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Kommunalpolitiker und Bürger sind überrascht von den Plänen der Kreisverwaltung zur Klinikholding Alle Standorte bei Entscheidung im Blick haben

Von Daniel Wrüske 13.12.2010, 05:30

Offiziell ist noch nichts. Landrat Ulrich Gerstner (SPD) will erst heute die Belegschaft des Klinikums Aschersleben-Staßfurt und die Presse informieren. Doch aus dem Aufsichtsrat der Klinikholding im Salzlandkreis sickerte am Wochenende durch, dass der Kreistag am 22. Dezember über die Privatisierung der Kliniken abstimmen soll. Es hieß auch, dass das Krankenhaus Staßfurt bis zum Jahresende dicht gemacht wird.

Schönebeck/Staßfurt. Der Vorstoß von Landrat Ulrich Gerstner im Aufsichtsrat der Klinikholding am Freitag kam überraschend. Nach Volksstimme-Informationen soll der Kreischef mit einer fertigen Beschlussvorlage für den Kreistag am 22. Dezember zur Sitzung des Aufsichtsrates gekommen sein. Er empfiehlt den Mitgliedern des Kreistages, die Holding der Salzlandkliniken zu privatisieren. Der Aufsichtsrat, dessen Mitglieder zu der Sitzung Stillschweigen vereinbart hatten, stimmte diesem Vorschlag mehrheitlich zu. Das Verfahren hatte Landrat Gerstner bereits im Volksstimme-Interview am 27. November beschrieben: Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Solidaris, dass nach der finanziellen Misere in Aschersleben-Staßfurt alle Krankenhausstandorte prüfte, sollte Varianten vorstellen, wie die Häuser fortzuführen seien – in kommunaler oder privater Hand. Der Aufsichtsrat der Holding sollte diese Vorschläge in einen Beschluss fassen und dem Kreistag vorgelegen. Zwei Tage vor Weihnachten sollte es hier die Entscheidung geben. Gerstner hatte im Interview angedeutet, dass er persönlich zur Privatisierung tendiere, da der Kreis aufgrund regionaler Befindlichkeiten und der eigenen finanziellen Ausstattung nicht mehr in der Lage sei, ein nachhaltiges Konzept für die Salzland-Krankenhäuser auf die Beine zu stellen. Der Kreischef ließ aber alles offen, denn die Entscheidungsinstanz sei der Kreistag.

Kritik an Gerstners Führungsstil

Der wird nun aber mit einer feststehenden Option konfrontiert: Holding-Verkauf – betroffen sind die Standorte Bernburg, Aschersleben und Schönebeck – sowie Schließung des Standortes in Staßfurt aufgrund des Ärztemangels. Machbar ist das, denn offiziell besteht Aschersleben-Staßfurt aus zwei Häusern – die Gesellschaft würde also nicht komplett, sondern lediglich ein Standort dicht gemacht.

Wütend über Gerstners Gangart zeigt sich Landtags- und Kreistagsmitglied Johann Hauser (FDP). "Dieser Mann hat kein Konzept, für mich ist er nur noch ein Polit-Clown", wettert er. Erst stelle sich Gerstner hin und sage, dass der Standort auch nach dem Ärzteweggang sicher sein soll, jetzt sei dieser Medizinermangel Grund für die Schließung. Erst werden ein Rettungsschirm gespannt und Prüfer eingesetzt, dann wird doch alles verkauft. Der Liberale meint, dass der Landrat mit der Situation überfordert sei. Statt heilend zu wirken sorge er dafür, dass die Häuser in Mißkredit geraten. "Wenn ein privater Investor kommt, reibt der sich die Hände, dass er alles so billig bekommt. Dem hätte der Landrat längst entgegenwirken müssen", so Hauser.

Landtags- und Kreistagsmitglied Gunnar Schellenberger (CDU) warnt vor einem "Schnellschuss" am 22. Dezember. "Für die Patienten und die Beschäftigten in der Region muss die bestmögliche ärztliche Versorgung garantiert bleiben." Den Beschluss des Kreischefs müsse der Christdemokrat, der völlig von den Plänen überrumpelt wurde, zunächst im Kreisvorstand und der Fraktion besprechen. Sicher ist für Schellenberger: "Wir müssen den besten Weg für alle finden. Dabei darf nicht eine Region be- und eine andere übervorteilt werden." Der CDU-Mann schaut dabei auch auf das Krankenhaus in Schönebeck, als dessen ehemaliges Aufsichtsratsmitglied er sich besonders verpflichtet fühlt.

Privatisierung heißt nicht gleich Sicherung

Landtagskandidat Peter Rotter (CDU) fordert den Kreistag auf, am 22. Dezember nicht abzustimmen, sondern die Entscheidungen zu überdenken, damit nicht "Kommunalpolitik auf dem Rücken der Patienten ausgetragen" wird. Dass der Landrat nun im Alleingang die Klinik Staßfurt aus der Welt schaffen wolle, sei "Arroganz der Macht", denn der Kreistag müsse entscheiden. Der Christdemokrat werde den Eindruck nicht los, dass der Salzstadt von vornherein keine Chance im Klinikkonzept zugebilligt worden sei. Das Interesse der Bevölkerung, die Proteste und Kämpfe würden in Bernburg nicht beachtet. Bei einer Privatisierung, so Rotter, hätte Staßfurt dagegen die "echte Chance einer reellen Bewertung" von außen. Dann könne der Standort mit seinen Vorteilen glänzen.

Landtags- und Kreistagsmitglied Sabine Dirlich (Die Linke) sieht in der Privatisierung der Krankenhäuser nicht das Allheilmittel. "Mit den Plänen sind wir so nicht einverstanden. Sie sind mehr eine Flucht aus der Verantwortung, als dass sie das konzeptionelle Vorgehen des Kreises als Gesellschafter der Kliniken offenbaren." Das Verfahren, alles einem Privaten zuzuschieben und damit auch die Verantwortung abzugeben, sei für Patienten und Beschäftigte untragbar. Vielmehr müsse die Kommune ihrer Daseinseinsfürsorge als Krankenhausbetreiber nachkommen. Dirlich erteilte deshalb auch Plänen aus Aschersleben und Staßfurt eine Absage, die ihre Häuser für sich allein privatisiert haben wollen. "Das ist noch lange keine Garantie für einen Standort- erhalt." Im Kreistag wollen die Linken gegen Gerstners Vorschlag vorgehen.

Landtags- und Kreistagsmitglied Manfred Püchel (SPD) war geschockt von der Mitteilung, dass der Kreis den Standort Staßfurt schließen will. "Wenn die Holding verkauft wird, dann nur komplett", sagte er. Einen anderen Weg als die Privatisierung sieht der Sozialdemokrat nach den monatelangen Diskussionen aber nicht mehr. "Das Defizit in den Klinken wird von Tag zu Tag größer, unter kommunaler Trägerschaft ist das nicht mehr auffangbar." Deshalb ist Püchel für einen schnellen Entschluss zu Gunsten eines Dritten. Denn das bringe auch Chancen für den Staßfurter Standort und den Kreis als Anbieter. "Der Kreis muss seine Krankenhäuser mit Gesamtkonzept verkaufen, an dieser Stelle müssen Akzente gesetzt werden."

Die Bürger denken so: Für Ursel Neugebauer aus Staßfurt war die Nachricht von der Krankenhaus-Schließung "ein Schlag ins Gesicht". Die Seniorin fragt: "Wo bleibt denn da die unantastbare Würde des Menschen? Ich hoffe, dass wir noch was zusammen unternehmen können." Walter Früchtel aus Staßfurt war erbost, dass die Bürger trotz Gegenwehr von 6000 Demonstranten nun vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Dr. Rolf Funda aus Staßfurt meint, dass das Ganze von langer Hand geplant war, schon, als es den Salzlandkreis noch gar nicht gab. Und von den vier Krankenhausstandorten hätte der Staßfurter nach Meinung der Entscheidungsträger von Anfang an die schlechtesten Karten gehabt.