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Beim Judy-Urman-Preis gewinnen Projekte, die sich individuell mit jüdischer Geschichte beschäftigen Zwei Zeichen gegen das Vergessen

Von Massimo Rogacki 18.04.2015, 01:15

Bei der Verleihung des Judy-Urman-Preises sind zwei außergewöhnliche Ideen im Schalom-Haus ausgezeichnet worden. Ein Geo-Caching-Projekt der Geschichts-Arbeitsgruppe des Dr.-Carl-Hermann-Gymnasiums und ein Film von Schülern der Pestalozzi-Schule.

Schönebeck l Außergewöhnliche Ideen sollten auch in besonderem Maße gewürdigt werden, dachte sich die Jury des Judy-Urman-Preises. Deshalb stehen am Abend der diesjährigen Preisverleihung die Vertreter zweier Projekte auf dem Podium des Schönebecker Schalom-Hauses und werden zu Siegern gekürt. Da sind zum einen Schüler der Pestalozzi-Schule, die mit ihrer eigens gegründeten Videoproduktionsfirma "Pesta Movie" einen Film zur Geschichte der Synagoge mithilfe einer ungewöhnlichen Erzählperspektive realisiert haben. Ebenfalls auf das Siegertreppchen haben es Schüler der Geschichts-Arbeitsgruppe des Dr.-Carl-Hermann-Gymnasiums geschafft - sie bedienen sich des sogenannten Geo-Cachings, einer Art elektronischer Schnitzeljagd, um bedeutende Wegmarken im Leben Judy Urmans ins Bewusstsein zu rücken.

Der Urman-Preis, gestiftet von Ernest und Judy Urman, wird seit 1991 vergeben. Urmann war in den 1920er und 1930er-Jahren als jüdisches Mädchen Jutta Lübschütz in Schönebeck aufgewachsen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten gelang es ihr, mit ihren Eltern nach Shanghai zu fliehen und dem Holocaust zu entkommen. Das Anliegen des Urman-Preises ist es, Schüler für das Thema zu sensibilisieren und die Erinnerung an die jüdische Gemeinde in Schönebeck wachzuhalten.

Und dieses Unterfangen sei aktueller denn je, bekräftigt Pastor Ole Schumann in seiner Eröffnungsrede. "Dieser Tage muss ein solcher Preis auch als Signal gegen anti-semitische Tendenzen dienen", so Schumann. Der evangelische Pastor bezieht sich auf die Vorfälle von Tröglitz und die Zunahme rechter Drohgebärden.

Diese Szenarien vor Augen hat auch Jurymitglied Britta Meldau. Sie moniert, dass heute gar nicht genug an den Holocaust erinnert werden könne. "Wenn ich in der Zeitung lese, dass 50 Prozent aller Deutschen denken, dass in ausreichendem Maße der Verbrechen gedacht wurde, bin ich der Meinung, dass davon in Anbetracht der Vorfälle von Tröglitz und Co keine Rede sein kann", so Meldau.

In einer bewegenden Rede zeigt sich ebenso Jury-Mitglied Lutz Miehe äußerst beunruhigt. Der Historiker schüttelt den Kopf beim Gedanken daran, dass die Vorfälle aus Tröglitz Schule machen könnten. Das diese Tendenzen schon vielerorts zu beobachten seien, werde ihm bewusst, wenn er etwa die Zeitungsberichterstattung über ein Asylbewerberheim in Güntersberge lese, so Miehe. Denn auch dort im Harz seien die Reaktionen der Einwohner, gelinde gesagt, verhalten, wenn es darum geht, Asylbewerber bei sich im Ort aufzunehmen.

Ein Zeichen für Toleranz und gegen das Vergessen haben die prämierten Projekte gesetzt, denn sie haben sich, so die Begründung der Jury, "mit Leichtigkeit und nicht mit Leichtfertigkeit eines schwierigen Themas gewidmet."