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Schönebecker ärgern sich über gegenwärtigen Leerstand von Geschäften Stadt kann nur dezent steuern

15.07.2014, 01:17

Der eine Einkaufsmarkt eröffnet, der andere schließt. Für Schönebecker oft unverständlich, wie die Stadt das hinnehmen kann. Die Volksstimme sprach dazu mit Wirtschaftsförderer Sven Ellert und Stadtplaner Michael Gremmes.

Schönebeck l "Es ist wohl unschwer zu erkennen, dass die Anzahl der Geschäfte in Schönebeck immer mehr abnimmt", schreibt Reinhard Banse in einem Leserbrief und zählt Beispiele auf: "Der Baumarkt bei Kaufland wird im Juli schließen. Die Drogerie Rossmann in Bad Salzelmen hat ihre Pforten geschlossen, um dafür einen anderen Standort zu stärken. Die Einkaufsmärkte Rewe und Aldi, Barbyer Straße, haben längst geschlossen. Besonders unsere älteren Bürger belastet das, denn auf sie kommen nun längere Einkaufswege hinzu." Der Schönebecker und FDP-Stadtrat fragt sich: Was geschieht nun mit den leeren Räumlichkeiten? Was passiert mit den frei werdenden Arbeitskräften? Wie soll es in Schönebeck weitergehen?

Sven Ellert vom städtischen Amt für Wirtschaftsförderung und Stadtplaner Michael Gremmes verstehen den Ärger der Bürger. Doch Sven Ellert betont: "Das sind unternehmensinterne Entscheidungen, gegen die die Kommune keine gesetzliche Handhabe hat."

Drogeriemärkte haben großen Konkurrenzdruck

Wie solche Entscheidungen zustande kommen, erzählt Ellert am Beispiel von Rossmann: Aufgrund der Schlecker-Insolvenz sei die Drogeriebranche einem starken Konkurrenzdruck unterzogen. Supermärkte haben ihr Drogerie-Sortiment erweitert, der Drogeriemarkt DM ist in Schönebeck neu hinzugekommen. Rossmann bemerkt: zwei dezentrale Standorte - Salzelmen und Söker Straße - funktionieren für uns nicht. Das Unternehmen konzentriert sich auf ein Geschäft mit zentraler Lage - Einkaufszentrum Schillerstraße - und größerem Sortiment.

"Die Stadt Schönebeck habe bei solchen Entscheidungen keinerlei Einfluss", sagt Ellert. Im Idealfall habe jeder Einkaufsmarkt einen Einzugsbereich von 500 Meter. In Schönebeck gebe es auf Grund der hohen Anzahl von Märkten sich überlagernde Einzugsbereiche. Da seien Verdrängungs- und Neustrukturierungsverfahren vorprogrammiert, wissen Sven Ellert und Michael Gremmes. Entscheidend, warum ein Investor sich für einen bestimmten Standort ausspricht, seien Kaufkraft, Bevölkerungs- und Altersstruktur im Einzugsbereich. "Deshalb treten die Unternehmen mit konkreten Wünschen an die Kommunen heran", erklärt der Wirtschaftsförderer und fügt an: "Wir als Stadt müssen mit der Baugenehmigungsbehörde des Salzlandkreises entscheiden, ob das Ansinnen baurechtlich möglich ist. Mehr nicht."

Bei Neubauobjekten laufen die Mietverträge meist über zehn, Folgeverträge über fünf Jahre. "Nach dieser Zeit ist alles frei", so Ellert. Selbst wenn es dann zum Leerstand kommt, hat die Stadt das Nachsehen. "Erst, wenn Gefahr im Verzug ist und das ist bei diesen Immobilien kaum der Fall", merkt Ellert an. Die Stadt hoffe selbstverständlich auf Nachnutzer ohne lange Leerstandszeiten. Und auch der Eigentümer sei bestrebt, sein Objekt neu zu vermieten um Einnahmen zu erzielen, weiß der Wirtschaftsförderer. Meist passiere das über Vermietungs- und Verwaltungsfirmen. "Wir als Kommune haben zu diesen Unternehmen einen guten Kontakt", sagt Ellert. Nun habe sich beispielsweise die Situation im Einkaufsmarkt Calbenser Straße stabilisiert, doch das Marktareal Söker Straße sei ein großes Problem. "Hier braucht es einen neuen Ankermieter, der zieht. Der Eigentümer sucht händeringend nach einer Lösung."

Stadt steht in engem Kontakt mit Unternehmern

Sven Ellert versichert: "Die Eigentümer von Objekten im Stadtgebiet kennen uns. Wir haben alle vier bis fünf Wochen Kontakt. Und zwar nicht nur, dass sie uns über den Stand der Vermietung informieren, sondern auch wir leiten Informationen und Ideen weiter, wenn Standortanfragen eingehen oder Umnutzungen möglich sind. Aber bei allem, was dann folgt, sind wir als Stadt außen vor."

Auch wenn die Stadt nicht direkt in das Kommen und Gehen von Einkaufszentren eingreifen kann, so aber doch indirekt. Und zwar mit Hilfe des Einzelhandels- und Zentrenkonzeptes, das es für Schönebeck gibt. Darauf weist Stadtplaner Michael Gremmes hin. Das Fachgutachten, das vom Stadtrat beschlossen ist, zeigt auf, wo noch Ansiedlungen möglich wären und wo nicht. Oberstes Ziel: Das Zentrum und den zentralen Versorgungsbereich stärken. "Das Konzept hat zwar nicht die Rechtskraft eines Bebauungsplanes, aber es ist auch kein zahnloser Tiger", so Gremmes, "die Stadt muss jeden Antrag anhand der Leitziele prüfen."

Einfluss könne die Stadt dann über die Bebauungspläne nehmen, merkt der Stadtplaner an. Diese können den Neubau von Einkaufsmärkten gezielt steuern. Gremmes erklärt: "Die Kommune kann sich eine Menge wünschen. Im Grundsatz hat jeder Eigentümer Anspruch auf vorhandenes Baurecht. Dies ist in einem Baugenehmigungsverfahren zu prüfen. Deshalb ist jede Kommune gut beraten, wenn sie über Bebauungspläne für bestimmte Bereiche Vorsorge getroffen hat." Somit ist der Landkreis zwar die Baugenehmigungsbehörde. Doch die Stadt könne über das Erteilen des Einvernehmens zur Bauanfrage und über den Bebauungsplan dezent mitsteuern.

Wird Schönebeck in 15 Jahren von Leerstand geprägt sein? "Ich glaube nicht", sagt Sven Ellert. "Eine Marktsättigung und -bereinigung wird es geben. Es kristallisiert sich heraus, welche Standorte sich langfristig tragen werden. Der Edeka-Standort ist zum Beispiel top gewählt." Anders sei es - nicht nur in Schönebeck - mit den Märkten, die sich Anfang der 1990er Jahre auf der grünen Wiese etabliert haben. Es habe nicht lange gedauert und die Bürger hätten gemerkt, dass es sich doch besser in der Stadt leben und einkaufen lässt. Aus dieser Entwicklung habe sich der Standort Schillerstraße herauskristallisiert, so Ellert. "Und das sei gut so", betont Gremmes, denn "es ist durch den Stadtrat beschlossenes und erklärtes Sanierungsziel gewesen, den städtebaulichen Missstand an der Schillerstraße, ehemals Gummiwerk, zu beseitigen".

Fazit: Die Stadt kann mit kleinen Bausteinen wie Bebauungsplan und Einzelhandelskonzept steuern, welche Investoren sich wo ansiedeln. Doch das letzte Wort spricht das Baurecht. Zieht der Mieter wieder aus, ist der Eigentümer in Zugzwang - nicht die Stadt.