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Großer Andrang und viel Prominenz beim Konzert mit Matthias Eisenberg und dem Schäfer-Ensemble in Pretzien Kirchenmusik offenbart Einmaligkeit des Augenblicks

Von Ulrich Meinhard 27.07.2010, 06:50

Pretzien. Wer zu spät kommt, verpasst die Hälfte. Erfahrene Besucher der sommerlichen Pretziener Kirchenmusiken wissen das. Auftritt und Ansagen von Altpfarrer und Cheforganisator Rüdiger Meussling sind ein Vorgenuss, sozusagen die heitere Ouvertüre für das dann folgende, in der Regel hochkarätige Musikerlebnis. Nicht anders ist es am Sonnabend gewesen. Der renommierte Organist Professor Matthias Eisenberg aus Zwickau gab gemeinsam mit Joachim Schäfer aus Dresden, Kiichi Yotsumoto aus Berlin ( beide Trompete ) und Judit Iszak aus Prag ( Cembalo ) ein Konzert – und viele, viele Menschen kamen : geschätzt mehr als 250.

Es fand sich im gesamten Kirchenbereich kein Fleckchen mehr, das nicht besetzt war. Allein im Quadrat vor der Orgel musste ein wenig Platz gelassen werden : für die Künstler. Entsprechend fiel der Begrüßungstext von Rüdiger Meussling aus : " Kleinen Moment bitte. Wir stapeln noch ", bat er um etwas Geduld vor dem Konzert, um dann kurz darauf fortzufahren : " Ich grüße Sie alle, wo Sie auch sind : auf der Empore, in der Sakristei, im Heiligen Grab. Auch wenn ich Sie nicht sehen kann, Sie können mich hören. " Abschließend der Tipp : " Durch Reibung entsteht Bewegung. Bleiben Sie ganz ruhig sitzen. "

Ein Ratschlag, den die Anwesenden gerne annahmen. Zumal die stille Konzentration dem Genuss des Konzertes sehr entgegenkam. Das gestaltete sich zu einem wunderbaren Erlebnis. Schließlich saß kein Geringerer als Matthias Eisenberg an der Orgel. Der Meister entlockte den Tasten eine fesselnde, eine in den Bann ziehende Musik. Es schien, als wenn Eisenberg, immerhin ein echtes Schwergewicht ( nicht nur künstlerisch ), mit seinem Spiel leichter und leichter wurde, bis letztendlich das gesamte Kirchenschiff mit allen seinen Menschen Kurs nahm in Richtung sommerlichen Wolkenhimmel. Die reine, bilderformende Luft aus Visionen, erträumten Landschaften, lächelnden Fantasiewesen, Verliebten Hand in Hand enthüllte sich : ein Gemälde, wie es Marc Chagall hätte erschaffen können.

Eisenberg ist irgendwie ganz Musik, lässt sie aus seinen großen Händen fließen wie ein Schwall, ein Strom, der sanft mitnimmt was in seine Nähe gerät. Die Fenster wurden heller, die Wände und die Herzen ebenso.

Korrespondierend zur Orgelmusik die Klänge der Trompeten. Der frische, der jugendliche, der optimistisch stimmende Charme dieser Instrumente entwickelte sich freilich durch die Exzellenz derer, die sie spielten. Joachim Schäfer und Kiichi Yotsumoto sind ebenso Meister ihres Faches wie Eisenberg. Komplettiert wurde alles durch das innige Spiel von Judit Iszak, die mit ihrem Cembalo die Werke von Johann Sebastian Bach, Tomaso Albinoni, Giuseppe Torelli und Johann Friedrich Fasch angenehm untermalte. Der stürmische Applaus für die Künstler spricht für sich. Das Publikum entließ das Ensemble trotz Enge und Wärme erst nach fünf Zugaben. Ein Konzert, ein Ereignis wie dieses macht tiefgreifend bewusst, dass jeder Augenblick im Leben nur einmal erfahren werden kann.

Rüdiger Meussling hatte vorsichtshalber nach knapp einer Stunde Eisenberg den Schweiß von der Stirn gewischt und in den Westteil der Kirche gerufen : " Ihr da im heiligen Grab : geht es Euch noch gut ?" Sein abschließender Kommentar an die gesamte Zuhörerschaft ist auch ein Credo : " Wir möchten die wunderbare Gabe der Musik als Geschenk Gottes deutlich machen. " Zu den Beschenkten gehörten neben dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, dessen Ehefrau, der Ratspräsident der Evangelischen Kirchen Deutschlands ( EKD ), Nikolaus Schneider, der einstige Regierungspräsident Böhm sowie Magdeburgs Ex-Oberbürgermeister Dr. Willi Polte. Der sagte gut gelaunt gegenüber der Volksstimme : " Es gibt ja so viele Veranstaltungen zwischen Tangermünde und Schönebeck, ich kann gar nicht überall hin. Aber diese Sommermusik hier in Pretzien, die lasse ich mir nicht entgehen. "