1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Rat unterzieht sich Stasi-Prüfung

EIL

Kontroverse Diskussion um Sinn der Kontrolle / Im Dezember wird Sonderausschuss gebildet Rat unterzieht sich Stasi-Prüfung

Von Daniel Wrüske 10.10.2014, 03:09

Die Mitglieder des Schönebecker Stadtrates werden auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der DDR (Stasi) überprüft. Das hat das Gremium mehrheitlich beschlossen.

Schönebeck l Die 40 Mitglieder samt Oberbürgermeister des Schönebecker Stadtrates müssen sich einer Prüfung unterziehen, die klären soll, ob und wie sie möglicherweise für die Stasi tätig gewesen sind. Das haben die Mitglieder während der Sitzung Donnerstagabend mit 22 Ja-Stimmen bei elf Nein-Stimmen und einer Enthaltung beschlossen. Die Überprüfung ist das Ergebnis eines Antrages der SPD-Fraktion, der durch Änderungen und Ergänzungen der Christdemokraten im Rat erweitert wurde. Das Verfahren sieht jetzt vor, dass während der Sitzung des Rates im Dezember ein zeitweiliger Sonderausschuss mit fünft stimmberechtigten Mitgliedern gebildet wird. Die Stasi-Überprüfung wird durch den Vorsitzenden dieses Ausschusses von Amts wegen veranlasst und von dessen Mitgliedern durchgeführt.

Stasi - Geschichte oder Transparenz schaffen?

Dem Beschluss war eine kontroverse Diskussion vorausgegangen. Dabei ging es grundsätzlich um die Notwendigkeit einer solchen Kontrolle, aber auch um die Form und das Agieren des Sonderausschusses. "Es geht uns nicht darum, ein Tribunal zu veranstalten oder eine Hexenjagd durchzuführen", begründet SPD-Fraktionschef Frank Schiwek den Antrag der Sozialdemokraten. "Aber 24 Jahre nach der Wende haben die Wähler ein Recht darauf, Transparenz einzufordern und zu wissen, wer sie vertritt." Der faire Umgang miteinander gebiete das, so Frank Schiwek.

Markus Baudisch (CDU-Fraktion) erinnerte am denkwürdigen 9. Oktober daran, dass vor 25 Jahren mehrere Zehntausende Menschen in Leipzig mutig für Freiheit und Demokratie demonstriert haben. Sie haben sich gegen das politische Regime und seinen Sicherheitsapparat mutig gewehrt. Auch wenn das alles ein Vierteljahrhundert her ist, gebe es immer noch viele Menschen, die systematisch Unrecht erfahren hätten und bis heute unter den Folgen leiden würden. "Deshalb ist Transparenz das Mindeste, was wir ihnen anbieten können."

Zuvor hat Reinhard Banse, Fraktionsvorsitzender von FDP/Rettet die Altstadt zwar Methoden und Wirken des ehemaligen DDR-Sicherheitsdienstes verurteilt, er sagt aber auch: "25 Jahre nach der Wende ist die Stasi Geschichte. Es kommt nichts bei einer Überprüfung heraus!" Die Mehrheit der Schönebecker Öffentlichkeit würde einen Beschluss zu einer Überprüfung nicht nachvollziehen. "Vielmehr stellen sich alle die Frage: Haben die nichts Besseres zu tun?" Reinhard Banse hat deshalb vorgeschlagen, dass jeder Rat für sich selbst einen Antrag auf Überprüfung stellt, wenn er es für nötig hält.

Keine Auswirkungen auf das Ratsmandat

Auch Thoralf Winkler, Chef der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erkennt keinen Anlass für die Stasi-Überprüfung. Der Geheimdienst sei inzwischen Grundlage für historische Aufarbeitung, Film und Literatur geworden. "Für das praktische Leben heute hat die Stasi wenig Bedeutung." Vielmehr gebe es aktuell andere Geheimdienste, die gegen Grundrechte und Demokratie verstoßen würden.

Rolf Wiswede (Die Linke) kann den Anträgen zur Überprüfung zustimmen. Er fordert aber vehement ein, dass die Mitglieder des Sonderausschusses zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet sind, um Personen zu schützen. Manfred Pöschke (FDP/Rettet die Altstadt) knüpft hier an und fragt, "welches Ergebnis die geheime Veranstaltung überhaupt haben soll?"

Tatsächlich ist der Umgang mit dem Ergebnis einer Stasi-Überprüfung für die Handelnden offen gelassen. Der Rat orientiert sich jetzt an einer Handreichung der Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR des Landes Sachsen-Anhalt. Fest steht: Ein erworbenes Mandat als Rat kann auch bei nachgewiesener Stasi-Tätigkeit nicht aberkannt werden. Der Ausschuss wird im Einzelfall das Vorgehen prüfen müssen.