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Schüler des Dr .-Frank-Gymnasiums initiieren " Stolperstein " -Projekt in Staßfurt Erinnerungsort für verfolgte Juden

Von Daniel Wrüske 20.04.2010, 06:49

Schüler des Dr .-Frank-Gymnasiums wollen an jüdisches Leben in der Stadt, sowie die Deportation und Ermordung Staßfurter Juden zurzeit des Nationalsozialismus erinnern. Die Initiativgruppe von " Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage " sucht dafür den Kontakt zum " Stolperstein " - Künstler Gunter Demnig.

Staßfurt. " Stolpersteine " fallen auf. Ihre Kanten sind rauh, sorgen für Anstöße. In ihnen sehen Mädchen und Jungen aus den oberen Klassen des Dr .-Frank-Gymnasiums eine Möglichkeit, an das Schicksal der Staßfurter Juden in den 30 er und 40 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu erinnern. Die Schüler setzen dabei auf ein Kunst- und Geschichtsprojekt des Kölners Gunter Demnig. Die " Stolpersteine " sind kubische Betonsteine mit einer Kantenlänge von rund zehn Zentimetern, auf deren Oberseite sich eine individuell beschriftete Messingplatte befindet. Sie werden an den Orten der jeweiligen Stadt – Orte, an denen Opfer lebten oder wirkten – in das Pflaster des Gehweges eingelassen. Die " Stolpersteine ", es gibt über 22 000 in rund 530 Städten und Gemeinden in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Österreich, Polen, Tschechien, der Ukraine und Ungarn, sind so das weltweit größte dezentrale Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus.

Auch in Staßfurt sollen sie erinnern. Das haben sich die Schüler aus der Initiativgruppe von " Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage " vorgenommen. In der Salzstadt gibt es bereits eine Initiative der evangelischen Kirchengemeinde St. Petri und Johannes, einen Erinnerungsort für die in der Stadt lebenden, verfolgten und ermordeten Juden zu errichten. Die Schüler suchten bereits den Kontakt zu dieser Gruppe, tauschten Erfahrungen und Wissen aus. In der Kirchengemeinde geht man aber andere Wege. Die " Stolpersteine " will man nicht. Die Leute könnten unbedarft darüber hinweg laufen, unangemessen einer Opferwürdigung, so die Befürchtungen. Wichtiger noch, man suche eine individuelle, nicht kommerzialisierte Form. Gedacht ist beispielsweise an ein Denkmal am Bahnhof, dem Ort der Deportation.

Diese Bedenken akzeptieren die Gymnasiasten, teilen sie aber nur bedingt. " Das Hauptargument ist, an die jüdischen Menschen und ihr Schicksal zu erinnern, das steht über allem ", meint Isa. Der Grundgedanke, verfolgter und ermordeter Menschen zu gedenken, überwiege. In diesem Zusammenhang müsse man auch überlegen, wer zum Opferkreis gehöre. Denn die Repressalien, die die jüdische Bevölkerung erleiden musste, seien vielfältig gewesen.

Umfangreiche Recherchen

Viel Recherchearbeit steht vor den jungen Frauen und Männern und Jungen. Nur wenig Regionales lernen die Schüler im Geschichtsunterricht neben den großen Zusammenhängen der Zeit. Konkreter wird es bei Projektfahrten. So besichtigen alle Klassen des Gymnasiums die Gedenkstätte für die Opfer der NS-Euthanasie in Bernburg. Es gibt jüdische Friedhöfe in Staßfurt, Neundorf oder Güsten. Und wenn auch in der Salzstadt nie eine Synagoge stand, 1938 gab es hier Novemberpogrome mit Attacken gegen Kaufleute.

Bevor die Steine gesetzt werden, Künstler Gunter Demnig verfolgt ganz bewusst die wissenschaftliche Begleitung seiner Arbeiten, wollen die Schüler mit Verwandten und Familien der Opfer sprechen. Sie wollen Quellen im Stadtarchiv auswerten, möglicherweise Zeitzeugen befragen. Hilfe erhoffen sie von den Hobby-Historikern. Wichtiger Grundstein für ihre Arbeit könnte eine Arbeit Ernst Laues über das jüdische Leben in Staßfurt von etwa 1849 bis 1940 sein. Außerdem suchen die Schüler die Zusammenarbeit mit der Moses-Mendelssohn-Akademie Halberstadt.

Dazu teilt sich die Initiativgruppe in verschiedene Arbeitskreise auf. Im Fokus der Forschungen steht auch Schulnamensgeber Adolph Frank. Regelmäßig wollen die Gymnasiasten ihre Ergebnisse öffentlich vorstellen. Lesungen, Diskussionen, Gesprächs- und Vortragsrunden aber auch Ausstellungen und andere Veranstaltungen könnten Teile des Rechercheprozesses werden.

Lehrer Michael Reuter versteht sich in diesem Entwicklungsgang als Moderator und Begleiter. Er bündelt und akzentuiert die Schülerideen, die alles in Eigenregie und -motivation betreiben.

Projekt soll auf Stadt ausstrahlen

Ziel hinter allem ist de Schaffung von Erinnerungsorten aber auch die Reflexion in der Gegenwart, so wie sich " Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage " heute grundsätzlich versteht. Die Schüler stellten ihr Projekt bei einem Workshop der federführenden Landeszentrale für politische Bildung in den Winterferien vor und stießen auf Resonanz.

Mit der Aktion will die Initiativgruppe in ihrer Arbeit auf die Stadt ausstrahlen. Im Frühjahr 2011, so der aktuelle Zeitplan, könnten die Stolpersteine gesetzt werden.