1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Steinbutt in klarer Butter zur Feier

Als vor 105 Jahren die Umbauarbeiten der Eisenbahnbrücke endeten, wurde vornehm getafelt Steinbutt in klarer Butter zur Feier

Von Thomas Linßner 20.08.2014, 03:20

Eine besonders bemerkenswerte ingenieurtechnische Leistung war der Barbyer Elbbrückenumbau von 1908/09. Die ausführende Firma Gutehoffnungshütte feierte groß die "Auswechselung des letzten Stromjochs", wozu Honoratioren der Stadt eingeladen wurden.

Barby l "Ich bin auf die Dokumente beim Aufräumen gestoßen, weiß aber nicht, woher sie stammen", beteiligt sich Burkart von Dietze an der Aktion zum Erhalt der Barbyer Elbbrücke. Er vermutet, dass sie aus dem Besitz des Rittergut-Prokuristen Edmund Oswald stammen. Der führte die Geschäfte seines Urgroßvaters und seines Vaters.

Besondere Einweihung

Darunter befindet sich eine persönliche Einladung mit eingedrucktem Foto an Edmund Oswald. Sie wurde anlässlich der "Auswechselung des letzten Stromjochs" versandt. Es muss sich um eine besondere Einweihungsfeier am 30. November 1909 gehandelt haben. Die Elbbrücke war zwei Jahre lang von der "Gutehoffnungshütte" aus Oberhausen (Ruhrgebiet) ertüchtigt worden, wie man heute sagen würde.

Soll heißen: Die Stahlkonstruktion des 756,2 Meter langen Verkehrsbauwerkes wurde 1908/09 vollkommen erneuert. Das geschah deswegen, weil sich die Zahl der Züge deutlich erhöht hatte und auch die rollende Eisenbahntechnik schwerer geworden war. Rund 30 Jahre nach Einweihung der Brücke nahm ihre Erneuerung die selbe Firma vor, die sie aufgebaut hatte.

Wie damals üblich, schickte die Firmenleitung leitendes Fachpersonal nach Barby; für unkompliziertere Arbeiten wurden hiesige Arbeiter befristet eingestellt.

Der Festakt zum Einschieben des letzten Brückenjochs symbolisierte den Abschluss der zweijährigen Arbeiten. Die "Gutehoffnungshütte" ließ in der Barbyer Druckerei Kropp Einladungen drucken, deren Titel ein Originalfoto zierte. Es zeigt die Arbeiten bei Hochwasser der Elbe. Wie viele Bilder im Format 7x10 abgezogen werden mussten - jedes Exemplar wurde per Hand auf der Einladung fixiert - ist unbekannt. Auch, wo die Feier stattfand. Da man von einer größeren Gästezahl ausgehen kann, kommen nur das "Schützenhaus" am Magdeburger Tor und der "Rautenkranz" in Betracht.

Heiter bis fröhlich

Neben verschiedenen Reden wurde im Stile der Zeit der Festakt von Musik umrahmt. Es spricht für die Herren aus Oberhausen, dass das Repertoire weniger patriotisch, sondern eher heiter und fröhlich ausfiel: Ouvertüre "Die Nürnberger Puppe", Walzer aus "Der fidele Bauer", das Potpourri "Die Dollarprinzessin" aus der Operette von Leo Fall. Auch weitere Stücke dieser Stilrichtung legen die Vermutung nahe, dass sich die "Gutehoffnungshütte" ein mittleres Orchester mit mehreren Sängern leistete.

So kann man auch die Speisefolge in mehreren Gängen interpretieren: Königinsuppe, Schinken im Burgunder, Steinbutt mit klarer Butter, Puterbraten, Fürst Pückler-Eis ... Es ging ihnen nicht schlecht, den Deutschen, am Vorabend des Ersten Weltkriegs.

Generatoren an der Nuthe

Weiterhin fand Burkart von Dietze ein handgefertigtes Album mit neun Fotos in A5-Format zum "Umbau der Elbbrücke bei Barby". Gedruckt wurde es von Gustav Ulrich in Leipzig, die handgehefteten Original-Fotos stammen von Bruno Riedel. Der "angesagte" Lichtbildner war Mitarbeiter der "Photographischen Kunstanstalt" Leipzig. Riedels Visitenkarte weist als seine "Specialität" Gruppen-Aufnahmen aus. Mehrfach war er in Barby, reiste mit schwerer Plattenkamera im Gepäck mit dem Zug an. Der Querschnitt seiner Fotos zeigt mehrere Jahreszeiten: Eisgang, Hoch- und Niedrigwasser.

Drittes Dietzesches Fundstück ist ein großformatiges Heft zum Brückenumbau mit technischen Zeichnungen und Abbildungen als Sonderabdruck aus "Organ für Fortschritte des Eisenbahnwesens", Wiesbaden , C. W. Kreidels Verlag 1909. Auffällig sind die verständlichen Erklärungen aller technischen Abläufe, was vergleichbaren heutigen Schriften oft fehlt. So erfahren wir, das Elektrizität nicht aus dem öffentlichen Netz zur Verfügung stand: Konnte sie ja auch nicht, weil Barby erst 1913 an das Stromnetz angeschlossen wurde.

Auf der Ostseite der Elbe tuckerten also zwei Lokomobilen, die Gleichstromgeneratoren antrieben. Zwei elektrische Kräne (7,5 Tonnen Hubkraft) waren Hauptstromverbraucher.

Und was unsere Smartphone-Generation die Kinnlade herunter klappen lassen dürfte: Das Herausschieben eines alten Brückenjochs und gleichzeitiges Hineinschieben des neuen (400 Tonnen) dauerte fünf Minuten!

Da darf man am Ende auch Schinken im Burgunder tafeln ...