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Kritik an später Information von Stadt und Kreis / Einige Fraktionen haben Vorschläge Flüchtlinge: Stadträte fordern Taten

Von Franziska Richter 12.11.2014, 02:19

Staßfurt l Ralf-Peter Schmidt (Linke) und Johann Hauser (FDP) bemängeln einstimmig, aber unabhängig voneinander: Die Informationen des Oberbürgermeisters René Zok zu den Flüchtlingen kamen zu spät. Stadträtin Margit Kietz habe bereits in zwei Stadtratssitzungen nach den aktuellen Zahlen der Flüchtlinge in Staßfurt gefragt, dort aber keine Antwort erhalten, sondern "der Oberbürgermeister hat sie ganz groß abblitzen lassen", so Johann Hauser.

Ralf-Peter Schmidt, Vorsitzender des Sozialausschusses, sagt auch, die Ausschussmitglieder hätten in den zwei jüngsten Sitzungen nahezu fraktionsübergreifend gefordert, dass das Thema auf die Tagesordnung kommt, sprich darüber diskutiert wird. Auch das wurde durch die Verwaltung nicht bewerkstelligt, das Thema wurde lediglich als Information abgehandelt. "Das ärgert mich schon", sagt Ralf-Peter Schmidt. Er hätte sich auch gewünscht, dass das Thema transparent in der Öffentlichkeit diskutiert wird.

Der Stadtrat meint außerdem, dass das Thema nicht nur eine Partei angeht, sondern fraktionsübergreifend behandelt werden muss. Daher sei es nicht nur Sache des Ortsverbands der Linken, wenn es um Engagement für die Flüchtlinge geht, sondern dies müsse "gemeinsam getragen werden". Falls der Oberbürgermeister von sich aus keinen Arbeitskreis zur Flüchtlingshilfe gründen wird, werde seine Fraktion einen entsprechenden Antrag in den Stadtrat zum Beschluss einbringen.

Johann Hauser lässt die Aussage, Stadt und Oberbürgermeister seien nicht zuständig, nicht gelten. Moralisch sei der Oberbürgermeister in der Pflicht. "Als Vorsteher einer Kommune ist er umfassend für alle Probleme zuständig. Das er dabei delegieren muss, ist ganz klar." Wenn er die Worte "nicht zuständig" höre, frage er sich, wo Mitmenschlichkeit und Solidarität bleiben.

"Der Landrat reagiert jetzt nur auf den öffentlichen Druck."

Wenn Mieter in Staßfurt-Nord, die sich um die Flüchtlinge kümmern, von ihrem Oberbürgermeister hören, er sei nicht zuständig, "gibt das diesen Menschen das Gefühl, alleine gelassen und benachteiligt zu werden". Der Oberbürgermeister müsse jetzt Bindeglied sein und das Engagement von Ehrenamtlichen koordinieren. "Und wie kommt er jetzt über Nacht darauf, dass er etwas tun muss, nachdem er die Anfragen im Stadtrat zwei Mal abgebügelt hat? Warum ist er nicht vorher von sich aus darauf gekommen?"

Maßnahmen müssen sofort und unverzüglich ergriffen werden, fordert Johann Hauser. Die Flüchtlinge brauchen jetzt Hilfe. Sie sich selbst zu überlassen, wäre für das Ansehen der Stadt schlecht. "Das sind menschliche Tragödien, sie sind traumatisiert." Zur Aussage des Landrats (die Volksstimme berichtete gestern), dass es im Dezember eine Zusammenkunft mit allen Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften des Kreises geben soll, sagt Hauser: "Das hätte man viel früher machen sollen. Der Landrat reagiert jetzt nur auf den öffentlichen Druck." Und wenn Zok die Vermietung der Wohnungen an Kriegsflüchtlinge schon als Wirtschaftsfaktor ansehe, dann müsse dies auch in geordneten Verhältnissen über die Bühne gehen.

Oberbürgermeister René Zok hatte vergangene Woche eine offizielle Mitteilung herausgegeben, die auf Informationen vom Landkreis über Flüchtlingszahlen basierte. Dazu hatte er angekündigt, einen Arbeitskreis zu gründen.

Der Vollständigkeit halber befragt die Volksstimme auch die anderen Fraktionen zu dem Thema: Der Fraktionsvorsitzende der SPD/Grüne im Stadtrat, Michael Hauschild, befasst sich selbst beruflich mit der Thematik. Als Mitarbeiter des Landkreises Mansfeld-Südharz habe er dort momentan die Verantwortung für 700 Flüchtlinge und Asylbewerber. "Wir haben als Fraktion über das Problem gesprochen und konkrete Vorschläge zur Hilfe in Staßfurt erarbeitet", erklärt er.

"Es braucht einen Verein, der sich intensiv um die Flüchtlinge kümmert."

Alle politischen Parteien sollten die Stadt bei der Suche nach Wohnungen und Objekten für Gemeinschaftsunterkünfte unterstützen. "In anderen Kreisen ist es auch üblich, nicht mehr genutzte Verwaltungsgebäude dafür zu nutzen. Man muss bedenken, dass immer mehr Flüchtlinge kommen. Irgendwann werden die Objekte der Wohnungs- und Baugesellschaft Staßfurt (Wobau) nicht mehr reichen", so Hausschild. Die Objekte müssen dann mit Möbeln bestückt werden, da brauche es Menschen, die das in die Hand nehmen. "Es gibt in Staßfurt noch keinen Verein, der sich intensiv um Flüchtlinge kümmert, so etwas sollte man hier etablieren. Dafür finden sich sicher schnell einige. Die Menschen müssen sich der Thematik annehmen. Man muss die Flüchtlinge begleiten und betreuen", so Hausschild.

Hartmut Wiest, Fraktion Unabhängige Wählergemeinschaften/Alternative für Deutschland, sagt, seine Fraktion habe sich noch nicht mit dem Thema inhaltlich aus-einandergesetzt, hat aber eine persönliche Meinung: Einzig der Vermieter, also Dieter Naumann als Chef der Wobau, sei für die Mieter, also die Flüchtlinge, verantwortlich. Außerdem seien es die regierenden Parteien des Bundes gewesen, die die Flüchtlinge ins Land geholt haben.

"Naumann hätte wissen müssen, welche Probleme er sich aufbürdet und hätte sich früher outen müssen. Da für Kriegsflüchtlinge keine Integrationspflicht besteht, wäre es eine bessere Lösung gewesen, sie zentral unterzubringen", so Wiest. So hätte sich der Betreuer des Landkreises konzentrierter um sie kümmern können. Man hätte die syrischen Kinder mit syrischen Lehrern hier unterrichten lassen müssen, denn wenn diese zurückkehren, müssen sie ja zuhause ihre Schullaufbahn fortsetzen.

Harald Weise (Unabhängige Bürgervertretung von Staßfurt) sagt: "Es ist ein schwerer Verlust, die Heimat zu verlieren. Wir sollten den Menschen entgegenkommen und sie unterstützen. Meine Hochachtung für jene, die sich ehrenamtlich einsetzen. Am wichtigsten ist jetzt, das Sprachproblem zu überwinden, damit man miteinander ins Gespräch kommt, und bei Wohnungssuche und anderem zu begleiten. Die Dolmetscher sind ein guter Ansatzpunkt."

Die CDU-Fraktion war gestern nicht zu erreichen.