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Die Vorgeschichte war bunter, als man denkt

12.05.2015, 04:57

Die im Aufbau befindliche Kreisgrabenanlage von Pömmelte-Zackmünde beeindruckt nicht nur durch rund 2000 Robinienpfähle. Ein Teil der archaisch wirkenden Hölzer wird farblich und holzbildhauerisch gestaltet. Ausführend ist eine Schönebecker Zimmerei.

Pömmelte-Zackmünde l "Wenn es frisch ist, geht es. Aber wehe wenn das Holz abgelagert ist", sagt Stephan Schmidt und streicht über einen Robinienstamm. Dann sei es so hart, dass man sich im wahrsten Sinne die Zähne ausbeißen kann. Auch die von modernen Werkzeugen.

Von einigen der Pfähle mussten auf der ganzen Länge etwa drei Zentimeter Oberfläche abgetragen werden, um erhabene Zierelemente zu schaffen. Sie sehen ein bisschen aus wie die Zähne eines Windmühlen-Kammrades. Darüber befinden sich geheimnisvolle "Brandzeichen". Auf anderen Pfählen sind Totenköpfe heraus gearbeitet oder mehr oder weniger geometrische Muster in das harte Holz geschlagen. Auch stilisierte Dolche, Pfeile und Bögen findet man.

Teile der Kreisgrabenanlage sind farbig gefasst, was sie sehr "dekorativ" macht. Obwohl dieses Wort die Archäologen nun gar nicht gerne hören. Doch dazu später.

"Dieser Auftrag ist schon etwas Besonderes."

Stephan Schmidt ist Chef der gleichnamigen Schönebecker Holzbaufirma. Bisher war er viel auf Kirchtürmen oder denkmalgeschützten Dächern unterwegs. Sie stammen aus Renaissance, Barock oder Neuzeit. Doch jetzt müssen Schmidt und Kollegen einen frühbronzezeitlichen Kultplatz nachbauen, der vom Ende des 3. Jahrtausends vor Christus stammt. "Dieser Auftrag ist schon etwas Besonderes", sagt der Firmenchef. Von den insgesamt zwölf Mitarbeitern sind seit einem Jahr allein zehn mit dem Aufbau der Kreisgrabenanlage beschäftigt.

Im Februar dieses Jahres wurde mit der "Ornamentik" begonnen. Das Landesamt für Archäologie gab zahlreiche Muster und Formen vor, die auf das Holz übertragen wurden. Auch die Farben. So zum Beispiel ein dunkles Rot, wie es typisch für skandinavische Holzhäuser ist.

Sehr anspruchsvoll sei das Schnitzen menschlicher Schädel gewesen, deren Formen tief aus der Robinie heraus gearbeitet wurden, sagt Schmidt. Man hatte sie bei den Ausgrabungen ohne das dazu gehörige Skelett gefunden. Möglich, dass sie als Trophäen besiegter Feinde oder Kultobjekte zur Ehre der Ahnen dienten.

Die Archäologen gehen davon aus, dass die Original-Palisaden aus Eiche waren. Robinie - sie stammt aus Osteuropa - ist ein Kompromiss. Ihr Holz besitzt von Natur aus eine hohe Resistenz gegenüber allen Witterungseinflüssen. Die natürliche Dauerhaftigkeit im Außenbereich mit Erdberührung liegt bei mindestens 50 Jahren. Selbst Eiche und Lärche können in diesem Einsatzgebiet nicht mithalten. "Außerdem ist der Splint bei Eiche etwa drei Zentimeter, bei Robinie nur einen Zentimeter stark", weiß Stephan Schmidt. (Für den Holzbau weist Splintholz - im Gegensatz zum Kernholz - keine natürliche Dauerhaftigkeit auf.)

"Wir haben uns dabei von Mustern der Glockenbecherkultur leiten lassen."

Aber woher kommen die Vorlagen für die Palisaden? Sind sie "dekorative" Phantasieprodukte der Archäologen?

Mitnichten.

"Wir haben uns dabei von Mustern der späten Glockenbecherkultur leiten lassen, die auf Gefäßen gefunden wurden", erklärt Dr. André Spatzier, der 2008 die Anlage ausgrub. Diese Epoche gilt als Übergang von der Jungstein- zur Bronzezeit. Es sei nicht ausgeschlossen, dass auch die Zackmünder Holzkreise farblich gefasst waren. Nachzuweisen sei das allerdings nicht, weil Holz aus jener Zeit längst verrottet ist.

"Die Vorgeschichte war sehr viel bunter, als wir es uns heute vorstellen können", ist André Spatzier sicher. Bunt bemalte Skulpturen kennen Archäologen auch aus dem alten Griechenland. An ausgegrabenen Fundstücken fehlt die Farbe jedoch in der Regel - sie hat den Jahrhunderten unter der Erde nicht standgehalten. Auch die Krieger von Chinas berühmter Terrakotta-Armee hatten leuchtend blaue Ärmel, die Waffenröcke zierten grüne Schleifen und Ornamente. Spatzier spricht bei der Zackmünder Kultstätte von einem "heiligen Ort mit einer hohen Dichte von Opfergaben". Neben der großen und der kleineren Kreisgrabenanlage wurden auch Spuren menschlicher Siedlungen, menschliche Skelette sowie interessante Stein- und Keramikobjekte gefunden.

Kürzlich machte der Dokumentarfilmer Thomas Claus Aufnahmen mit einer Drohne. Die etwa zehn Minuten lange Produktion soll auf der Homepage des Landesmuseums für Vorgeschichte zu sehen sein.