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Ehemaliger Eliteschüler aus Bernburg besucht Sekundarschule Am Tierpark Zeitzeuge berichtet über seine Jugendzeit

31.12.2009, 04:53

Die Staßfurter Sekundarschule " Am Tierpark " ist eine der Bildungseinrichtungen, welche das Logo " Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage " tragen. Der Geschichtslehrerin Regina Vahldieck war es gelungen, im Rahmen dieser Aktion den ehemaligen NS-Eliteschüler Klaus Kleinau, der die Napola in Ballenstedt absolvierte, für ein Forum mit Schülern der neunten und zehnten Klassen an der Schule in der alten Salzstadt zu gewinnen, in dessen Mittelpunkt die Verblendung junger Menschen stand.

Staßfurt ( jsg ). Unter dem Motto " Befehlen und Gehorchen " schilderte der heute 82-jährige gebürtige Bernburger eingangs die strengen Riten der Aufnahmeprüfung 1938 an der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt ( Napola ) in Ballenstedt am Harz.

" Die Schüler wurden nach rassischen Merkmalen, nach geistigen und körperlichen Fähigkeiten und nach charakterlichen Eigenschaften ausgewählt ", resümierte Kleinau.

Das Ziel war es, für alle Berufsgruppen, vor allem für den Offiziersnachwuchs bei der Waffen-SS, hochqualifizierte und politisch zuverlässige Elite zur Verfügung zu haben, fügte er an.

Vor den dann folgenden detaillierten Darstellungen der Ausbildung ließ der Referent die Schüler aufstehen und forderte sie auf, seine Kommandos, wie zum Beispiel " Die Augen links " oder " Das Ganze kehrt ", um nur einiges zu nennen, auszuführen, um eine kleine Einstimmung darauf zu bekommen.

Die von Gehorsam, Schleiferei und totaler politischer Ausrichtung geprägte Ausbildung endete im Januar 1945 mit der Einberufung zum aktiven Kriegsdienst als Luftwaffenhelfer und die spätere amerikanische Kriegsgefangenschaft. Im Sommer 1947 ging Klaus Kleinau dann in den Westen Deutschlands. Er schloss sich den " Wandervögeln " an und absolvierte dann 1948 beginnend vier Semester an einer pädagogischen Hochschule.

Nach seiner " Entnazifierung " 1950 konnte er als Lehrer an einer Dorfschule arbeiten. " Bei den Behörden spielte die nationalsozialistische Ausbildung keine Rolle mehr, die schien verjährt und vergessen zu sein ", schätzte der Neulehrer ein.

Aber bald erlebte er zum ersten Mal, was es heißt, sich seiner Vergangenheit schämen zu müssen. Eine holländische Jugendgruppe, bei der seine Klasse zu einer Exkursion weilte, erzählte von Gräueltaten deutscher Soldaten vor dem Kriegsende. Dann kamen Informationen über den Holocaust, besonders über das KZ Auschwitz, und andere Verbrechen des Nazi-Regimes hinzu.

" Da habe ich begriffen, wie es um unsere Erziehung bestellt war und musste erleben, wie diese verlogenen Ideale auch noch gegenwärtig in den Köpfen festsitzen ", blickte Klaus Kleinau zurück.

Seit dem habe ich versucht, die Geschichte für mich selbst zu reflektieren und sie so, vor allem für junge Menschen transparent zu machen. " Sie sollten daraus lernen, sich von keinerlei gesellschaftlichen, politischern und religiösen Zwängen vereinnahmen zu lassen, sondern, wenn es sein muss, daraus auszubrechen und kehrt zu machen, bevor es zu spät ist ", lautete seine Botschaft an die Schüler.

An diesen Vortrag schloss sich eine ausgiebige Diskussion und Fragestunde an, bei der Kleinau auf alle Details einging.

Der Vormittag wurde dann mit einem Besuch der ehemaligen Napola-Schule in Ballenstedt abgerundet. " Nicht alle Schüler waren im Vorfeld der Veranstaltung davon besonders begeistert ", schätzte die Geschichtslehrerin ein. Aber danach zeigten sie sich ausnahmslos beeindruckt und wurden zum Nachdenken angeregt, wie es David und Jessica einschätzten.