1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Mehr Transparenz, um Angst zu nehmen

Asyl- und Flüchtlingspolitik im Salzlandkreis: Junge Stadt- und Gemeinderäte fordern mehr Aufklärung Mehr Transparenz, um Angst zu nehmen

Von Olaf Koch 16.01.2015, 01:59

Das Informationsdefizit abbauen - das sehen Stadt- und Gemeinderäte des Salzlandkreises als derzeit wichtigste Aufgabe. Ein Dutzend von ihnen traf sich Mittwochabend in Bernburg. Sie wollen für eine verbesserte Flüchtlingspolitik werben und aufklären.

Schönebeck/Staßfurt l Sie wollen keine neue Infrastruktur schaffen, keine zusätzlichen Initiativen und keine Arbeitsgruppen. Und vor allem wollen sie sich von dem Blockdenken verabschieden. Am Mittwochabend traf sich in einer italienischen Gaststätte in Bernburg ein Dutzend Stadt- und Gemeinderäte des Salzlandkreises, Ausschussmitglieder des Kreistages, Studenten und interessierte Bürger. Sie alle einte ein Ziel: eine Verbesserung der derzeitigen Situation von Flüchtlingen und die Aufklärung in dieser Problematik.

Die eingeladenen Kommunalpolitiker waren allesamt unter 35 Jahre jung, doch mischten sich in die Gruppe auch ältere. "Darum geht es am Ende nicht. Wir haben ein gemeinsames Thema", erklärte Initiator Marius Fischer (SPD), Stadtrat in Aschersleben.

So wie der Salzlandkreis von der Masse der Flüchtlingen förmlich überrannt wurde, sehr mangelhaft war anfangs auch die Informationspolitik der Verwaltung, wurde im Rahmen der Diskussion am Mittwochabend von den Beteiligten festgestellt. Die aktuellen Zahlen, die der Landkreis Ende November in einer öffentlichen Beschlussvorlage vorlegte, sprechen eine deutliche Sprache: Die Zuweisungen vom Land an Flüchtlingen beliefen sich im Jahr 2008 auf insgesamt nur 48 Bewerber, im Jahr 2012 auf 165 Bewerber und im Jahr 2013 auf insgesamt 331 Bewerber. Bis zum Abschluss des Jahres 2014 sollen es 596 Personen gewesen sein.

Trotz Verzwölffachung Quote bei 0,3 Prozent

Damit hat sich die Zahl der Asylsuchenden im Salzlandkreis in den vergangenen sechs Jahren mehr als verzwölffacht. Doch gemessen an der Gesamtbevölkerung im Kreis beträgt die Quote lediglich bei 0,3 Prozent.

Dennoch: Auf diese Flüchtlingswelle waren die Landkreises in ganz Deutschland nicht vorbereitet. Im Salzlandkreis wurden die Ankömmlinge auf Gemeinschaftsunterkünfte verteilt, danach in eigenen Wohnraum. Derzeit werden dem Kreis monatlich zwischen 85 bis 90 neue Personen zugewiesen -das stellt nicht nur die Verwaltung vor neue Herausforderungen, sondern auch die Bevölkerung.

So prallen mancherorts Kulturen aufeinander. Während Deutsche ihre Ordnung lieben, sehen das andere Menschen aus fernen Ländern nicht so dramatisch. In einigen Kulturen wird hin und wieder die Nacht zum Tag gemacht, was auch nicht immer mit der guten deutschen Nachtruhe vereinbar ist. Unter anderen in Staßfurt gab es zurückliegend diese Probleme (Volksstimme berichtete). Auch die mangelhafte Information und Begleitung von Asylbewerbern zu Behörden, Schulen und anderen Einrichtungen wurde kritisiert. Fast jeder der Gäste am Mittwochabend konnte von eigenen negativen Erlebnissen berichten.

Die mangelnde Aufklärungsarbeit des Landkreises und die unzureichende Betreuung der Asylbewerber, wenn sie in den Unterkünften oder Wohnungen untergebracht sind, wurden von den interessierten Bürgern am Mittwoch am meisten kritisiert.

Mit Veranstaltungen ein Ventil schaffen

Der Kreis mit Landrat Markus Bauer (SPD) an der Spitze will das Betreuungssystem nun weiter ausbauen und dafür auch neue Partner gewinnen. Projekte, die in diesem Jahr ins Auge gefasst wurden, sind unter anderem Sprachkurse für Asylbewerber, Sprachunterricht für Schulkinder, die Vermittlung von Erziehungskompetenzen für ausländische Eltern , das Nachholen von Bildungsabschlüssen für Jugendliche, die Aufklärung über gesellschaftliche Strukturen und Zusammenhänge und andere Dinge.

Ein Anfang, den die Stadt- und Gemeinderäte durchaus begrüßen. Doch sie wollen auf ihrer Ebene noch weitergehen und regen eine Aufklärung an, um vor allem der Bevölkerung die Angst vor vielen Flüchtlingen zu nehmen und beide Seiten bei der Integration mitzunehmen. Vor allem auch vor dem Hintergrund der montäglichen Pegida-Demonstrationen, die lediglich in der Stadt Dresden einen starken Zulauf hat, aber in keiner anderen großen Stadt Deutschlands. Denn dort sind überall die Pegida-Gegner zahlenmäßig in der Überzahl.

"Wir müssen mit Informationsveranstaltungen ein Ventil schaffen", war unisono die Meinung der Beteiligten. So sollen gemeinsam eventuell mit Vertretern des Flüchtlingsrates, der Landeskirche und der Kreisverwaltung zunächst eine interne, anschließend öffentliche Veranstaltungen durchgeführt werden. "Wir alle im Salzlandkreis müssen uns finden. Die Flüchtlingspolitik und die Integration ist eine Aufgabe unserer Zivilgesellschaft", resümierte Stadtrat Fischer.

Nicht nur junge Stadt- und Gemeinderäte sehen die Verbesserung der Asylpolitik als dringende Aufgabe, sondern auch ältere Kommunalpolitiker. So vertrat unter anderem Hartmut Wiest (UWG) einen jungen Kollegen bei der Bernburgrunde am Mittwoch. Johann Hauser (FDP) aus Atzendorf wandte sich dieser Tage an die Volksstimme. Er sprach vor allem von Mitmenschlichkeit und Toleranz. Für den liberalen Politiker keine hohle Phrase: Er lud kürzlich eine syrische Familie zum Essen ein und hat die Patenschaft übernommen.