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Beim Barbyer Weihnachtsmarkt luden sieben offene Höfe zum Besuch Herzensbrecher und Perlenketten

Von Thomas Linßner 29.11.2011, 05:27

Es ist ein Format, das passt: Zwei Tage Weihnachtsmarkt mit Glühwein, Karussell und Leckereien, zwei Tage sieben offene Höfe in der Innenstadt mit Handwerk, Märchen und Ausstellungen. Die Besucher kamen in Strömen.

Barby l "Der ist ein richtiger Herzensbrecher", flaxt jemand im Hintergrund und weist mit dem Kopf in Richtung eines Mannes in Manchesterhose und mit unvermeidlicher Weihnachtsmannmütze. Gemeint ist Tilo Wegner. Dessen Eheweib schaut nur kurz von ihrem Glühweinstand auf, zeigt aber keine Spur von Eifersucht. Warum? Ihr Gatte hat am Wochenende gleich mit mehreren Dutzend Herzen zu tun, von denen einige brechen. Sprich: Kaputt gehen.

Tilo ist Dachdecker. Zum ersten Mal hat er seinen Hof in der Schulstraße geöffnet, wo nicht nur Tonnenbraten und Spielzeug verkauft, sondern auch Erkenntnisse vermittelt werden. Nämlich, dass Handwerk Geschick und Geduld erfordert.

Wegner wird am Ende 150 Schieferplatten mit dem typischen Schieferhammer in Herzform gebracht haben. Wo man sich auf anderen Weihnachtsmärkten Lebkuchenherzen um den Hals hängt, baumeln in Barby solche aus undeformierten Sedimentgestein vor der Brust.

Der Hof ist technischer Firmensitz. Niemand wohnt dort. Dennoch ist die Fassade frisch renoviert worden. "Haben wir wegen der Ansicht gemacht", erklärt der Dachdecker. Wer so was tut, identifiziert sich mit seiner Heimatstadt.

Einige Meter weiter ist noch so Einer, der ähnlich tickt. Bei Stefan Celba weht ein Hauch Historie durch das Torhaus. Drei Dudelsäcke machen ihrem Namen Ehre, vor der Tür zeigt Steinmetz Ulrich, wie eine Sandsteinfratze entsteht, im Oberstübchen lässt Angelika Köhler Hochprozentigen verkosten. "Den Blutwurz habe ich selbst gemacht", strahlt sie und verkauft eine Kräutermischung, mit deren Hilfe man schnöden Klaren in würzigen Schnaps verwandeln kann. Außerdem bietet die Handelsfrau Holzkunst an. Sie hat die benachbarte Marienkirche zum Motiv.

Im "Märchenhof", am Rathaus gegenüber, liest Stadtverwaltungsmitarbeiterin Christina Roeder nicht aus Bauakten, sondern aus Büchern der Brüder Grimm vor. Die Knirpse sitzen wie die Weihnachtswichtel auf Strohballen. "Die hat uns Landwirt Klaus Gerstenberg extra klein gepresst", verrät Roeder. Im vergangenen Jahr wirkten die Kinder auf den großen Standardballen wie Gulliver im Riesenland. Christina Roeder vom Tourismusverein Grafschaft Barby will mit Märchen und Geschichten Kinder (und auch Erwachsene) im Weihnachtsrummel "etwas entschleunigen".

Große Drängelei ist bei André Rößner. Im ehemaligen Handelshaus an der Postgasse werden hunderte historische Barby-Fotos des Sammlers Dieter Schlüter gezeigt. Wie zu erwarten war, eine Lizenz zu höchstem Glühwein-Umsatz.

Achtzig Meter weiter, in Johanna Schraders Blumenpavillon, werden aus Kindern Mäuse, Schmetterlinge und Kätzchen. Die Damen des Grundschulfördervereins schminken in Fleißarbeit. Hier sind außerdem kleine floristische Kunstwerke und schöne Landschaftsfotos zu sehen.

Auch Renate Seidel und ihr Schmuckgeschäft haben sich in den Dienst der Aktion offene Höfe gestellt. Hier spielt der fleischgewordene Weihnachtsmann Gerhard Mitschke (Originalrauschebart) Drehorgel, werden im Oberstübchen des Mini-Hauses Perlenkollektionen gezeigt. So manch ein Besucher staunt darüber, dass die klassische Perlenkette noch da, aber längst durch mannigfaltige Zuchtvariationen hochmodische Konkurrenz bekommen hat.

Siebter im Bunde ist der Kunsthof Augustusgabe. Es warten ein Kamel und die Naturbrot backende Hofchefin Katharina Zenker auf Besucher. Doch wegen der Abseitslage bleiben die Besucher weg. Das ist schade. Aus dem Lehmbackofen werden duftende Roggendinkelnussbrote, Roggendinkelzwiebelbrote oder Vollkornquarkstollenbrote gezogen. Um sie verbal korrekt zu bestellen, bedarf es Enthaltsamkeit bei Glühwein oder Köhlers Blutwurz ...

Wohl nichts bringt die Qualität des kleinen, feinen Barbyer Weihnachtsmarktes so auf den Punkt, als die Einschätzung einer Besucherin aus Schönebeck: "In den vergangenen Jahren war es eine eintägige Alibi-Veranstaltung. Jetzt hat er durch die offenen Höfe ein tolles Format erhalten."