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Ein Jahr nach dem Hochwasser Flutopfer: "Ich will so etwas nicht nochmal haben"

Von Franziska Richter 07.06.2014, 03:19

Alsleben l Vor einem Jahr haben wir Jana Raßler in Alsleben besucht. Sie stand mit ihrer Mutter, Christel Hinte, mit der sie die Gaststätte "Zur Börse" betreibt, knietief im Wasser - und zwar mehrere Meter vor ihrem Haus. Ein Blick in die Gaststätte war gar nicht möglich.

Beide waren fassungslos. Die gestandene Frau Christel Hinte sagt: "Nur 1947 war das Wasser ähnlich hoch". Sie wissen nicht wie es weitergehen soll mit dem Wirtshaus, in dessen erster Etage sie auch wohnen. Am 3. Juni hatten sie angefangen, Säcke vor den Türen zu stapeln. Als sie am nächsten Morgen, am 4. Juni, aufstanden, sahen sie die Gaststube 70 Zentimeter unter Wasser. Schadenshöhe: 70000 Euro.

Eine Woche später, als die Wassermassen weg sind, bleibt die Hilflosigkeit: Der Versicherungsvertreter war noch nicht da. Die Familie kann nicht anfangen zu renovieren.

Heute sagt Jana Raßler: "So etwas wie dieses Hochwasser will ich nicht nochmal haben. Ich würde die Gaststätte nach einer weiteren Flut nicht nochmal öffnen." Die Anstrengung steht ihr noch heute ins Gesicht geschrieben, wenn sie vom Juni 2013 erzählt.

Der Versicherungsvertreter hat sie völlig verrückt gemacht: Drei Wochen später war er erst da. Sie sollte nichts anrühren und wurde immer wieder aufgefordert, Fotos zu machen. "Heute könnte ich Sandsäcke mit Fotos füllen, würde noch eine Flut kommen."

Das Geld von der Versicherung kam, eine Spende über 1000 Euro der Verbandsgemeinde Saale-Wipper - beim Stadtfest in Güsten wurde gesammelt - und eine Firmenspende auch. Auf das Geld aus dem Fluthilfe-Fond Sachsen-Anhalts, das die Investitionsbank ausschüttet, wartet die Familie bis heute: "Im Januar haben wir den Antrag gestellt, als wir Folgeschäden am Putz entdeckten. Bisher kam da noch nichts", erzählt Jana Raßler und schüttelt den Kopf über die Trägheit der Behörden.

Direkt nach der Flut konnten Jana Raßler und Christel Hinte auf die Hilfe der Familie zählen. Während die Gaststätte sechs Woche geschlossen war, half die ganze Verwandtschaft, den Schlamm herauszuholen und alles zu entsorgen. Stühle, Tische, Tresen der Gaststätte - alles war reif für den Müll. Die Holzverkleidung an den Wänden wölbte sich. "Wir hatten hinten eine Wohnküche. Auf einmal sind die Möbel zusammengebrochen. Die waren ja aus Holz", sagt die Gastwirtin und muss etwas lachen.

Nach sechs Wochen ging der Wiederaufbau endlich los. Neben dem Geld von Versicherung und den Spenden, musste die Familie auch ordentlich aus der privaten Tasche zubuttern. Vom "Flut-Tourismus" profitiert haben sie kaum. "Es kamen nach dem Wiederaufbau viele Leute, aber meistens nur um zu gucken." Geld in der Gaststätte haben die meisten nicht gelassen.

Heute, ein Jahr später, läuft das schnuckelige Wirtshaus an der Saale wieder. Es ist nicht so, dass Massen hierher strömen würden - wo sollen die in Alseben auch herkommen -, aber Jana Raßler hat treue Stammgäste.

Zu den "befristeten" Stammgästen gehören die Montagearbeiter Thomas Karlick und Heiko Busch. "Wir kommen gern her", sagt Heiko Busch, als wir die beiden beim Bierchen in der "Börse" antreffen.