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Thomas Kühne schreibt über die Auswirkungen der Depression auf Familie Lobeshymne an die Ehefrau

Von Franziska Richter 07.03.2015, 02:23

Mit "Im Strudel der Depressionen. Familie in der Zerreißprobe" hat Thomas Kühne sein zweites Buch herausgebracht. Es geht um die Auswirkungen seiner Depression auf seine beiden Söhne und seine Ehefrau.

Üllnitz l Frisch aus der Druckerei liegt das zweite Buch von Thomas Kühne (54) vor. Bereits mit seinem ersten Werk "Depressionen. Mehr als eine Krankheit" von 2009 hatte der Üllnitzer für Gesprächsstoff gesorgt. Sehr genau und detailreich berichtet er darin über seine Krankheit, die Depressionen, die ihn seit 2003 - und über drei Jahre intensiv - plagen. Mit der Veröffentlichung seiner ganz privaten Lebens- und Krankheitsgeschichte wollte er vor allem anderen Erkrankten Mut machen, die eigene Erkrankung zu erkennen und sich in Therapie zu begeben. Das Buch wurde über 1000 Mal verkauft, Kühne hielt Lesungen in ganz Deutschland ab.

"Was bei diesem Buch viel zu kurz kam, war, wie schwer es die Angehörigen haben. Ich habe damals auch meine Familie gefährdet", sagt Thomas Kühne im Volksstimme-Gespräch. Den aus Calbe stammenden Autor übermannte die Depression mitten im Berufsleben. Der Diplom-Ökonom arbeitet als Marktleiter in Calbe bis 2003. Der Leistungsdruck auf seiner Arbeitsstelle wurde immer größer, durch den Wechsel der Betreiberkette des Marktes konnte Kühne nicht mehr selbst entscheiden.

In der stets zunehmenden Schnelllebigkeit und den immer größeren Anforderungen der Arbeitswelt sieht er einen der häufigsten Gründe für Depressionen. "Es ist ein gesellschaftliches Problem. Menschen lassen sich zunehmend auf Arbeit, aber auch in der Familie psychisch unter Druck setzen", sagt Thomas Kühne. Auch er fühlte sich auf Arbeit so sehr "eingeschränkt", "dass ich das nicht verkraftet habe", erklärt er. Die draus entstandene Stoffwechselerkrankung fand ihren Höhepunkt in einem Selbstmordversuch und einer dreijährigen Odyssee durch vier Kliniken.

Doch das Tief, das drei Jahre lang andauerte, hinterließ Spuren an seiner Familie, die er selbst - gefangen in der eigenen Krankheit - in dem Moment nicht wahrnahm. "Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie einen Mann zuhause hätten, der nichts macht, sich teilweise nicht duscht, gar nichts im Haushalt macht und noch droht, sich umzubringen", fragt Thomas Kühne. "Ich habe angefangen, den Geschirrspüler auszuräumen und nach einem Teller hatte ich keine Kraft mehr", sagt Kühne. "Ich konnte einfach nicht mehr." Zu gemeinschaftlichen Unternehmungen konnte sich der Familienvater nicht aufraffen. "Ich habe gejammert wie ein kleines Kind, ich habe meiner Frau Vorwürfe gemacht, die Fakten völlig verdreht in meinem Wahn."

Dann kam der Alkohol. "Depressive trinken auch gern", erklärt Thomas Kühne. Die Beziehung zu den beiden Söhnen (23 und 26 Jahre) habe durch das Trinken einen Knacks bekommen. Dann warf ihn seine Frau hinaus und stellte ein Ultimatum: Wenn er von der Flasche wegkommt, kann er zurückkommen.

Was er seiner Frau mit diesem Verhalten angetan hat, wurde ihm erst ihm Nachhinein klar. Das Buch ist nicht nur als Hilfe für jene zu verstehen, die sich ebenfalls - erkannt oder unerkannt - mit Depressionen herumtragen, sondern auch als Hommage, als "eine Lobeshymne an meine Frau, wie sie ist und wie sie war". Sie habe in der schweren Zeit immer wieder wahre menschliche Größe gezeigt, trotz allem fest an seiner Seite gestanden. Ohne sie hätte er das Tief nicht durchgestanden.

Begeistert ist sie allerdings weniger darüber, dass Kühne diese Bücher schreibt, aber sie arrangiere sich damit.

Nachdem nach drei Jahren in einer Magdeburger Klinik die richtige medikamentöse Therapie für Thomas Kühne gefunden wurde, ging es wieder aufwärts. Er ist einer der wenigen Patienten, die keine Psychotherapie machen mussten, um eine Besserung zu erreichen. Vom Alkohol ist er auch weggekommen und durfte wieder zuhause einziehen. "Die Medikamente werde ich mein Leben lang nehmen", sagt Kühne, der weiter von einem Neurologen betreut wird.

Heute hat er sein Leben wieder. Der Erwerbsunfähigkeitsrentner schreibt Artikel und Leserbriefe für die Volksstimme, hat einen Minijob und unterstützt seine Frau als Hausmann und endlich wieder als Partner im Leben.

Das Buch gibt es im Buchhandel, etwa in der "Bücherkiste", oder direkt bei Thomas Kühne, Straße der Einheit 6, Ortsteil Üllnitz, 39443 Staßfurt.