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Kleinmühlinger Ehepaar feiert heute seine Eiserne Hochzeit Warum Ruth und Willi Esche vor 65 Jahren ausgerechnet am Heiligabend heirateten

Von Andreas Pinkert 24.12.2012, 02:22

Es ist schon eine Seltenheit, wenn Paare ihre Eiserne Hochzeit bei so guter Gesundheit feiern können wie Ruth und Willi Esche. Noch seltener ist es aber, wenn der Hochzeitstag auf den heutigen Heiligabend fällt - und das seit 65 Jahren.

Kleinmühlingen l Königin Eli-zabeth II. von England und Prinz Philip haben vor gut einem Monat ihre Eiserne Hochzeit gefeiert. Nicht nur die Briten bejubeln das Paar als eine der letzten Säulen von Stabilität und Verlässlichkeit. Heute ziehen Ruth und Willi Esche nach, auf die Gleiches zutrifft.

Kleinmühlingen war der Ort, wo sich die Wege der beiden 1941 zum ersten Mal kreuzten. Ruth Esche kam als Mädchen aus dem Mansfelder Land über die Hohe Börde nach Kleinmühlingen, wo sie bei Kaufmann Gustav Schuhmann in Anstellung war. "Je öfter wir uns im Dorf sahen, desto mehr haben wir miteinander geredet", erinnert sich Willi Esche. Doch das junge Glück wurde jäh unterbrochen.

Sozialistisches Soll erst zum Jahresende 1947 erreicht

1943 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen, kam nach Frankreich, später in Kriegsgefangenschaft. Nach Zeiten der Unsicherheit für seine Angehörigen kehrte Willi Esche wohlbehalten wieder in sein Heimatdorf zurück.

Ruth zog in der Zwischenzeit zu ihren Eltern in die Hohe Börde, wo sie im Dörfchen Wellen eine Neubauernstelle bezogen. Die sowjetische Militäradministration wies der Familie soviel Ackerfläche zu, dass diese sie ernähren konnte. "Die Anfangsjahre waren hart", sagt die 85-Jährige. Das festgelegte Abgabensoll, also die Verpflichtung zur Lieferung einer bestimmten Menge landwirtschaftlicher Produkte, musste zuerst sichergestellt werden. "Erst was wir darüber produzierten, konnten wir behalten." Diese Planwirtschaft war es schließlich auch, die für das Hochzeitsdatum verantwortlich ist. "Nachdem das Soll zum Ende des Jahres erreicht war, habe ich die Bescheinigung gleich abgeliefert", sagt der 86-Jährige. Was aus heutiger Sicht lapidar klingt, war zu damaliger Zeit mit enormen Aufwand verbunden. Mit dem Fahrrad fuhr er in Irxleben auf die Autobahn, um in Wolmirstedt den Bescheid persönlich abzugeben. Das Essen für die Hochzeitsgesellschaft war endlich sicher gestellt. Daraufhin wurde bei der Gemeinde der Termin für die standesamtliche Trauung vereinbart. Am zweiten Weihnachtsfeiertag folgte die kirchliche Trauung. Dabei musste auch auf die Eltern des Bräutigams Rücksicht genommen werden, waren sie durch den Betrieb der Poststelle in Kleinmühlingen sehr an das Geschäft gebunden. "Wir hatten eine wunderschöne Feier, auch wenn vieles aus heutiger Sicht sehr einfach war", sagt Ruth Esche.

1950 zogen sie in das Kleinmühlinger Elternhaus von Willi Esche zurück, wo sie ihre beiden Töchter großzogen. Zur Familie zählen mittlerweile drei Enkel und drei Urenkel. Das Eiserne Paar erfreut sich auch im hohen Alter bester Gesundheit. Ein Geheimrezept dafür gebe es nicht, meint Willi Esche und schiebt mit einem verschmitzen Fingerzeig auf seine Frau hinterher: "Sie ist es, die mich auf Trab hält." Sekunden später streichelt er ihr sanft über den Rücken.

Für das Eiserne Paar gehört ihr Hochzeitstag seit nunmehr 65 Jahren zu Heiligabend einfach dazu. "Das können wir uns gar nicht anders vorstellen", sagt Ruth Esche, die mit ihrem Mann heute besonders viele Glückwünsche entgegen nehmen kann.