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Flüchtlinge: Stadt und Landkreis gestehen die Brisanz des Themas ein "Wir müssen jetzt handeln"

Von Franziska Richter 08.11.2014, 02:09

Der gestrige Volksstimme-Artikel, der die Situation der Flüchtlinge in Staßfurt-Nord beschrieben hat, war wohl der letzte Anstoß, den es noch brauchte. Stadt und Landkreis haben jetzt erkannt, dass das Thema nicht mehr länger hinter verschlossenen Türen diskutiert werden kann.

Staßfurt/Bernburg l Oberbürgermeister René Zok meldete sich gestern telefonisch bei der Volksstimme. "Wir müssen jetzt handeln. Ich möchte nicht, dass das Thema hochkocht und so wie die Situation der Flüchtlinge in Staßfurt ist, kann es nicht weitergehen", sagte er. Gemeinsam mit Dieter Naumann, dem Geschäftsführer der Wohnungs- und Baugesellschaft mbH Staßfurt, die einige Flüchtlingswohnungen vermietet, wird er am Montag in Bernburg sein.

Dort gibt es ein Pressegespräch "zur Situation der Unterbringung und Betreuung der Asylbewerber im Salzlandkreis" mit Landrat Markus Bauer. Über die Presse und kostenlosen Anzeigenblätter sollen die Bürger nun offiziell informiert werden.

Aber auch in der Praxis braucht es in Staßfurt dringend Maßnahmen, um die Flüchtlinge sinnvoll vor Ort zu unterstützen, erklärt Oberbürgermeister René Zok. Nach wie vor sei es zwar der Salzlandkreis, der die Menschen betreuen muss, aber erstens schaffe dieser das nicht und zweitens habe auch die Stadt eine gewissen Verantwortung vor Ort.

"Wir müssen jetzt sehen, wie wir den Menschen vor Ort helfen können", machte Zok deutlich. "Ich werde sicher eine Arbeitsgemeinschaft oder ähnliches ins Leben rufen." Irgendwie muss die Betreuung und Hilfe für die Flüchtlinge vor Ort koordiniert werden. Es braucht engagierte Menschen, die organisieren, Ehrenamtliche einteilen und die Flüchtlingsfamilien regelmäßig besuchen. "Ich habe schon gewisse Menschen im Kopf, die dafür in Frage kommen würden", sagte Zok.

Auch die Sprecherin des Salzlandkreises teilt mit, dass der Kreis wegen fehlender Kapazitäten auf die Hilfe der Bürger setzen muss: "Wünschenswert wäre eine frühzeitige Integration der Ankömmlinge zur Ermöglichung der Teilhabe am Leben, auch im Rahmen von Nachbarschaftshilfe. So könnten unter anderem örtliche, kulturelle Gepflogenheiten und allgemeingültige Verhaltensregeln, zum Beispiel Mülltrennung, Bedienung von Fahrkartenautomaten, Lesen von Fahrplänen und so weiter, vermittelt werden. Denkbar wären auch Familienpatenschaften, um zum Beispiel Sprachbarrieren schnellstmöglich zu überwinden. Begrüßen würde der Salzlandkreis diese Initiativen auf ehrenamtlicher Basis beziehungsweise Nachbarschaftshilfe, da die in der Kreisverwaltung verfügbaren Mitarbeiter aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen nicht mehr ausreichen, um allen Anforderungen umfangreich gerecht werden zu können."

Dass diese Nachbarschaftshilfe in Staßfurt-Nord schon im großen Ausmaß vorhanden ist, ging aus dem gestrigen Volksstimme-Artikel hervor: In der Straße der Völkerfreundschaft gibt es etliche Mieter, die den Flüchtlingen helfen, allerdings kommen diese an ihre Kapazitätsgrenzen und würden auch Unterstützung und Rückhalt - aus der Verwaltung, durch Einrichtungen und durch weitere Helfer brauchen.

Deshalb muss es eine Organisation wie die angesprochene Arbeitsgemeinschaft der Stadt geben, die alles organisiert. "Es soll einen Dolmetscher aus Syrien in Staßfurt geben, wir versuchen gerade an diesen heranzutreten", so Zok. Für eine Arbeitsgemeinschaft zur Flüchtlingshilfe braucht es vor allem Manpower. "Ich erwarte dabei die Unterstützung des Stadtrats", so Zok.

Die Problematik ist bekannt: Die Flüchtlinge sprechen kein Wort Deutsch, müssen Anträge und Formulare ausfüllen, die Kinder gehen hier zur Schule, verstehen kein Wort vom Unterricht. Bekannt ist auch, dass sich die Lehrer der Grundschule Nord überfordert fühlen mit den Flüchtlingskindern, mit denen sie sich nicht verständigen können. Hier fehlt pädagogisches Personal, das den Unterricht unterstützt.

Es gibt zwar eine Beratungsstelle zur Migrationshilfe vom Internationalen Bund in Nord, aber diese ist nur wenige Stunden pro Woche besetzt und die Flüchtlinge wissen oft gar nicht von deren Existenz. In einigen Flüchtlingswohnungen fehlt es auch schlichtweg an Möbeln, Einrichtungsgegenständen und Dekoration, die die Unterkunft zu einem richtigen Zuhause machen würden (siehe Foto).