1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Schwerkranke Frau sitzt bei 17 Grad in ihrer Plattenbauwohnung

EIL

Block ist kaum bewohnt / Heizung schafft es nicht mehr Schwerkranke Frau sitzt bei 17 Grad in ihrer Plattenbauwohnung

Von Thomas Linßner 15.02.2012, 05:24

Der Plattenbau im Barbyer Schenkenweg soll abgerissen werden, nur noch fünf Mietparteien sind darin gemeldet. Was dazu führt, dass deren Wohnungen nicht mehr richtig warm werden. Besonders betroffen ist die schwerkranke Annet Pontoles.

Barby l "Gucken Sie, 17 Grad!", zeigt Annet Pontoles auf das Thermometer. "Das ist schon seit 14 Tagen so. Wärmer wird\'s hier nicht, obwohl die Heizungen bald kochen."

Die 47-Jährige bewohnt zusammen mit ihrem Lebensgefährten eine Dreiraumwohnung in der dritten Etage des Schenkenweges. Der Block ist fast komplett leer gezogen, weil im Frühsommer die Abrissbagger anrollen sollen. Man sieht es schon von weitem an den aufgeklappten, verwaisten Briefkästen.

"Ich nehme an, es ist hier so kalt, weil die Wohnungen rechts und links leer stehen", glaubt die Barbyerin den Grund für die Misere zu kennen.

Diese Vermutung bestätigt Jens Kirchhoff, Sachbearbeiter der Wohnungsbaugesellschaft Barby (WBG). "Wir haben die Heizung für den Block auf ihr Optimum gestellt. Das nützt aber nichts: Der Plattenbau ist ja nicht gedämmt und kühlt an allen Ecken und Kanten aus." Hinzu kommen die "alten Fenster", die Standard 1989 und nicht dicht sind.

Das alles tröstet Annet Pontoles wenig. Sie sitzt im übertragenen Sinne bereits auf gepackten Koffern, weil ihr Mietvertrag am 30. April endet. Als Ausweichmöglichkeit bot ihr die WBG unter anderem eine Wohnung nahe des alten Fabrikhofs in der Schloßstraße an. "Die ist allerdings nicht saniert. Man hat uns gesagt, dass wir das selber tun müssen", sagt sie. Vorher seien noch kleinere Handwerkerarbeiten nötig, die die WBG organisiere. "Die sollten eigentlich schon vor zwei Wochen erledigt sein", erklärt die 47-Jährige. Jens Kirchhoff räumt die Verzögerung ein, verweist auf die angespannte Situation der Sanitärinstallateure in den zurückliegenden Frostwochen.

"Wir haben die Heizung für den Block auf ihr Optimum gestellt. Der Plattenbau ist ja nicht gedämmt und kühlt an allen Ecken und Kanten aus."

Aber warum müssen die Mieter dort renovieren, bevor sie einziehen? "Das ist in unseren Altbauten so. Die Mieter bekommen die Kosten erstattet", erklärt der WBG-Sachbearbeiter. Man habe sich darauf auch mit Frau Pontoles geeinigt.

Dies alles sind Dinge, die zwar nicht erfreulich, doch aber hinnehmbar sind. Doch Annet Pontoles hat ein gesundheitliches Handicap, das ihre Bewegung stark einschränkt.

Seit Wochen ist sie zu Hause, weil sie krankgeschrieben ist. Der Arzt diagnostizierte die Muskelkrankheit ALS, die die Lebenserwartung erheblich herabsetzt. Bereits jetzt hat die 47-Jährige Probleme, aus dem Sessel aufzustehen. Sie klagt nicht darüber, gibt sich tapfer. "Die Zeit, die mir noch bleibt, möchte ich aber in einer schönen Wohnung leben. Da zählt jeder Monat", sagt die Altenpflegerin. In der Hand hält sie ein Schreiben vom November 2011 an die Wohnungsbaugesellschaft, in dem sie ihre Situation schildert. Es geht daraus hervor, dass sie mit höflichen und konstruktiven Worten immer wieder um eine geeignete Parterre-Ausweichwohnung bat. Auch aus ihrem Gesundheitszustand machte sie kein Geheimnis.

Zurück zur 17 Grad kühlen Wohnung. Nach Volksstimme-Vorschlag will Jens Kirchhoff jetzt prüfen, ob wenigstens ein Elektroheizer aufgestellt werden kann. Auch eine Mietminderung zum Ausgleich der dadurch erhöhten Stromkosten zieht er in Betracht, müsse aber erst mit der Geschäftsleitung in Zerbst sprechen.

Formal müssten Dinge wie Mietminderungen beantragt werden, was erfahrungsgemäß dauert. Man kann deshalb nur hoffen, dass die WBG im Falle der kranken Annet Pontoles, die in dieser Wohnung übrigens seit 21 Jahren lebt, Herz beweist und unbürokratisch handelt.