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Beim ersten Besuch im Bürgersaal fällt Dr. Hermann Onko Aeikens die Bleiverglasung ins Auge Rathausfenster begeistern auch Minister

Von Andreas Pinkert 18.05.2012, 05:18

Seit 1949 schmücken drei imposante Bleiglasfenster den Bürgersaal des Rathauses, die vor allem bei Sonnenschein die Blicke von Besuchern auf sich lenken. Landwirtschafts- und Umweltminister Dr. Hermann Onko Aeikens geriet kürzlich regelrecht ins Schwärmen.

Calbe l Der Bürgersaal des Calbenser Rathauses hatte es dem CDU-Politiker im Rahmen seines jüngsten Arbeitsbesuches sichtlich angetan. Bedenkt man, dass ihm als gebürtigen Ostfriesen naturgemäß Nüchternheit und Kühlheit nachgesagt wird, geriet er beim Anblick der Fenster im Saal in wahre Begeisterung.

Calbe als Ackerbürgerstadt und Standort der Eisenproduktion

"Ich bin zum ersten Mal in Calbes Ratssaal", erklärte der 61-Jährige und blickte auf die leuchtend bunten Bleiglasfenster, die 1994 bei der letzten Fenstersanierung wieder eingesetzt wurden. Sie zeigen die Tradition Calbes als Ackerbürgerstädtchen und späteren Industriestandort.

Vor allem mit den darauf symbolisierten Reimen "Bauernhand nährt das Land" oder "Schwerarbeit und Fleiß sei Lohn und Preis" könne er sich als Landwirtschaftsminister sehr gut identifizieren. "Das sind Leitlinien auch meiner Arbeit", sagte Aeikens und schob nach dem vielen Lob mit einem kleinen Augenzwinkern hinterher: "Calbe hat doch große Fortschritte gemacht. Noch vor 300 Jahren wurden auf dem Markt Hexen verbrannt, heute wählt man hier die Bollenkönigin."

Was der Minister nicht wusste, ist, dass die drei imposanten Bleisglasfenster in der Nachkriegszeit eingebaut wurden, als eigentlich dringende Versorgungsprobleme im Vordergrund standen und nicht die Verschönerung von kommunalen Bauten. Doch ein wirklich großes Loch hat die Anschaffung der drei Vorzeigefenster nicht in Calbes Stadtsäckel gerissen.

Einbau der Fenster ist wahrem Finanzcoup zu verdanken

Dem damaligen Bürgermeister Bachmann und seiner Kämmerei ist zu jener Zeit ein großer Coup gelungen, der aufgrund der großen Schlitzohrigkeit alle Achtung verdient. Erst vor fünf Jahren deckte der Barbyer Otto Jacob die Geschichte der Fenster in der Volksstimme auf. Seit 1950 war er Finanzrevisor im Landratsamt der damaligen Kreisstadt Calbe.

Nach seinen Erinnerungen wurden die Anschaffungskosten für die Fenster elegant über die Währungsreform im Jahr 1948 gerettet. Durch äußerst geschicktes Überweisen von Schulden in Höhe von 100 000 Reichsmark wurde der Betrag kurz vor dem 24. Juni 1948 bei der Staatsbank in Leipzig gebucht. Vom 24. bis 26. Juni schlägt die Währungsreform zu. Die meisten Guthaben werden 10:1 abgewertet, nur Schulden nicht. Leipzig bemerkt plötzlich, dass das saalestädtische Geld eigentlich dem Gemeindeumschuldungsverband in Westberlin gehört und überweist es aus ideologischen Gründen der Saalestadt zurück, allerdings im Verhältnis 1:1, da es sich ja um Schulden handelt. So werden aus den 100 000 Reichsmark über Nacht kurzerhand einmal 100 000 DM. Otto Jacob vermutete einen Mittelsmann, den Calbe gehabt haben musste.