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  7. Plötzky bietet die "Geborgenheit eines Nestes"

Nach dem zweiten Platz bei kreisweitem Dorfwettbewerb fragt die Volksstimme nach, was an dem ostelbischen Ortsteil so schön ist Plötzky bietet die "Geborgenheit eines Nestes"

Von Ulrich Meinhard 08.12.2011, 05:24

"Vom Sieger der Herzen" sprach Schönebecks Dezernent Guido Schmidt, als der Ortsteil Plötzky jetzt auf dem zweiten Platz des kreisweiten Dorfwettbewerbs "Unser Dorf hat Zukunft" landete. Das Lebensgefühl in Plötzky muss ein ganz besonderes sein. Eine Umfrage lässt diese Vermutung zu.

Plötzky l "Ziehen Sie mich und ich öffne mich." In Plötzky sind die Dinge ein bisschen anders als andernorts. Sie sind: direkter. So wird der Besucher des hiesigen Verwaltungsbüros an der Tür mit dem hier zitierten Satz zum Hereinkommen aufgefordert. Ein Beispiel. Ein anderes: Plötzky ist ein Dorf - seit 2009 gehört es freilich als Ortsteil zu Schönebeck. Aber warum steht dann ein Roland inmitten des Dorfes? Und warum sind die Ortschaftsräte voll des Lobes, wenn sie Gäste empfangen, anstatt, wie es sonst oft üblich ist, über dieses oder jenes Defizit zu klagen?

"Weil unsere Vorfahren schon alles dafür getan haben, dass wir glücklich und zufrieden leben können", fasst Ortschaftsrat Erhard Wetzel die Frage in eine kurze aber auch weit ausladende Antwort. "Unsere Altvorderen haben den Geist der Weisheit walten lassen", ergänzt Ortschaftsbürgermeister Herbert Schmeißer. "Plötzky ist ein Vorreiter und immer in Bewegung", sagt der Magdeburger Architekt Heinz Matern. Er begleitet das Dorf seit 1995 in fachlichen Angelegenheiten, steuert seine Sicht der Dinge bei, wenn es um prägende Entscheidungen geht, wie etwa Maßnahmen im Programm für Dorferneuerung, bei Flächennutzungs- und Bauplänen. Beim kreisweiten Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" belegte Plötzky jetzt den zweiten Platz (Volksstimme berichtete). Die Entscheidung, hieß es über die Arbeit der Jury in Bernburg, sei höchst knapp ausgefallen. "Wir sind die Sieger der Herzen", befand Schönebecks Baudezernent Guido Schmidt einen Tag nach der Urteilsverkündung. Herbert Schmeißer empfing Schmidt im Bürgerbüro, hörte geduldig dessen wohlwollenden Worten über das schöne Plötzky zu, um dann für die gute, manchmal etwas "ruppige Zusammenarbeit" zu danken und zu betonen, dass sich der Ort keinesfalls damit zufrieden geben werde, eine Art fünftes Rad am Wagen zu sein. Eine klare Botschaft. Aber so sind die Plötzkyer, sie reden unverblümt. Vertreter der Schönebecker Verwaltung können sich bei den Sitzungen der Ortschaftsräte immer wieder etwas anhören. Drumherum reden ist deren Sache nicht.

Ein Blick in die Geschichte mag das Selbstbewusstsein erklären. Plozeke hieß eine slawische Siedlung, die wahrscheinlich im 7. Jahrhundert oder sogar früher bestanden hat. In den Analen ist von einem durch Zäune gesicherten Dorf die Rede - noch heute befindet sich ein Zaun im Wappen des Ortes. Wer weiter liest in den Chroniken, stößt auf den Hinweis, dass Plötzky in der Anhaltischen Burggrafschaft Magdeburg zur Stadt heranreifte und schnell Markrecht erhielt. Hier sind Waren aus allen Himmelsrichtungen gehandelt worden, bereits im 12. Jahrhundert begann der Abbau von Quarzit aus den umliegenden Steinbrüchen. Ein Zisterzienser-Nonnenkloster, das etwa um 1210 fertig gestellt worden ist, verhalf der Stadt zu hohem Ansehen. In Plötzky wurde Gericht gehalten. Mit der Reformation im 16. Jahrhundert und der damit verbundenen Auflösung des Klosters verlor der Ort allmählich an Bedeutung. Geblieben ist neben den Mauerresten der Klosteranlage der Roland, die deutsche Symbolfigur für das Stadtrecht. Allerdings kam er zeitweise abhanden, beziehungsweise immer mal wieder, etwa im Ersten Weltkrieg, als der damals hölzerne Roland offenbar zu Brennholz verarbeitet worden ist. Die heutige Rolandfigur, sicherheitshalber aus Sandstein gehauen, hat der Schönebecker Künstler Eberhard Frank geschaffen und zwar nach einer Vorlage von Wilfried Kiske, dem Chef des örtlichen Heimatvereins.

"Ach", sagt der Gemeindemitarbeiter Maik Seeger auf die entsprechende Frage, "ich lebe hier gerne, weil es so schön grün und ruhig ist." Und dann harkt er weiter die Anlage vor dem Bürgerhaus. Mit ihm landet dieser Bericht wieder in der Gegenwart. Sein mitharkender Kollege erinnert ein wenig an den Alm-Öhi aus dem Buch "Heidi". Aber in der Zeitung will er nicht zitiert werden. "Nö, das muss nicht sein", brummt er. Macht nichts. Dafür antworten andere um so lieber.

Was ist schön an Plötzky? Ortschaftsrätin Heidrun Rösler ist zwar gerade beschäftigt, doch für eine Antwort auf diese Frage muss sie nicht lange nachdenken. "Ich wohne in einem Dorf, in einem Nest. Und in einem Nest sollte man sich geborgen fühlen. So, wie in Plötzky." Weil? "Weil alles ringsherum stimmt, die Leute, der Wohnraum, die Landschaft. Wir haben alles, was wir brauchen. Es ist schön, durch dieses Dorf zu gehen. Hier spricht man miteinander und mehr noch: Wir handeln mit- und füreinander. Jedenfalls alle, die das möchten. Es ist die Geborgenheit eines Nestes."

Rita Niwiarra ist Erzieherin in der Kindertagesstätte des Ortes. "Wir haben hier Wald, Seen, einfach eine wunderbare Umgebung. Ich habe schon immer auf dem Dorf gewohnt und kann mir auch gar nichts anderes vorstellen", erklärt sie nachdrücklich.

Jüngste in der Runde der Befragten ist Linda Specht. Die 13-Jährige besucht oft und gern den Jugendclub des Ortes. Ist es auch für eine Jugendliche schön in Plötzky? "Es ist toll", sagt das Mädchen überzeugt und erklärt: "Ich bin hier aufgewachsen. Wir haben alles, was wir brauchen: eine Schule, einen Bäcker, einen Kiosk, ein Nagelstudio." Und Hund und Katz könnten die Eltern auch nur halten, weil die Familie Haus und Hof in einem Dorf habe. "Das ist hier alles ideal."

Bei einer Umfrage wie dieser darf Rüdiger Meussling nicht fehlen. Der Pfarrer im Ruhestand hat sich jahrzehntelang für die Kirchen und das kirchliche Leben in Ostelbien eingesetzt und damit die Ortschaften Plötzky und Pretzien geprägt. Was ist schön an Plötzky? "Natürlich unsere Kirche", sprudelt es spontan und mit Betonung aus dem Mund des 72-Jährigen. Gemeint ist das romanische Gotteshaus Sankt-Maria-und-Magdalena, ein Kleinod im gesamten Magdeburger Raum. "Wir haben hier eine gute Dorfgemeinschaft. Einer hilft dem anderen. Heilig Abend werden 26 Kinder am Krippenspiel teilnehmen. Toll! Wir sind dankbar, hier zu leben", betont Meussling. Und da ist auch kein Wermutstropfen? "Doch. Wir sind leider kein eigenständiger Ort mehr", bedauert er.

"Hingeheiratet worden" ist Revierförster Jens Dedow. Er zeigt sich fasziniert von der abwechslungsreichen Elbe-Landschaft: für einen Förster ein Genuss, sagt er. Er stimmt mit Rüdiger Meussling überein: "Bis vor zwei Jahren konnten wir uns als schuldenfreie Bürger fühlen. Das ist mit der Eingemeindung nun leider vorbei."