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Selbst noch ein wenig krank, lässt 74-Jährige ihre Findeligel schon wieder vom Tierarzt behandeln Lisa ist Mutter Teresa der Igelkinder

Von Thomas Linßner 22.09.2014, 03:19

Wie vielen kleinen Igeln die engagierte Tierschützerin Lisa Telker das Leben gerettet hat, weiß die Barbyerin nicht zu sagen. In den vergangenen 15 Jahren waren es Hunderte. Ihre jüngsten Pensionsgäste sind gerade mal zwei Wochen alt.

Barby l "Ach", fährt sich Lisa Telker durch die Haare, "ich schwitze so, nachher lege ich mich gleich wieder hin." Lisa Telker hat gerade eine Lungenentzündung überstanden. Das sagt die 74-Jährige, als sie Freitagabend vom Arzt kommt.

Vom Tierarzt...

"Der Doktor nimmt nichts dafür, das macht er umsonst, weil es Wildtiere sind."

Dr. Michael Zibolka hat fünf kleine Igel auf dem Tisch, die er per Injektion entwurmt. Die Winzlinge bekommen einen Pieks mit der Spritze, was den Endoparasiten den Garaus macht. Auch Igel werden von diesen Innenschmarotzern befallen. Lisa Telker ist seit 15 Jahren Stammkunde bei Michael Zibolka. Mehrfach in der Saison bringt sie ihre Sorgenkinder zum Entwurmen. "Der Doktor nimmt nichts dafür, das macht er umsonst, weil es Wildtiere sind", sagt die 74-Jährige anerkennend.

Aber was heißt hier eigentlich "ihre Igel"? Die Stachler werden seit Jahren von Leuten aus dem gesamten Kreis zu der Barbyerin gebracht. Die jüngsten fünf Pflegekinder wurden auf einer Pferdekoppel in Groß Rosenburg gefunden. Lisa kriegt dann einen Anruf, dass die Waisen abgeholt werden können. Sohn Jens Telker setzt sich dann ins Auto, um sie zu holen. Gut meinende Zeitgenossen bringen sie auch in die Barbyer Brandgasse. Dort betreibt Lisa Telker ihre "Igelstation", was im ersten Moment etwas hochtrabend klingt.

Im kleinen Keller des Hauses befinden sich Boxen, wo Igel überwintern können. Das geschieht dank großer Tierliebe und Engagement. Die 74-Jährige hat ein Herz groß wie ein Kürbis für allerlei Kreaturen.

"Der kommt überall hinterher. Wen er nicht kennt, den zischt der Erpel an."

Im vergangenen Jahr päppelte sie einen jungen Feldhasen auf, den ein Glinder Bauer beim Pflügen entdeckte. Da Junghasen bei Krähen ganz oben auf der Speisekarte stehen, ging der Landwirt auf Nummer sicher und nahm den kleinen Mümmelmann mit. Der wuchs zu einem kapitalen Hasen heran, entwischte aber eines Tages. Kürzlich wurde Langohr im Kunsthof Augustusgabe gesehen, der sich in der Nähe von Telkers Haus befindet.

Aktuelles Maskottchen ist eine Wildente. Oder besser ein Wilderpel, der Egon gerufen wird. Er entstammt einer verrückten Entenfamilie, deren Mutter etwas die Orientierung verloren hatte. Im Frühjahr watschelte sie über den Rosmarinplatz. Von Autos erschreckt, stob die Family immer wieder auseinander. Zwei Küken fanden nicht zur Mutter zurück und wurden ... Sie ahnen es ... zu Lisa Telker gebracht. Egon überlebte und benimmt sich heute wie ein Hauserpel. "Der kommt überall hinterher", strahlt Lisa Telker. "Wen er nicht kennt, den zischt er an."

Sogar ein Bläßhuhn flog ihr schon zu. "Ich dachte, ich traue meinen Augen nicht. Da saß eines Morgens ein schwarzer Vogel in unserem kleinen Teich", berichtet Lisa Telker. Als ob es ringsumher nicht schon genug Wasser gibt, das mehr Fläche als eine vier Quadratmeter große "Pfütze" einnimmt. Wobei man wissen muss, dass das Telkergrundstück mehr hoch als tief und breit ist.

Nachdem die "Pensionsmutter" dem ulkigen Vogel ein paar Mahlzeiten gereicht hatte, er im Schönebecker Tierheim untersucht worden war, trollte sich das Huhn und entflatterte wieder Richtung Elbe.

"Die Igelschützerin hat mich vor 15 Jahren gefragt, ob ich dass in Barby nicht auch machen möchte."

Aber woher stammt diese Tierliebe der ehemaligen Reinigungskraft? "Als ich vor 15 Jahren einen Igel gefunden habe und ihn nach Schönebeck zu einer Igelschützerin brachte, hat die mich gefragt, ob ich dass in Barby nicht auch machen möchte", beschreibt Telker den Beginn ihres Engagements. Seitdem bewahrte sie unzählige Stacheltiere vor dem sicheren Tod.

Besonders im Spätherbst und im Winter werden die Pflegefälle gebracht. Dazu gehören Igel, die nach Wintereinbruch, bei Dauerfrost oder Schnee herumlaufen. Man findet sie hauptsächlich bei Tag. Es kann sich um kranke oder schwache Alttiere handeln; oft sind es auch Jungtiere, die spät geboren, eventuell auch krank sind oder sich wegen des geringen Nahrungsangebots im Spätherbst kein für den Winterschlaf ausreichendes Fettpolster anfressen konnten.

Das geschieht mit handelsüblichem Katzenfutter, das aus der eigenen Tasche bezahlt wird. Die abgeklärte Katze der Telkers sieht es mit Gelassenheit, wenn ihr die stachligen Pensionsgäste die Nahrung wegfuttern. Tierfreund zu sein ist also nicht nur mit Kosten verbunden, sondern erfordert auch Zeit. Drei Mahlzeiten pro Tag ...

Lisa Telkers kleine Rente geht komplett für Futter drauf, damit die Igel den Winter gut überstehen. Weil sie keinerlei Unterstützung irgendeiner Behörde bekommt, freut sich die Barbyerin freilich über Futterspenden. Die können in der Brandgasse 18 abgegeben werden.