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Warum viele Frauen noch heute nicht genug von Kleidern aus dem Hause Bormann (Schönebeck) bekommen können Geschichten zwischen Elbe und Fläming: Ein Traum aus Dederon: 70 Jahre Bormann-Mode

Von Massimo Rogacki 29.05.2015, 01:16

Kaum zurückgekehrt aus der Kriegsgefangenschaft, gründet Heinz Bormann 1945 in Schönebeck seine "Bekleidungswerkstätten". Es ist der Beginn einer lange währenden Erfolgsgeschichte. Dass sein Mode-Erbe heute noch gepflegt wird, kommt nicht von ungefähr.

Schönebeck l Spitze, Chiffon, chinesische Brokatseide, Tüll - wer behauptet, die ehemalige DDR sei modisch eine graue Maus gewesen, der kennt die Geschichte von Heinz Bormann nicht. Die schönsten Stoffe schaffte der Modeunternehmer Mitte der 50er-Jahre für sein Modeatelier in Schönebeck heran. Während in Konsum-Warenhäusern modisch wahrlich keine keine Glanzlichter gesetzt wurden, kreierte Heinz Bormann unterdessen ein Kleid aus hundert Metern Tüll, besetzt mit Swarowsky-Steinen. 100 Prozent Handarbeit, der Wert: 20 000 Mark.

Bormann-Modenschauen beliebter denn je

Ein Textil der Marke Bormann konnte natürlich auch günstiger erworben werden. In der Regel entstand an den Fertigungstischen eine zwar extravagante, moderne, dabei aber stets tragbare Mode. 1945 begründete der Unternehmer in Schönebeck die "Bekleidungsstätten Heinz Bormann", laut Firmenbroschüre "ein kleines Modeatelier für Frauen." Heinz und seine Frau Johanna bewiesen ein gutes Gespür für die Bedürfnisse der Menschen. Schon einige Jahre nach der Gründung, so lässt sich aus einer Publikation zum 25-jährigen Jubiläum 1970 erfahren, seien die "Ansprüche der Frauen" gewachsen. "Sie lassen sich (...) gern mit modischem Pfiff anziehen."

Nach dem Krieg, in einer Zeit, in der junge Frauen sich in "zusammengeschnippelten Kleidern" zeigten und wegen der Lederknappheit mit "Holzsohlen über das Straßenpflaster klappern mussten", hatte die Idee, Frauen nach gehobenen Maßstäben auszustatten, Bormanns Fantasie beflügelt. "Ich bin in Bormann gewachsen", sagt Nadja Gröschner, Chefin der Magdeburger Feuerwache und Veranstalterin von Bormann-Modenschauen. "Als meine Mama 1967 mit mir schwanger war, wollte sie die schönste Schwangere sein", berichtet Gröschner, die auch als Stadtführerin in Magdeburg bekannt ist. Im Konsum-Warenhaus war sie nicht fündig geworden. "Denn was hing dort an den Bügeln? `Säcke` und dunkle Kleider. Also kaufte sie sich bei Bormann ein Kleid in zwei Nummern größer", erzählt Gröschner.

Seit zehn Jahren veranstaltet Gröschner als Chefin des Kulturzentrums Feuerwache in Magdeburg Bormann-Modenschauen. Was als einmalige Veranstaltung geplant war, ist mittlerweile eine Institution. Nadja Gröschner erinnert sich: "Gleich nach der ersten Veranstaltung kamen Frauen auf mich zu und teilten mir mit, dass sie auch noch ein Bormann-Kleid hätten und es uns gern zur Verfügung stellen würden." Heute ist es eine Auswahl von bis zu 60 Kleidern aus verschiedenen Jahrzehnten, die auf den Schauen bestaunt werden kann. Präsentiert werden sie von Hobby-Models, die Gröschner meist über ihr großes Netzwerk an Bekannten kennenlernt. Die meisten der Teilzeit-Mannequins sind um die 20. Es kommt vor, dass sie sich auch mal ein Bormann-Stück für eine Party ausleihen, gibt die Feuerwache-Chefin amüsiert zu Protokoll. Zum festen Stamm gehört auch Helga Sarg. Die 67-Jährige hat bei Bormann in den Sechzigern Schneiderin gelernt.

Die Besonderheit: Bei den Modenschauen trägt sie teilweise ihre eigenen Stücke. Und macht immer noch eine gute Figur darin. Ihr Vater, einst Chef-Ökonom bei Borman, hatte ihr zur Ausbildung geraten. Bereut hat sie es nicht. Stolz sieht sie aus, wenn sie den Laufsteg, mit einem langen goldenen Umhang bekleidet, betritt. Es ist ihr eigener, selbstredend.

Dass die Modenschauen seit über zehn Jahren nun bereits auf gleichbleibend hohe Resonanz stoßen und meist ausverkauft sind, ist für Nadja Gröschner ein Segen. Wenn die Frau mit den roten Haaren in ihren Vorträgen die Geschichte Bormanns rekapituliert und zwischendurch mit Einspielern und den Modenschauen garniert, dann merkt man ihr an, dass das Thema nicht irgendeines für sie ist. Die Bormann-Kleider, so Gröschner, lägen ihr am Herzen, weil sie für damalige Verhältnisse außergewöhnlich und exklusiv gewesen sind. Und: "Es ist ja nicht selbstverständlich, dass nahezu alle Stücke heute noch tragbar sind."

Die Ausnahme bilden freilich einige synthetische Fasern wie Dederon oder Prelana. Die würden heute nur noch bedingt Absatz finden, ist Gröschner sich sicher. Ein Deodorant in der Handtasche dürfe bei diesen Stoffen nicht fehlen. Im Publikum Gelächter, das Problem ist bekannt.

Die Kollektionen, die an diesem Abend auf dem Laufsteg präsentiert werden, sind kühn, schlicht, elegant, in jedem Fall abwechslungsreich. Vom typischen 50er-Jahre Samtkleid im Schneewitchen-Stil bis zu freizügigerer, bunter und selbstbewusster Mode im Stil der Sechziger Jahre - wenn Bormann seiner Zeit nicht voraus war, so war er zumindest immer am modischen Puls der Zeit. Von einem Pult am Rande des Laufstegs aus moderiert Nadja Gröschner die Schauen. Auch Heinz Bormann ließ es sich nicht nehmen, die Präsentationen seiner neuesten Kollektionen damals selbst zu moderieren. Mit Karteikarten bewaffnet, eloquent und charmant soll Heinz Bormann durch die Veranstaltungen geführt haben, erzählen Helga Sarg und Gröschner.

Modenschau zum Jubiläum in Schönebeck

"Dabei", so Gröschner, "hat Heinz Bormann einige Stoffe nicht einmal unterscheiden können." Letzlich sei es demkaufmännischen Geschick des in den westdeutschen Medien als "Roter Dior" geadelten Bormann zuzuschreiben gewesen, dass er in den Sechzigern in die BRD, nach Belgien oder in die Niederlande exportiert, dass sich DEFA-Produktionen mit seinen Kollektionen schmücken und dass selbst aus dem fernen Libanon Bestellungen für Borman-Mode auflaufen.

2015 schließt sich ein Kreis, 70 Jahre nach der Firmengründung und etwa 62 Jahre nach den ersten Modenschauen im Stadtpark von Bad Salzelmen, wird am 12. Juni wiederum Bormann-Mode bei einer Schau im Schönebecker Industriemuseum zu sehen sein. Die Veranstaltung ist beliebt. Restkarten gibt es voraussichtlich in begrenzter Stückzahl drei Tage vor der Veranstaltung im Industriemuseum in der Ernst-Thälmann-Straße 5a! Und da behaupte noch einer, DDR-Mode sei altbacken, grau und uninteressant.