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Schaupflügen zum Erntedankfest am Ortsrand von Tornitz Der Mittelpunkt des Landes wird einfach umgepflügt

Von Thomas Linßner 04.10.2014, 03:16

Am Mittelpunkt Sachsen-Anhalts wird am 5. Oktober geackert. Der Heimatverein Tornitz/Werkleitz wird anlässlich des Erntedankfestes ein Schaupflügen mit archaischer Landwirtschaftstechnik vorführen.

Tornitz l "Los", spornt Frank Pätzold seine Mitstreiter an, "die Brockenhexe müssen wir ein Stück vorschieben."

Wie es sich für einen Vereinschef gehört, nimmt Pätzold hinter dem Lenkrad Platz, derweil seine Vereinsfreunde Florian Röseler, Bernd Hagedorn und Klaus Dörfert Muskeln machen müssen.

Die "Brockenhexe"?

"Die Brockenhexe ist ein Traktor, der bis 1952 im VEB Schlepperwerk Nordhausen gebaut wurde", weiß Pätzold. Wer so viele Jahre auf dem Buckel hat, darf auch mal geschoben werden. "Zu Erntedank läuft der aber", stellt Pätzold gleich mal klar. Er und ein anderer Traktor der Marke "Harz" sollen am morgigen Sonntag zwei Leiterpflüge ziehen. Der "Harzer" mit seinen kantigen Formen war übrigens der erste in der DDR gebaute Schlepper.

Jeder der beiden Leiterpflüge besitzt nur zwei Schar. Die Vorführung will deutlich machen, wie mühselig die Feldbearbeitung vor 60 Jahren war.

Heimatvereinsvorsitzender Frank Pätzold wird zum 19. Mal eine grüne Schärpe tragen, die auf den ersten Blick wie ein normales Schmuckstück aussieht. Bei näherer Betrachtung fallen aber jede Menge fein säuberlich untereinander gestickte Jahreszahlen auf. Wie eine Zahl am oberen Ende verrät, wurde die Schärpe für Erntedankfestfeiern 1935 genäht. An den folgenden Jahreszahlen lässt sich der gesellschaftliche Zustand des Landes und des Bauerndorfes ablesen. Umzüge gab es demnach von 1935 bis 1938, dann wieder von 1946 bis 1949. (Letzter Träger war 1949 Walter Müller, der den Heimatverein bis zu seinem Tod tatkräftig unterstützte und der auch die Schärpe aufbewahrte.)

Die erste Unterbrechung verursachte der Zweite Weltkrieg, dann vermutlich die Zwangskollektivierung. 1950 war schon kein Erntedankfest mehr in Tornitz. Erst mit dem Jahr 1996 wurde die Tradition wieder aufgenommen, deren letzte gestickte Zahl 2014 heißt. Die meisten Stickerein der "Neuzeit" übernahm Frank Pätzolds Mutter Irmgard. Für nur wenige Jahre ist auf dem grünen Textil noch Platz -dann müsste eine neue Schärpe genäht werden.

Der Erntedanktag beginnt traditionell um 9.30 Uhr mit einem Gottesdienst im ehemaligen Pferdestall des Heimathofes. Eine Stunde später startet dann der bäuerliche Festumzug durch das Doppeldorf Tornitz/Werkleitz, dem die Erntekrone voran fährt.

Gegen 13.30 Uhr beginnt das Schaupflügen auf dem Acker hinter dem Stahlbau Henschel, wo auch ein Denkmal auf den Mittelpunkt Sachsen-Anhalts aufmerksam macht.

Danach ist gemütliches Beisammensein auf dem Heimathof, wo alte Bauerntechnik und die Heimatstube besichtigt werden können. Erster Preis der Tombola ist ein Spanferkel, zweiter ein Schaf, dritter eine Ente. Freilich nicht lebend, sondern als Gutschein. Für das leibliche Wohl ist gesorgt, für Kinder ist die Zuckerwatte gratis.