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Innen- und Wirtschaftsministerium wollen Notifizierung einleiten lassen Klinik: Politiker empört über Verfahrenswende

Von Olaf Koch und Daniel Wrüske 04.02.2012, 04:25

180-Grad-Wendung gestern in den Landesministerien: Nach weiteren Prüfungen haben das Wirtschafts- und Innenministerium entschieden, dass beim Verkauf der Salzlandkliniken an Ameos nun doch ein Notifizierungsverfahren eingeleitet werden muss.

Salzlandkreis l Gestern um 13.39 Uhr erreichte die Volksstimme eine E-Mail, die anschließend in der Kreispolitik wie eine Bombe einschlug: "Nach eingehender Prüfung des Antrages vom Landkreis (vom 19. Dezember 2011) ist das Wirtschaftsministerium, auch nach Rücksprache mit dem Bundeswirtschaftsministerium zu der Auffassung gekommen, dass ein Notifizierungsverfahren erforderlich ist." Pressesprecherin Anke Reppin vom Innenministerium: "Die Bedenken waren doch zu groß, eine andere Entscheidung zu treffen."

Damit wird die Zitterpartie um den Verkauf der Salzlandkliniken an einen der beiden Anbieter - die Schweizer Ameos-Gruppe oder das Berliner Unternehmen Helios - fortgesetzt. Der Grund: Eine zeitnahe Entscheidung scheint damit in die Ferne gerückt. Allein durch die Einleitung eines Prüfverfahrens in Brüssel vergehen mindestens drei bis vier Monate. Die Angebote von Ameos und Helios gelten aber nur bis zum 30. Juni dieses Jahres.

Enttäuscht zeigte sich gestern Nachmittag Landrat Ulrich Gerstner (SPD). Auf den Tag genau seit fünf Wochen lag der Antrag des Landkreises auf Prüfung eines Notifizierungverfahrens beim Landeswirtschaftministerium vor. Angeblich auch deshalb, weil Unterlagen nicht vollständig waren und dauernd aktualisiert werden mussten. "Es ist mir völlig unverständlich, dass die Landesbehörden uns jetzt sagen, dass der Antrag mit den 44 Anlagen und insgesamt 500 Seiten unvollständig sein soll", wetterte der Landrat am Volksstimme-Telefon.

Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Gerald Bieling zeigte sich enttäuscht, auch vor dem Hintergrund der entstehenden Verluste. "Das Hinauszögern in den Ministerien hat uns zwischenzeitlich zwei Millionen Euro gekostet. Das ist eine Sauerei, was die da machen. Ich wusste genau, dass die Leute dort keinen Mumm haben, so eine Entscheidung zu treffen", so Bieling. Dass jetzt noch Unterlagen fehlen würden, sei eine Schutzbehauptung, so der CDU-Fraktionvorsitzende.

Helmut Zander, SPD-Fraktionschef im Kreistag, ist wütend über die jähe Wende in Magdeburg, sieht die Ursachen aber an anderer Stelle: "Der Eindruck ist entstanden, dass der Landrat und die Kreisverwaltung eine Notifizierung regelrecht erzwungen haben." Als eine "Riesensauerei" bezeichnete Zander das, weil man so versuche, Druck auf den Kreistag auszuüben, obwohl es mehrfach Entscheidungen zum Thema Klinik gegeben habe. Eine neuerliche Beschlussfassung lehnt der Sozialdemokrat ab. Wenn die Notifizierung jetzt unumgänglich sei, dann müsse sie schnell vonstatten gehen. "Wir verbrennen jeden Tag 50 000 Euro."

Die Verluste für den Kreis und die zeitliche Verzögerung zur Wiederbelebung des Krankenhausstandortes Staßfurt fällt auch René Zok, Oberbürgermeister der Salzstadt, sofort ein. Er findet die Wende in Magdeburg verwunderlich, standen die Signale noch anders. "Ich hoffe, dass die Notifizierung zeitnah erfolgt und dass im Ergebnis herauskommt, dass der Kreistag richtig entschieden hat." Danach müsse auch die Frage nach Verantwortung für die zeitliche Verzögerung gestellt werden. Die sieht der OB in Bernburg initiiert.

Nach Ansicht von FDP-Mann Johann Hauer ist es erschreckend, dass die Landesregierung seit Dienstag diese aus Sicht des Kreises negative Entwicklung kennt und erst am Freitag öffentlich macht. "Ich finde es schlimm, dass die dahintaumelnden Salzlandkliniken mit 1600 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 120 Millionen Euro vorsätzlich gegen den Baum gefahren werden", so Johann Hauser.

Mit einem Kopfschütteln nahm Fraktionschefin Sabine Dirlich (Die Linke) die Nachricht auf. Ich finde es sehr merkwürdig, dass es innerhalb von 14 Tagen zwei unterschiedliche Meinungen aus dem Land gibt. Das macht mich ärgerlich", kommentierte sie die Entscheidung.

Gestern Abend reagierte auch der Vorsitzende des Vorstands der Ameos-Gruppe in Zürich, Dr. Axel Paeger. Er sagte zur Volksstimme: "Nach unserer Meinung ist in Notifizierungsverfahren nach wie vor nicht nötig, weil keine Beihilfe vorliegt. Ich hoffe, dass die Experten im Bundeswirtschaftsministerium das richtig feststellen werden", so Dr. Paeger.