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Betriebe wehren sich gegen Abwasserkosten in bis zu sechsstelligem Bereich Firmen fordern für große Flächen Kappungsgrenze

Von Falk Rockmann 10.07.2014, 03:18

Großer Aufschrei, nachdem Firmen An der Liethe in Staßfurt vom Wasser- und Abwasserzweckverband (WAZV)Bode-Wipper über deren Kostenanteile für die Anbindung ans Abwassernetz informiert wurden. Da geht`s teilweise um sechsstellige Summen. Ob Oberbürgermeister René Zok - vor sechs Jahren als "Kandidat der Wirtschaft" gewählt - helfen kann?

Staßfurt l "Die extrem hohen Kosten gefährden Arbeitsplätze", nennt Jacopo Rossi, Prokurist von HBL-Stahlhandel in Dortmund, das Kind beim Namen. "80 000 Euro weniger in den Büchern - wenn man das auf Arbeitsplätze hochrechnet, kann man sich die Auswirkungen ungefähr vorstellen." Für einen Konzernverbund mag das nicht viel klingen, aber für kleine Firmen sei das schon "geschäftsgefährdend", findet Rossi. Nach seiner Auffassung habe es sich der Verband zu leicht gemacht, die Gebühren nach Grundstücksgröße und Geschosszahl der Gebäude zu errechnen. "Wir haben nicht vor, unsere großen Freiflächen zu bebauen", erklärt Heike Schreiber, HBL-Niederlassungsleiterin in Staßfurt. "Wir wollen ja nicht nichts bezahlen. Aber eine Kappungsgrenze wie im privaten Bereich muss her."

Für Sina Knauff kommen die Kosten einer Katastrophe gleich. "30 000 Euro können wir uns einfach nicht leisten als kleines Autohaus mit fünf Mitarbeitern. Damit macht man Firmen kaputt", so die junge Chefin. "Das trifft uns ,hammerhart`", beschreibt auch Ingolf Bricks, geschäftsführender Gesellschafter vom Güschu-Werk, die Situation. "Die größten Betriebsflächen sind Rasen. Der Abwasserverband von Kassel nimmt 0,77 Euro pro Quadratmeter, unserer 3,36 Euro." "Es gibt hochmoderne Biokläranlagen, die kosten die Hälfte. Und ein Betrieb mit 25 Beschäftigten muss 100 000 Euro erstmal stemmen."

Heike Schreiber erinnert in diesem Zusammenhang an den Zusatz "Kandidat der Wirtschaft", mit dem der OB vor sechs Jahren gewählt wurde. "So viele steuerzahlende Gewerbe hat Staßfurt nicht", unterstreicht sie nochmals. "Wir wollen auf unseren 24 000 Quadratmeter Betriebsfläche nicht alles bebauen. Das kann man doch schriftlich festhalten. Und wenn man doch baut, könnte man nachzahlen."

Genau hier sieht Andreas Beyer, Geschäftsführer des WAZV, keine Alternative. Eine diesbezügliche Satzungsänderung sei nicht möglich. Auch wäre es dem Verband nicht erlaubt, durch vertragliche Regelungen das Kommunalabgabenrecht außer Kraft zu setzen. "Der Landesgesetzgeber hat ausdrücklich den Beitragsmaßstab nicht an eine tatsächliche, sondern an eine mögliche Bebauung geknüpft. Solche vertraglichen Regelungen wären aus meiner Sicht unwirksam", so Beyer. Auch der Stadt wären deshalb die Hände gebunden, diesbezüglich Einfluss auf die Satzung zu nehmen.

Auf die Gebührenhöhe privater Kunden hätte übrigens eine eventuelle (unzulässige) Änderung keine Auswirkungen. "Diese Änderungen wären nicht gebührenfähig und müssten von den Mitgliedsgemeinden durch eine Umlage getragen werden."

Im Übrigen bestünden die Planungen, das Gebiet zu erschließen, schon länger. "Sowohl im Abwasserbeseitigungskonzept 2006 als auch in der Fortführung 2014 ist das Gebiet zum Anschluss ausgewiesen", erklärt der WAZV-Chef. Insgesamt sollen nun 16 Grundstücke an die Hauptleitung angeschlossen werden. Einschließlich Steinzeug-Leitung über 721 Meter und 408 Meter langer Abwasserdruckleitung sowie Pumpwerk belaufen sich die Investitionen auf rund 585 000 Euro, woran sich das Land mit 222 000 Euro Fördermitteln beteiligt.

Entgegenkommen signalisiert der WAZV Bode-Wipper im Fall einer Biokläranlage, in die das Achslagerwerk erst vor zwei Jahren investiert hat. "Über den Zeitpunkt der Außerbetriebnahme dieser Anlage kann man sich verständigen. Wir haben im März angeboten, einen sinnvollen Termin zum Anschluss und zur Außerbetriebnahme zu finden und entsprechende Unterstützung bei der Beantragung der Verlängerung der wasserrechtlichen Genehmigung bei der Unteren Wasserbehörde zugesichert", bemerkt Andreas Beyer dazu.

Die Hoffnung sterbe zuletzt, setzt Güschu-Chef Ingolf Bricks auf ein vermittelndes Gespräch beim Staßfurter OB mit dem Geschäftsführer des Verbands Bode-Wipper nächste Woche.

René Zok, auf den "Kandidaten der Wirtschaft" angesprochen, meint: "Mit meinem Amtsantritt habe ich Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger und für die hier ansässigen Gewerbetreibenden übernommen. Um die Entwicklung unserer Stadt voranzutreiben, ist die Unterstützung der etablierten Betriebe unerlässlich und mir noch heute eine Herzensangelegenheit." Zum "Kandidat der Wirtschaft" sei er gekommen, nachdem Unternehmen auf ihn zugekommen waren. "Ein Wahlziel war, die Zusammenarbeit von Stadt und Wirtschaft zu verbessern. Das ist seit meinem Amtsantritt und der Übernahme der Wirtschaftsförderung durch Christian Schüler auch geschehen. Ich möchte an die Einrichtung des Wirtschaftsstammtisches und den Berufsorientierungstag als Beispiele erinnern", erklärt der OB. Es sei nach wie vor gute Praxis, dass sich Unternehmen mit ihren Sorgen jederzeit an ihn oder den Wirtschaftsförderer wenden können. Gerade, wenn gesetzliche Bestimmungen im Wege standen, habe man "die Vermittlerrolle zwischen dem Gewünschten und dem Machbaren übernommen. Im vorliegenden Fall werden wir genauso verfahren. Auf der einen Seite stehen die Aufgaben des WAZV, auf der anderen Seite die erheblichen finanziellen Belastungen, die nach Aussage der Unternehmen zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen werden." Die Möglichkeiten werde man nächste Woche besprechen.