennt Beispiele: Computer und Fernseher widerstehen, dafür mit den Eltern spazieren gehen, Radfahren oder abends zusammen Spiele machen. Sich Zeit nehmen, für Besuche von Verwandten, den Großeltern oder jenen Menschen, die man mag, aber zu denen man zu wenige Kontakte pflegt.

"Dafür muss nicht immer auf etwas verzichtet werden. Es kann auch bedeuten, mehr für andere da zu sein."

In Elternversammlungen wurde das Thema vor Wochen angekündigt. So ergab es sich, dass alle Familienmitglieder mehr oder weniger einbezogen wurden. Axel Tönnies, Lehrer in der Außenstelle Barby, weiß ein Beispiel. Er beobachtete, wie ein Elfjähriger und dessen Mutter über den Barbyer Markt schlenderten. An der Eisdiele machte die Mutter den Vorschlag, eine Waffel zu kaufen. "Nein, Mutti. Du weißt doch, bis Ostern will ich das nicht", beharrte der Filius wacker. "Auch wenn sie auf ihr Eis verzichten musste: Die Mutter wird stolz auf ihren Sohn gewesen sein, dass der soviel Charakter zeigte", sagt Tönnies.

Wenn es so klingt, als gehe es beim Verzicht lieb gewordener Genussmittel nur um Gewichtsreduktion, Regeneration des Körpers, um Gesundheit und Wohlbefinden, hatte das Großmühlinger Fasten auch noch einen anderen Hintergrund: Sich mehr auf ideelle Dinge zu besinnen. "Dafür muss nicht immer auf etwas verzichtet werden. Es kann auch bedeuten, mehr für andere da zu sein", fasst Ruth Pakendorf zusammen.

Ihre Erfolge und Misserfolge notierten die Schüler täglich in Listen. Derweil Sechstklässler Vincent vom 15. März bis 20. April jeden Tag sein Häkchen bei "weniger Süßigkeiten essen" machte, verzichtete Alice auf Tablet, Tablet, Tablet ..., also den Computer. Siebtklässlerin Gina ist es hoch anzurechnen, dass sie am 25. März ihre Schwester nicht ärgerte, am 10. April keine schlechte Laune hatte ... Die Ergebnisse sollen auch in der Schülerzeitung "Die Kirchenglocke" zu lesen sein. Ein Schüler verrät in seinem Manuskript, wie er mit seinem Vater Fahrrad fuhr. "Die drite Woche hat geklabt. Mein Papa und ich waren sehr erschöbft."

Doch nicht nur das Fasten war ein Thema an jenem Abend: Alle anwesenden Schüler und Lehrer gratulierten herzlich Pfarrer Thomas Lütgert zu seinem 65. Geburtstag. Der Großmühlinger Seelsorger begleitet die Sekundarschule seit Anbeginn. Sichtlich gerührt nahm Lütgert die Glückwünsche entgegen, wobei sich eine lange Schlage bildete. Danach erntete der 65-Jährige stehenden Applaus, dass dem Betrachter warm ums Herz wurde. Eine Mutter brachte es auf den Punkt, als sie ihrer Nachbarin zuraunte: "Das ist Einer für den täglichen Gebrauch!"

Ein schöneres Kompliment kann man wohl einem Pfarrer nicht machen ...

Im lauschigen Pfarrgarten wurde am Fuße der St. Petrikirche anschließend gegrillt: Eltern spendierten leckere Salate, die Schule Würstchen. Je nach Lust und Laune tobten die Kinder herum, bildeten sich Gesprächsgrüppchen. Thomas Lütgert blieb gelassen, weil er nun seine diesjährige Tulpenernte vergessen kann.

Am Ende übernachteten die Fünft- bis Achtklässler im Schulgebäude, wo - wie man sich denken kann - die Nachtruhe um 22 Uhr eher theoretischer Natur war ...