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Kommunalaufsicht ordnet Anhebung der Hebesätze in Hecklingen erstmals per Ersatzvornahme an / Räte fühlen sich hintergangen Höhere Steuern: Kreis lässt Drohung Taten folgen

Von Nora Stuhr 14.06.2014, 03:13

Die Kommunalaufsicht der Landkreisverwaltung hat ihrer Drohung Taten folgen lassen: Die Steuern in der Stadt Hecklingen werden erhöht - ohne Zustimmung des Stadtrates. Per Ersatzvornahme (siehe Infokasten) setzte die Aufsichtsbehörde die Anhebung durch. Stadträte fühlen sich hintergangen.

Hecklingen l Aufgebracht ist Ortsbürgermeisterin Ethel Maria Muschalle-Höllbach (Wählergemeinschaft Hecklingen) aus Groß Börnecke. Sie sprach gegenüber der Volksstimme von einer "Vergewaltigung der Stadt" und monierte, dass der Rathauschef seine Räte "ins offene Messer laufen ließ."

Die Stadträtin ärgert sich über Hans-Rüdiger Kosche (CDU). Der Bürgermeister, der in der zurückliegenden Woche nicht zu sprechen war, weil er im Urlaub war, hatte Ethel Maria Muschalle-Höllbach zufolge in einem Gespräch mit Stadträten beiläufig über ein wichtiges Schreiben informiert. Darin teilt die Kommunalaufsicht der Stadtverwaltung mit, dass sie die von den Räten mehrfach abgelehnte Steueranhebung jetzt per Ersatzvornahme vornimmt, also anstelle des Stadtrates darüber befindet.

Ethel Maria Muschalle-Höllbach und weitere Abgeordnete fühlen sich vom Bürgermeister jetzt hintergangen, weil er sie über den Bescheid der Ersatzvornahme nicht sofort in Kenntnis setzte. Denn der Brief flatterte Mitte Mai - also in der heißen Phase der Kommunalwahlen - im Rathaus ein. Der Rat erfuhr aber erst jetzt davon, nachdem über die Ersatzvornahme schon im Amtsblatt informiert wurde. "Eigentlich hätte der Bürgermeister gleich nach Eintreffen der Ersatzvornahme eine Sondersitzung einberufen müssen", findet Ethel Maria Muschalle-Höllbach.

Sie hofft aber, dass das Kind jetzt trotzdem noch nicht in den Brunnen gefallen ist. " Eile ist geboten", meinte sie in Anspielung darauf, nichts unversucht zu lassen, doch noch eine Lösung zu finden, die Steueranhebung aufzuhalten.

Darauf angesprochen, ob die Stadt Rechtsmittel gegen den Bescheid einlegen kann, machte die Kommunalaufsicht gegenüber der Volksstimme gestern darauf aufmerksam, dass die Satzung bereits durch den Bürgermeister am 19. Mai ausgefertigt und im Amtsblatt des Salzlandkreises (Nr. 27 vom 4. Juni .2014) öffentlich bekannt gemacht wurde. "Nach Einschätzung der Kommunalaufsicht ist mit der Einlegung von Rechtsmitteln seitens der Stadt Hecklingen, trotz noch nicht erlangter Bestandskraft der Verfügung des Salzlandkreises vom 14. Mai, wohl nicht mehr zu rechnen", heißt es.

Die stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Hecklingen Heike Möwes konnte zum Sachverhalt gestern keine Auskunft geben. "Das ist eine Entscheidungssache des Bürgermeisters", verwies sie auf ein persönliches Gespräch mit Hans-Rüdiger Kosche, der aber auch privat nicht erreichbar war. Seine Stellvertreterin bestätigte aber, dass ein Schrei-ben der Kommunalaufsicht vorliegt, in dem angeordnet wird, dass die Stadt die geforderte Steueranhebung mit sofortiger Wirkung zu vollziehen hat.

"Das ist eine Vergewaltigung der Stadt."

Damit würden auf die Bürger in Hecklingen, Groß Börnecke, Schneidlingen und Cochstedt rückwirkend zum 1. Januar 2014 höhere Realsteuern zukommen. Vorgesehen ist, dass der Hebesatz zur Berechnung der Grundsteuer A von 300 auf 305 Punkte, der der Grundsteuer B von 386 auf 394 und der der Gewerbesteuer von 357 auf 361 Punkte steigt. Der Stadt würde dies Mehreinnahmen von rund 19 000 Euro einbringen.

"Das Geld bleibt ja nicht einmal bei der Stadt", wettert Ethel Maria Muschalle-Höllbach. Sie spielt damit auf eine Umlage ab, die die Stadt an den Kreis abzuführen hat und die mit höheren Einnahmen der Kommune nach oben steigt. Im Gegenzug sinken Finanzzuweisungen, die Hecklingen vom Land bekommt, wenn die Einnahmen der Stadt sich erhöhen.

"Das Geld bleibt ja nicht einmal bei der Stadt."

Zum Hintergrund: Die Anhebung der Realsteuern (Grundsteuer A und B, Gewerbesteuer) wurde Hecklingen vom Kreis schon seit langer Zeit angeraten, weil die Stadt mit einem Defizit im Haushalt zu kämpfen hat, das mittlerweile auf rund 14 Millionen angewachsen ist. Einsparungen und das Ausschöpfen aller Einnahmepotenziale wurden der Gemeinde auch vom Land immer wieder vorgeschrieben, weil es der finanziell notleidenden Stadt eine Liquiditätshilfe zahlt. Ohne das Geld, das aber zurückgezahlt werden muss, könnte Hecklingen seine laufenden Ausgaben nicht tätigen. Daher hat der Stadtrat in den zurückliegenden Jahren auch schon öfters in den sauren Apfel gebissen und vorgeschriebene Auflagen erfüllt.

Die Räte kürzten sich beispielsweise selbst ihre Aufwandsentschädigung, auch eine Anhebung der Realsteuern auf den Landesdurchschnitt hatte vor ein paar Jahren schon einmal stattgefunden.

Noch einmal wollten die Abgeordneten dies aber nicht in Kauf nehmen. Die erneute Aufforderung wieder auf den Landesdurchschnitt zu erhöhen - der mittlerweile weiter nach oben gestiegen ist - lehnten sie per Beschluss mehrfach ab. Der Bürgermeister legte dagegen Widerspruch ein und reichte den Sachverhalt nach einer nochmaligen Absage seines Rates an die Kommunalaufsicht weiter. "Weil er sich in der Pflicht sah, Schaden von der Stadt abzuwenden", begründete seine Stellvertreterin Heike Möwes.

Als weiterer Stadtrat war gestern Manfred Mairose (CDU) zu erreichen. Er wollte sich zu der Angelegenheit aber nicht näher äußern, weil es an der Anhebung der Steuern aufgrund der Ersatzvornahme seiner Ansicht nach jetzt nichts mehr zu rütteln gibt.

"Die Sache ist durch", bestätigte er seine Meinung. Mairose gab aber ebenfalls an, erst am Mittwoch dieser Woche vom Ersatzvornahme-Bescheid erfahren zu haben.